Jonestown: Die Strafkolonie (1979)

Dieser Artikel wurde von Joe Holsinger, dem ehemaligen Mitarbeiter es in Jonestwon ermordeten US-Kongressabgeordneten Leo J. Ryan, während seiner Präsentation im Mai 1980 auf einem Forum über “Psychosoziale Auswirkungen des Jonestown-Phänomens” vorgestellt. Laut Holsinger wurde der Artikel im Januar 1979 von einem Psychologen aus Berkeley geschrieben, “der darum gebeten hat, dass sein Name nicht genannt wird.” Es ist fast sicher, dass es sich bei dem Autor um Richard Ofshe handelt, einen Professor für Sozialpsychologie an der UC-Berkeley, Mitglied der False Memory Syndrome Foundation und Mitarbeiter von Margaret Singer.

Der Schock und die Wut über die Todesfälle in Guyana haben sich gelegt. Die ganze Sache ist zu einem Albtraum der Vergangenheit geworden, der in unseren Köpfen als “die größte Geschichte des Jahres 1978” verpackt ist. Und jetzt schreiben wir 1979. Und vielleicht ist es gerade diese Eindeutigkeit, die uns beunruhigt. Es gibt zu wenige Fragen; alles ist sauber verpackt: Jones war ein Menschenfreund, der verrückt wurde; die Menschen brauchten einen Führer, wurden aber in die Irre geführt; 900 Menschen brachten sich selbst um (oder ließen sich umbringen), weil sie einem Führer ergeben waren, usw. usw.

Wenn wir uns die Geschichte des Peoples Temple und der Todesfälle in Guyana genauer ansehen, erkennen wir schnell, dass es Löcher gibt, die groß genug sind, um mit einem Lastwagen hindurchzufahren, wie wir zu sagen pflegten.

Die New York Times berichtete am 29. Dezember 1978 unter der Schlagzeile: “Jones commune found stocked with drugs to control the mind“. In Jonestown wurde ein riesiger Vorrat an Psychopharmaka gefunden, darunter 11.000 Dosen Thorazin, enorme Mengen von Quaaludes, Valium, Demerol und andere psychoaktive Substanzen. Mehrere Fragen drängen sich sofort auf (allerdings nicht den Reportern der NYT): Warum dauerte es fünf Wochen, bis diese “Entdeckung” gemacht oder gemeldet wurde; ist es möglich, diese Menge an Drogen ohne die aktive Hilfe von Pharmaunternehmen, organisiertem Verbrechen, Strafverfolgungsbehörden oder dem Außenministerium oder einer Kombination davon zu beschaffen und zu schmuggeln? (Antwort: nein); und schließlich, was um alles in der Welt haben sie dort unten mit diesen Drogen gemacht?

Jonestown rühmte sich des umfassendsten, modernsten und effizientesten humanitären Systems der medizinischen Versorgung, mit einem Personal und einer Ausstattung, auf die die meisten unserer Gemeindekliniken in den USA neidisch wären. Labors, modernste Test- und Diagnosegeräte, Krankenschwestern, Ärzte, Therapeuten, Ernährungsberater, tägliche Kontrolluntersuchungen für viele Bewohner, alles im Interesse des “Dienstes am Volk”. Übrigens sind die medizinischen Aufzeichnungen dieses äußerst gründlichen Systems, wie wir jetzt erfahren, entweder verschwunden oder haben nie existiert.

Wie lässt sich der Widerspruch zwischen der “Humanität” und der Gedankenkontrolle und virtuellen Sklaverei auflösen, von der wir heute wissen, dass sie in Jonestown stattfand? Wir haben versucht, die Erklärung zu verdauen, dass Jones ein Menschenfreund war, der am Ende verrückt wurde und seine Herde in die Irre führte. Wenn wir genauer hinsehen, können wir erkennen, dass viel mehr dahinter steckt.

Peoples Temple und das Jamestown-Massaker

Rekapitulieren wir kurz die Medienversion von Jonestown und dem Tod von 909 Menschen:

Der Peoples Temple wurde von guten Menschen geleitet, die gute Taten vollbrachten. Aus diesem Grund haben die Strafverfolgungsbehörden, das FBI, das Außen- und das Finanzministerium, der San Francisco Chronicle und andere jahrelang Berichte und Vorfälle ignoriert, die den Peoples Temple mit Entführung, Mord, Schmuggel, Erpressung, Kindesmissbrauch, Diebstahl und anderen Kleinigkeiten in Verbindung brachten.

