Von Emily Flitter und James B. Stewart / New York Times 
Der verurteilte Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, der im Gefängnis Selbstmord beging, schaffte es, eine erstaunliche Reihe reicher, mächtiger und berühmter Männer in seinen Orbit zu locken.
Es waren Milliardäre (Leslie Wexner und Leon Black), Politiker (Bill Clinton und Bill Richardson), Nobelpreisträger (Murray Gell-Mann und Frank Wilczek) und sogar Royals (Prinz Andrew).
Doch nur wenige können sich in Sachen Prestige und Macht mit dem zweitreichsten Menschen der Welt messen, einer brillanten und äußerst verschwiegenen Koryphäe: Bill Gates.
Und im Gegensatz zu vielen anderen begann Gates die Beziehung, nachdem Epstein wegen Sexualverbrechen verurteilt worden war.
Gates, der Mitbegründer von Microsoft, dessen über 100 Milliarden Dollar schweres Vermögen die größte Wohltätigkeitsorganisation der Welt gestiftet hat, hat sein Bestes getan, um seine Verbindungen zu Epstein zu minimieren. “Ich hatte keine geschäftliche Beziehung oder Freundschaft mit ihm,” sagte er dem Wall Street Journal im vergangenen Monat.
In der Tat, ab 2011 traf sich Gates mit Epstein bei zahlreichen Gelegenheiten – darunter mindestens dreimal in Epsteins palastartigen Stadthaus in Manhattan, und mindestens einmal bis spät in die Nacht hinein, laut Interviews mit mehr als einem Dutzend Menschen, die mit der Beziehung vertraut waren, sowie laut Dokumenten, die von der New York Times überprüft wurden.
Mitarbeiter der Gates-Stiftung besuchten ebenfalls mehrfach Epsteins Villa. Und Epstein sprach mit derBill and Melinda Gates Foundation und JPMorgan Chase über einen geplanten Multimilliarden-Dollar-Wohltätigkeitsfonds – ein Arrangement, das das Potenzial hatte, enorme Einnahmen für Epstein zu erzielen.
“Sein Lebensstil ist ganz anders und irgendwie faszinierend, obwohl es für mich nicht funktionieren würde”, mailte Bill Gates 2011 nach seinem ersten Treffen mit Epstein an Kollegen.
Bridgitt Arnold, eine Sprecherin von Gates, sagte, er habe sich “nur auf die einzigartige Einrichtung der Epstein-Residenz bezogen – und auf Epsteins Angewohnheit, spontan Bekannte zu einem Treffen mit Gates einzuladen.”
“Es war in keinster Weise dazu gedacht, ein Gefühl von Interesse oder Zustimmung zu vermitteln”, sagte sie.
Immer wieder schaffte es Epstein, enge Beziehungen zu einigen der mächtigsten Männer der Welt zu pflegen. Er lockte sie mit dem Duft des Geldes und der Nähe zu anderen mächtigen, berühmten oder wohlhabenden Menschen – so sehr, dass viele über seinen Ruf für sexuelles Fehlverhalten hinweg sahen. Und je mehr Menschen er in seinen Kreis zog, desto leichter war es für ihn, andere anzuziehen.
Gates und die 51 Milliarden Dollar schwere Gates Stiftung haben sich für das Wohlergehen von jungen Mädchen eingesetzt. Zu der Zeit, als Gates und Epstein sich zum ersten Mal trafen, hatte Epstein eine Haftstrafe wegen Anstiftung zur Prostitution von Minderjährigen verbüßt und musste sich als Sexualstraftäter registrieren lassen. Bridgitt Arnold sagte, dass “hochkarätige Leute” Gates und Epstein einander vorgestellt hätten und dass sie sich mehrfach getroffen hätten, um über Philanthropie zu sprechen.
“Bill Gates bedauert, sich jemals mit Epstein getroffen zu haben und räumt ein, dass es eine Fehleinschätzung war, dies zu tun,” sagte Bridgitt Arnold. “Gates gibt zu, dass die Unterhaltung über Epsteins Ideen in Bezug auf Philanthropie Epstein eine unverdiente Plattform gegeben hat, die im Widerspruch zu Gates’ den persönlichen Werten seiner Stiftung stand.”
Das erste Treffen
Zwei Mitglieder von Gates’ innerem Kreis – Boris Nikolic und Melanie Walker – standen Jeffrey Epstein nahe und fungierten zeitweise als Vermittler zwischen den beiden Männern.
Melanie Walker lernte Epstein 1992 kennen, sechs Monate nach ihrem Abschluss an der Universität von Texas. Epstein, der ein Berater von Herrn Wexner, dem Besitzer von Victoria’s Secret, war, sagte Walker, dass er ihr ein Vorsprechen für einen Modeljob dort verschaffen könnte. Später reiste sie nach New York und wohnte in einem Apartmenthaus in Manhattan, das Epstein gehörte. Nachdem sie ihr Medizinstudium abgeschlossen hatte, sagte sie, dass Epstein sie 1998 als wissenschaftliche Beraterin einstellte.