Der Peoples Temple war so humanitär, dass es ihm gelang, 15 Millionen Dollar in bar, ein umfangreiches Waffen- und Sprengstofflager und Zehntausende von Dosen kontrollierter Arzneimittel vor den Augen der Behörden außer Landes zu schmuggeln. Ganz zu schweigen davon, dass einige der ersten Siedler von Jonestown praktisch aus den Staaten entführt worden waren. Die Behörden, die von Jones’ Humanität so beeindruckt waren, ignorierten alle Berichte über Verbrechen, unterließen es, selbst größeren Berichten über Missetaten in den Staaten und in Guyana nachzugehen, bemerkten all diesen Schmuggel nicht, und als der Kongressabgeordnete Ryan beim Außenministerium einen Antrag auf einen Besuch in Guyana stellte, waren keine Informationen über die Gruppe verfügbar.

Es handelt sich um dasselbe System, das in der Lage ist, einem Polizisten, der Sie in Maine wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten hat, mitzuteilen, dass Sie in Kalifornien einige Strafzettel schulden. Doch niemand wusste irgendetwas über den Peoples Temple oder die Gemeinde in Guyana. Inzwischen ist bekannt, dass die Polizei von San Francisco und die Medien es wiederholt abgelehnt haben, gemeldeten Verbrechen des Peoples Temple nachzugehen, und dass auch das Außenministerium, das FBI und andere Behörden im Laufe der Jahre Beschwerden und Berichte über Entführungen, Folter, Schmuggel usw. erhalten haben, denen sie nicht nachgehen wollten. Jones war so menschenfreundlich, dass sie diesen Berichten einfach nicht glauben konnten.

Dass Polizei und FBI so sehr von Humanität beseelt sind, ist für viele von uns eine große Überraschung. Vielleicht gibt es einen anderen Grund. Zum einen hatten die Leute in San Francisco ein wenig Unterstützung durch den Bürgermeister. Sie wissen schon, der, der umgebracht wurde. Die Polizei und die Medien kamen sofort zu dem Schluss, dass der Tod von Moscone nichts mit Jonestown zu tun hatte, obwohl die Leute davor gewarnt hatten, dass es Todesfälle von politischen Funktionären geben könnte.

Kommen wir nun zu den Umständen von Ryans Besuch. Trotz der Ignoranz des Außenministeriums und des Widerstands der Botschaftsbeamten in Guyana fuhr Ryan mit seinen Ermittlungen fort. Ergibt die folgende Geschichte, die von allen Medien präsentiert und inszeniert wurde, einen Sinn? Nach einem zweitägigen Besuch werden Ryan und andere am Vorabend des 18. November auf der Landebahn abgeschlachtet. Die dort stationierten guyanischen Soldaten weigerten sich, einzugreifen, und erst am nächsten Morgen kam Hilfe. Der Grund dafür ist, dass es auf der Landebahn keine Lichter gab.

Noch einmal: Ein hochrangiges US-Team mit einem Beamten der US-Botschaft wird niedergemäht, aber niemand kann helfen, weil es keine Lichter gibt. Ich dachte, Hubschrauber hätten Lichter, aber vielleicht täusche ich mich. OK, am Morgen des 19. November trifft Hilfe ein und Ryans Gruppe wird evakuiert. Aber es dauert weitere 24 Stunden, bis jemand auf die Idee kommt, die eine Stunde mit dem Jeep oder ein paar Minuten mit dem Hubschrauber entfernte Kolonie zu besuchen. Dann werden die bereits verwesenden Leichen entdeckt. Erstaunlich.

Noch einmal: Nehmen wir an, die Soldaten auf der Landebahn meldeten über Funk, dass die Gruppe Ryan massakriert worden war, einige noch am Leben waren, ihr Leben in Gefahr war, medizinische Hilfe benötigt wurde usw. Haben die Polizei und die Armee Guyanas einfach beschlossen, dass es zu dunkel war und sie sich am Morgen darum kümmern würden? Haben sie sich bei der US-Botschaft gemeldet? Es sei daran erinnert, dass das US-Militär in der Lage ist, eine ganze Armee praktisch an jeden Ort der Welt zu verlegen, wenn es gebraucht wird. Aber es dauerte 36 Stunden, bis jemand in Jonestown ankam und die Leichen “entdeckte”. Weitere Unglaubwürdigkeiten werden noch folgen.

Am 20. November werden 409 Leichen entdeckt und weitere 500 Menschen werden als vermisst gemeldet, die lebend in den Dschungel entkommen sind. Drei Tage lang suchen über 250 Angehörige der US-Luftwaffe, andere militärische und geheimdienstliche Ermittler sowie Angehörige des guyanischen Militärs im Dschungel nach den 500 Vermissten. Bis auf wenige Ausnahmen ist Journalisten der Zutritt zum Tatort untersagt. Am 24. November meldet der verantwortliche Offizier, dass die Zahl der Toten “bis zu 780” betragen könnte. Am 25. November meldet er, dass die endgültige Zahl bei über 900 liegt.

Wie ist dieses Rätsel zu erklären? Die ursprüngliche Zahl war eine Fehlzählung; die Guyaner wissen nicht, wie man zählt; es lagen Leichen unter Leichen (500 unter 400) usw. usw. OK, was sollen wir glauben? Kurz gesagt, dass ein Suchtrupp von, sagen wir, 500 Militär- und Polizeibeamten drei Tage brauchte, um festzustellen, dass die vermissten Personen, nach denen sie suchten, tot direkt vor ihren Füßen lagen, und dass dieselben 500, nachdem sie diese Entdeckung gemacht hatten, 24 Stunden brauchten, um sie alle zu zählen. Fahren wir fort.

Die Reporter, die schließlich am Tatort eintrafen, stellten sich einige Fragen zu den Todesfällen. Warum war so viel Blut zu sehen? Eine Zyanidvergiftung, so wurde erklärt, kann eine blutige Angelegenheit sein. Tatsächlich? Das habe ich nicht gewusst. Trotz massiver Rätsel über die Ursachen und Umstände der Todesfälle eilte die US-Luftwaffe herbei, nachdem alle Leichen “entdeckt” worden waren, balsamierte sie ein und brachte sie weg.

Eine Untersuchung des Tatorts, Autopsien und toxikologische Tests wurden von der Luftwaffe vollständig verhindert. Auf die Frage, warum sie dies getan haben, antwortete ein Sprecher der Luftwaffe: “Ich weiß es nicht”. In einer in den Annalen der Polizeiwissenschaft noch nie dagewesenen Aktion wurde Jones’ Leiche eingeäschert, obwohl sich die ganze Welt fragte, wie er wirklich gestorben war.

Während dieser ganzen Zeit fuhren die Medien munter fort, die absurde Geschichte von 900 Selbstmorden zu verbreiten, offenbar ohne zu wissen, dass sich weder das US-amerikanische noch das guyanische Militär noch die Polizei die Mühe machten, diese Todesfälle zu untersuchen. Es gibt sicherlich nur wenige Parallelen zu dem völligen Fehlen von investigativem Journalismus im Zusammenhang mit den Ereignissen in Jonestown.

Die Implikationen sind erschütternd. Alles zusammengenommen sieht es für den Verfasser so aus, als ob es seit mehreren Jahren eine Politik des Nichtstuns auf höchster Ebene gegenüber dem Peoples Temple gab, dass die 900 Todesfälle nicht nur keine Selbstmorde waren, sondern sich möglicherweise über einen Zeitraum von sechs Tagen ereigneten, und dass eine Vertuschung durch das Militär, das Außenministerium und die Medien so ordentlich und vollständig betrieben wurde, dass sich niemand die Mühe gemacht hat, es zu bemerken. Die Todesfälle selbst könnten eine Vertuschung sein. Was könnte da los gewesen sein? Das Drogenversteck könnte ein Anhaltspunkt sein.

Fast unbemerkt von den vielen merkwürdigen Vorkommnissen nach der Tragödie blieb die Erklärung eines führenden Beamten des National Institute for Mental Health. “Was wir brauchen”, meinte er wenige Stunden nach Bekanntwerden der Todesfälle, “ist ein von der Regierung gefördertes Forschungsprogramm zur Gedankenkontrolle”. Wir müssen unsere Jugend und den American Way of Life schützen, behauptete er. Das Kuriose daran ist, dass es bereits ein Forschungsprojekt zur Gedankenkontrolle gab, von dem dieser Beamte unmöglich nichts gewusst haben kann.

MK Ultra

Die in den frühen 1950er Jahren von unseren Geheimdiensten organisierte Gedankenkontrollforschung, die sich in den 1970er Jahren auf millionenschwere Projekte ausweitete, die von HEW [Gesundheits-, Bildungs- und Wohlfahrtsministerium der Vereinigten Staaten] und LEAA [Gesetzliche Strafverfolgungsbehörde] unterstützt wurden, war eine der größten koordinierten Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen der Wissenschaftsgeschichte. Vielleicht wurde dieser Beamte einfach vom wissenschaftlichen Eifer mitgerissen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich die Rätsel von Jonestown dreißig Jahre zurückverfolgen lassen.

Die wissenschaftliche Entwicklung von Gedankenkontrolltheorien und -methoden hatte für die CIA seit ihrer Gründung im Jahr 1947 oberste Priorität. Experimente mit Hypnose, Drogen, Isolation und anderen Gedankenkontrolltechniken, die bis dahin vom FBI und OSS durchgeführt worden waren, sollten durch das CIA-Projekt BLUEBIRD koordiniert und weiterentwickelt werden. 1951 schlossen sich die CIA und das Militär zu ARTICHOKE zusammen, um die Kontrolle und Veränderung des Verstandes und der Persönlichkeit zu Verhörzwecken, zur Spionageabwehr, zur Induktion von Amnesie und für verschiedene andere Formen der psychischen Umstrukturierung zu entwickeln.

Ebenfalls 1951 wurde der Begriff “Gehirnwäsche” von dem bei der CIA beschäftigten Journalisten Edward Hunter an die amerikanische Öffentlichkeit herangetragen. Der Begriff wurde schnell mit der Angst vor der “roten Bedrohung” in Verbindung gebracht. Die Kommunisten, so behaupteten unsere Geheimdienste und Regierungsvertreter, hätten ausgeklügelte dämonische Gedankenkontrolltechniken entwickelt, die sie an ihren eigenen Bürgern und Kriegsgefangenen anwendeten. Horrorgeschichten über sowjetischen, koreanischen und chinesischen psychologischen Massenzwang überschwemmten die amerikanischen Medien. Der Sozialismus selbst sei ein großes Gefängnis für Gedankenkontrolle, behaupteten einige.

Um unsere Jungs in Übersee und den American Way of Life zu schützen, gründeten die CIA und das Militär 1953 MK ULTRA. MK ULTRA war darauf ausgerichtet, bei der Suche nach dem Schlüssel zur Kontrolle des menschlichen Verstandes nichts unversucht zu lassen, kein Wissensgebiet unerforscht und keine Möglichkeit ungetestet zu lassen. Und zwar nicht nur den Verstand von Einzelpersonen, sondern von Gruppen und ganzen Bevölkerungen. Einige der geplanten Anwendungen der Gedankenkontrolltechnologie waren verdeckte Militäroperationen mit chemischen und biologischen Substanzen, die Programmierung von Attentätern und “mandschurischen Kandidaten”, die Programmierung von verhörresistenten Agenten, die Herbeiführung geistiger Verwirrung und die Ausschaltung von Einzelpersonen und Bevölkerungen.

Es ist schwierig, sich das Ausmaß von MK ULTRA vorzustellen. Die aufgedeckten Dokumente sind nach Angaben der CIA selbst nur die Spitze des Eisbergs. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Kontrolle des menschlichen Verstandes und Verhaltens, von Einzelpersonen, Gruppen und ganzen Bevölkerungen seit 30 Jahren eine der obersten Prioritäten und eine zentrale Strategie der US-Geheimdienste ist. MK ULTRA koordinierte 149 Projekte mit Tausenden von Experimenten und “Operationen” an Gefangenen, Geisteskranken und anderen Personen in den USA und anderswo. Zehntausende von Menschen wurden gegen ihren Willen oder gegen ihr Wissen zu Versuchsobjekten gemacht.

Die Forschungen von Hunderten von Wissenschaftlern wurden, ohne dass sie es wussten, von CIA-Tarnorganisationen koordiniert. MK ULTRA umfasste die Erforschung der verhaltensbezogenen und mentalen Auswirkungen von Drogen, Hypnose, Medikamenten, Schlaf- und Sinnesentzug, Psychotherapie, Gruppenprozessen, Verhaltensmodifikation, biologischen Wirkstoffen, Elektrodenimplantation, ultra-wissenschaftlicher Folter und ultra-subtilen Formen der Gruppenhypnose. Jede mögliche Technik zur Beeinflussung von Menschen gegen ihren Willen oder ihr Wissen wurde getestet.

Die LSD-Forschung von MK ULTRA, an der Hunderte, wenn nicht Tausende von unwissenden menschlichen Versuchskaninchen beteiligt waren und die zu Selbstmorden, mysteriösen Todesfällen und ruinierten Leben führte, ist allgemein bekannt, ebenso wie die Suche nach heimlichen Verabreichungsmethoden der Droge durch Sprühstäbchen, Aerosole und Hautkontakt. Dies ist nur ein winziger Teil von MK ULTRA in den 50er Jahren.

Obwohl diese Forschung völlig illegal war und gegen die Charta der CIA und die US-Verfassung verstieß, ganz zu schweigen von der medizinischen Ethik und mehreren internationalen Übereinkommen wie dem Nürnberger Kodex, konnte die CIA Pharmaunternehmen, staatliche Krankenhäuser und Polizeidienststellen für die Durchführung von Drogenexperimenten gewinnen. Die Experimente in den 50er Jahren waren jedoch mit einigen Mängeln behaftet. Aufgrund der extremen Geheimhaltung der Projekte (aus den Dokumenten geht hervor, dass die Geheimhaltung extrem hohe Priorität hatte und keine Mittel, einschließlich Mord, gescheut wurden, um die Enthüllung des Programms zu verhindern) waren Experimente unter kontrollierten wissenschaftlichen Bedingungen unmöglich. Alle Bereiche des Experimentierens erfordern kontrolliertere Bedingungen, ohne das moralische und rechtliche Gewissen der Bevölkerung zu beunruhigen. MK ULTRA legte einen anderen Gang ein.

Hier kommt der Psychologe und Spezialist für Gehirnwäsche Dr. Edgar Schein ins Spiel. Bei einem Treffen hochrangiger Strafvollzugsbeamter im Jahr 1961 rief Dr. Schein zu einer regelrechten Kampagne der Gehirnwäsche, Verhaltensmodifikation und Persönlichkeitsveränderung der US-Gefangenen auf. Kriminelle, so argumentierte er, hätten kein Recht auf ihre Persönlichkeit und sollten im Interesse der Gesellschaft und der Bewahrung des American Way of Life der Gedankenkontrolle unterworfen werden. Die Gefängnisbeamten, die nicht gerade für ihre Liebe zu Akademikern und Psychologen bekannt sind, nahmen Dr. Scheins Plädoyer mit großer Begeisterung auf, wie sich fünfundzwanzig Jahre später herausstellte. Dr. Schein hatte sich mit ein wenig Hilfe seiner Freunde durchgesetzt: Er arbeitete für die CIA.

In den späten 60er Jahren wurden in Bundes- und Staatsgefängnissen in großem Umfang Projekte zur Verhaltenskontrolle und zu Drogenexperimenten durchgeführt. In den Gefängnissen wurde mit einer Reihe von bewusstseinsverändernden und Folterdrogen, Psychochirurgie, Elektrodenimplantation ins Gehirn, Elektroschocks, aversiver Konditionierung, Sinnes- und Schlafentzug, strikter Isolation und so weiter experimentiert. Gleichzeitig wurden in Gefängnissen und Polizeistationen in Ländern, in denen die CIA den größten Einfluss hatte, wie Brasilien, Uruguay, Griechenland und Nordirland, hochmoderne Anlagen für Experimente mit bewusstseinsverändernden Techniken gebaut.

Ein besonderer Vorteil der Nutzung von Gefängnissen bestand darin, dass Methoden der Gedankenkontrolle an sorgfältig kontrollierten Gruppen entwickelt werden konnten, wodurch die Wissenschaft der Gruppendynamik neue Dimensionen erreichte. Diese Wissenschaft hat ihren Ursprung übrigens bei der Luftwaffe: Der führende Psychologe Carl Rogers erfuhr letztes Jahr, dass seine gesamte Forschung über Gruppenprozesse in den 50er Jahren von der CIA finanziert wurde. Es wurden “Token-Economy”-Systeme organisiert und hochgradig zwanghafte Formen der Gruppen-“Therapie” wurden üblich.

Die bekannteste dieser Formen war Martin Groders Asklepion Society im Bundesgefängnis in Marion, Illinois. Dieses Programm, das auf einer einzigartigen Kombination aus Transaktionsanalyse und den in Dr. Scheins von der CIA gesponsertem Buch “Coercive Persuasion” beschriebenen Gehirnwäschetechniken basierte, zielte darauf ab, die Persönlichkeit von Gefangenen durch intensiven Gruppendruck und Techniken der Gedankenbeeinflussung in Kombination mit Isolation, sensorischer Deprivation und dem Einsatz psychoaktiver Drogen zu verändern.

Die Mitglieder der “In-Group”, die den anderen Gefangenen als “Groders Gorillas” bekannt waren, führten an den in das Programm aufgenommenen Gefangenen eine “Konfrontations-” und “Angriffstherapie” durch. Zu den Grundsätzen des Programms gehörten die Isolierung der Anführer, die Trennung von äußeren Einflüssen und emotionaler Unterstützung, die Verhinderung der Bildung von Untergruppen und der Loyalität gegenüber einer anderen Person als dem Anführer, der kontrollierte Einsatz von psychologisch zweideutigen Situationen in Verbindung mit intensivem psychologischem Druck, positive Verstärkungen für die Loyalität und Identifikation mit der Gruppe, der Einsatz von Techniken zur Entwertung des Charakters wie öffentliche Verunglimpfung und Demütigung sowie erzwungene Geständnisse und die erzwungene Unterwerfung unter die Autorität und die Werte der Gruppe. Ernährung und Schlaf wurden zeitweise stark eingeschränkt.

Im Gegensatz zu anderen Projekten zur Gedankenkontrolle handelte es sich hier um ein Experiment zur erzwungenen Veränderung von Gruppenpersönlichkeiten auf der Grundlage der Prinzipien der Gruppeninteraktion.

Anfang der 70er Jahre waren die Bundesregierung und einige Bundesstaaten von dem Konzept der Gedankenkontrolle begeistert, und es entstanden Pläne für ehrgeizigere Projekte. Dr. Groder sollte seine Methoden in das neue Bundesgefängnis in Butner, North Carolina, einbringen, wo die Experimente mit der psychologischen, pharmakologischen und medizinischen Beeinflussung der Persönlichkeit von Gefangenen erheblich ausgeweitet werden sollten. Das geplante Center for the Study and Reduction of Violence in California sollte ein massives Programm der Psychochirurgie, der aversiven Konditionierung und der chemischen Kastration durchführen und damit die bereits in der California Medical Facility (Gefängnis) in Vacaville angewandten Methoden erweitern.

Während die “rote Bedrohung” abgeklungen zu sein schien, sah sich die amerikanische Öffentlichkeit nun offenbar mit der Gefahr konfrontiert, dass massenhaft von Natur aus gewalttätige Bürger frei herumlaufen, die meisten von ihnen Schwarze und andere Angehörige der Dritten Welt. Nur ein umfassendes Programm der Psychochirurgie und die sofortige Ausweitung von Gedankenkontrollprogrammen in Gedankenkontrollgefängnissen könnten den American Way of Life noch retten.

Viele Leute haben das nicht geglaubt. Jahrelang kämpften Gefangenengruppen, die Lawyer’s Guild, die ACLU, die National Alliance und unzählige andere gegen diese Entwicklungen. Da die ehrgeizigeren Programme den juristischen Anfechtungen nicht standhalten konnten, mussten sie sich vorübergehend zurückziehen.

Die Gefängnisse waren nicht die einzigen Orte, an denen experimentelle Verhaltenskontrollprogramme durchgeführt wurden. Auch Schulen und Krankenhäuser erhielten Millionen von Dollar an Bundesmitteln für die Entwicklung von Programmen. Es kann zwar nicht bewiesen werden, dass diese Programme Teil von MK ULTRA waren, aber es kann auch nicht bewiesen werden, dass 2 plus 2 gleich 4 ist. Wir müssen unsere Fähigkeiten der Schlussfolgerung nutzen. Vor kurzem hat die CIA enthüllt, dass sie 130 Kisten mit unveröffentlichten Gedankenkontrolldokumenten besitzt. Vielleicht erfahren wir dadurch mehr, aber sie sagen uns nur, was sie uns wissen lassen wollen.

Eines der merkwürdigen Programme, die in den frühen 70er Jahren auftauchten, war das Programm “The Seed” in Ft. Lauderdale, Florida. The Seed war ein “Rehabilitations”-Programm für Jugendliche mit einer Vielzahl von Problemen, die von Gerichten, Schulen oder Eltern vermittelt wurden. Die Techniken und Prinzipien von The Seed ähnelten auffallend denen der Asklepion Society im Marion-Gefängnis, einschließlich Angriffs-“Therapie”-Demütigungen, intensivem Gruppendruck, erzwungenen Geständnissen, Schlafentzug und so weiter. Es wurde ein umfangreiches Spionage- und Informationssystem entwickelt und es wurde absolute Loyalität gegenüber der Gruppe verlangt, die über familiären Bindungen stand.

Die Probleme begannen sich zu entwickeln. Eltern beschwerten sich, dass ihre Kinder einer Gehirnwäsche unterzogen worden waren. Lehrern fiel auf, dass die “Setzlinge”, wie die erfolgreichen Absolventen genannt wurden, ein hypnotisiertes, roboterhaftes Verhalten an den Tag legten und extreme Gruppenloyalität und konformes Verhalten an den Tag legten. Einige beschwerten sich, dass dies sie an Nazi-Deutschland erinnerte.

Der Leiter von The Seed, ein gewisser Art Barker, verfügte über keinerlei Referenzen oder Erfahrung mit Behandlungsprogrammen. Ebenso wenig wie seine Mitarbeiter. Dies hielt die vereinten Kräfte von NIDA [National Institute on Drug Abuse], HEW und LEAA nicht davon ab, The Seed über mehrere Jahre hinweg mit Millionen von Dollar zu unterstützen. Bevor die Eltern und Lehrer von Ft. Lauderdale zu neugierig werden konnten, wurden die Bundesmittel still und leise gestrichen.

Laut Richard Helms wurde MK ULTRA 1974 eingestellt, und die CIA verlor das Interesse an Gedankenkontrolle. Die Akten sind alle vernichtet worden. Natürlich. Die größte Anstrengung, die jemals in den sozialen und medizinischen Wissenschaften unternommen wurde, die sich über mehr als ein Vierteljahrhundert erstreckte, die Hunderte von Millionen Dollar der Steuerzahler kostete, eine Strategie, die für die CIA seit ihrer Gründung von zentraler Bedeutung war, wurde einfach fallen gelassen. Alle gingen nach Hause.

Für diejenigen, die sich dieses Szenario nicht so recht vorstellen können: Was geschah um 1974? Wir können nur spekulieren, aber anhand dessen, was wir über die Prioritäten der CIA und die Entwicklung von MK ULTRA wissen, können wir einige fundierte Vermutungen anstellen. Die MK-ULTRA-Strategen sahen sich folgenden Anforderungen gegenüber:

1. weitere juristische Auseinandersetzungen vermeiden;
2. Fortsetzung der Experimente mit psychoaktiven Drogen, die in immer spezifischeren und raffinierteren Aktionen eingesetzt wurden;
3. die Erforschung der Gruppendynamik und der Umstrukturierung der Persönlichkeit durch intensiven Gruppendruck fortzusetzen;
4. Versuchsanordnungen zu finden, die sorgfältig kontrolliert werden können und gleichzeitig realen Situationen ähneln;
5. die Forschung zur Massenhypnose ausweiten;
6. Kombination von Gedankenkontrolltechniken mit Zwangsarbeit.

Ich stelle die Hypothese auf, dass MK ULTRA sich zu dieser Zeit, genau wie 1961, nicht nur nicht zurückzog, sondern zu einem weitaus ehrgeizigeren Programm überging. Zu dieser Zeit begannen die Sekten in voller Stärke aufzutreten, komplett mit millionenschwerer Finanzierung, ausgefeilten PR-Kampagnen, Verbindungen zur Politik und zum organisierten Verbrechen und scheinbarer Immunität vor polizeilichen Ermittlungen und anderen Strafverfolgungsbehörden. Es war auch die Zeit, in der Synanon, das Rehabilitationsprogramm für Drogenabhängige und Alkoholiker, eine seltsame Wendung nahm und die extremsten Gehirnwäschetechniken anwandte, während der Arzt, der humanitäre Behandlungsmethoden in das Drogenrehabilitationsprogramm am Lincoln Hospital in New York einführte, ermordet aufgefunden wurde.

Welche Beweise gibt es für Verbindungen zwischen MK ULTRA und Jonestown?

Erstens kann die Orchestrierung einer Vertuschung durch das Militär, die Polizei, das Außenministerium und die Medien, die selbst die oberflächlichste Überprüfung der Todesfälle in Guyana offenbart, nur auf allerhöchster Ebene erfolgen. Auch die jahrelange Politik der Presse und der Strafverfolgungsbehörden, die Augen vor Berichten über Peoples Temple und Jonestown zu verschließen, kann nicht spontan geschehen. Jemand ist an sie herangetreten.

Kann man glauben, dass die Ermittlungen durch Jones’ humanitäres Ansehen gestoppt wurden? Nein, das kann man nicht glauben. Der scheinbare Widerspruch zwischen der sehr modernen und vollständigen medizinischen Versorgung in Jonestown und dem repressiven Einsatz von Drogen, Verhaltensmodifikation und anderen extremen Zwangstechniken bis hin zum Mord ist vielleicht gar kein Widerspruch. Wir sehen das jeden Tag im amerikanischen Strafvollzug und in staatlichen psychiatrischen Kliniken.

Die Vermutung, dass die CIA aktiv an der Gründung und dem Betrieb von Jonestown als experimentelle Strafkolonie der Neuzeit beteiligt war, ist vielleicht zu beängstigend, um sie in Betracht zu ziehen. Aber sie erklärt viel mehr über die Widersprüche und Geheimnisse, die Jonestown umgeben, als dass man es als die Verrücktheit eines Möchtegern-Messias abtun könnte. Zum Beispiel sind die Drogen nicht einfach aufgetaucht. Jemand hat sie dorthin gebracht. Mit einer bestimmten Absicht. Es war im Voraus geplant. Wer hat das getan? Wie wurde es gemacht?

Wir wissen von mindestens einem Fall, The Seed, und es gibt wahrscheinlich noch viele weitere, in denen die Bundesregierung ihre eigene kleine Sektengruppe nach Prinzipien organisierte und leitete, die denen von Jonestown bemerkenswert ähnlich sind. Wir wissen von der Verwicklung der CIA (der koreanischen CIA, die eine Tochtergesellschaft von Sie wissen schon wem ist) mit den Moonies, wir wissen von den massiven Investitionen in diese Sekten durch rechte Gruppen.

Es gibt einige verblüffende Parallelen zwischen dem Peoples Temple und dem NCLC [National Caucus of Labor Committees], einer linksextremen Gruppe, die sich Ende der 60er Jahre vom SDS abspaltete und nun die extreme Rechte umarmt. Der NCLC wendet auch extreme Gehirnwäsche und Indoktrinationstechniken bei seinen Rekruten an. Sie versuchte auch, durch fortschrittliche Rhetorik und ein scheinbares Bündnis mit der Linken Menschen anzuziehen, die mit dem System unzufrieden waren. Ihr Anführer behauptet wie Jones, allwissend zu sein. Und wie Jones ist er offenbar von einer CIA-Phobie besessen. Die NCLC ist den meisten Progressiven als eine polizeilich organisierte Gruppe bekannt.

All dies soll nicht heißen, dass der Peoples Temple aus dem gleichen Holz geschnitzt ist wie der NCLC, die Moonies oder die EST. Oder dass die gesamte Organisation des Peoples Temple und die Tragödie wohlmeinender Menschen, die in die Irre geführt wurden, als ein CIA-Komplott erklärt werden kann. Wir müssen jedoch unsere Augen ein wenig weiter öffnen, unsere grauen Zellen in Gang bringen und uns nicht von den Absurditäten der Medien einlullen lassen. Wir wissen über COINTELPRO Bescheid, wir wissen über MK ULTRA Bescheid, wir können die alarmierende Geschwindigkeit beobachten, mit der diese Sekten an Einfluss gewinnen. Die hier vorgeschlagene Denkweise erfordert viel mehr Nachforschungen. Aber es ist eine Untersuchung, die durchgeführt werden muss.

Causalis-Übersetzung von https://jonestown.sdsu.edu/wp-content/uploads/2020/01/Penal-Colony.pdf, Bilder, Links und Zwischenüberschriften hinzugefügt

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