Später lernte Walker Steven Sinofsky kennen, einen leitenden Angestellten bei Microsoft, der Präsident der Windows-Abteilung wurde, und zog nach Seattle, um bei ihm zu sein. Im Jahr 2006 wechselte sie zur Gates Stiftung mit dem Titel Senior Program Officer.
Dort lernte sie Nikolic kennen, einen gebürtigen Kroaten und ehemaligen Stipendiaten der Harvard Medical School, der als wissenschaftlicher Berater für die Stiftung tätig war. Nikolic und Gates reisten häufig zusammen und trafen sich.
Walker, die in engem Kontakt mit Epstein geblieben war, stellte ihm Nikolic vor, und die Männer wurden Freunde.
Epstein und Gates trafen sich zum ersten Mal persönlich am Abend des 31. Januar 2011 in Epsteins Stadthaus in der Upper East Side. Sie wurden von Dr. Eva Andersson-Dubin, eine ehemalige Miss Schweden, mit der Epstein einmal ausgegangen war, und ihre 15-jährige Tochter besucht. (Der Ehemann von Dr. Andersson-Dubin, der Hedgefonds-Milliardär Glenn Dubin, war ein Freund und Geschäftspartner von Epstein. Die Dubins lehnten eine Stellungnahme ab.)
Die Versammlung begann um 8 Uhr und dauerte mehrere Stunden, so Arnold, die Sprecherin von Gates. Epstein prahlte anschließend in E-Mails an Freunde und Mitarbeiter von dem Treffen. “Bill ist großartig,” schrieb er in einer, von der Times überprüften Mail.
Gates lobte seinerseits Epsteins Charme und Intelligenz. In einer E-Mail an Kollegen am nächsten Tag schrieb er: “Eine sehr attraktive schwedische Frau und ihre Tochter kamen vorbei und ich blieb bis spät in die Nacht dort.
“Gates sah Epstein bald wieder. Auf einer TED-Konferenz in Long Beach, Kalifornien, sahen Teilnehmer die beiden Männer bei einer privaten Unterhaltung.
Später in jenem Frühjahr, am 3. Mai 2011, besuchte Gates wieder Epstein in seiner New Yorker Villa, laut E-Mails über das Treffen und ein Foto, überprüft von The Times.
Das Foto, das in Epsteins marmorverkleideter Eingangshalle aufgenommen wurde, zeigt einen strahlenden Epstein – in blau-goldenen Hausschuhen und einem mit einer amerikanischen Flagge geschmückten Pullover – flankiert von Prominenten. Zu seiner Rechten: James E. Staley, damals ein leitender Angestellter von JPMorgan, und der ehemalige Finanzminister Lawrence Summers. Zu seiner Linken: Nikolic und Gates, lächelnd und in grauen Hosen und einem marineblauen Pullover.
Ein riesiger Wohltätigkeitsfonds
Etwa zu dieser Zeit gründeten die Gates Foundation und JPMorgan gemeinsam den Global Health Investment Fund. Ziel war es, “privaten und institutionellen Anlegern die Möglichkeit zu geben, globale Gesundheitstechnologien im fortgeschrittenen Stadium zu finanzieren, die das Potenzial haben, Millionen von Leben in einkommensschwachen Ländern zu retten”.
Als die Details des Fonds ausgearbeitet wurden, erzählte James E. Staley seinen JPMorgan-Kollegen, dass Epstein in die Diskussionen einbezogen werden wollte, so zwei Personen, die mit den Gesprächen vertraut waren. Epstein war ein wichtiger Kunde von JPMorgan, er besaß Konten in Höhe von Millionen Dollar bei der Bank und empfahl eine Reihe von wohlhabenden Personen, Kunden des Unternehmens zu werden.
Epstein schlug JPMorgan-Beamten, einschließlich Staley, und Gates’ Berater Nikolic die Idee eines separaten Wohltätigkeitsfonds vor. Er stellte sich einen riesigen Fonds vor, der mit dem Geld der Gates Foundation ausgestattet werden sollte und sich auf Gesundheitsprojekte auf der ganzen Welt konzentrieren würde, so fünf Personen, die an den Gesprächen beteiligt waren oder darüber informiert wurden, darunter aktuelle und ehemalige Mitarbeiter der Gates Foundation und von JPMorgan. Zusätzlich zu den Gates-Geldern plante Epstein, Spenden von seinen wohlhabenden Freunden und hoffentlich auch von den reichsten Kunden von JPMorgan zu sammeln.
Epstein dachte, er könnte persönlich davon profitieren. Er brachte ein vierseitiges Schreiben in Umlauf, das den Vorschlag enthielt, dass er 0,3 Prozent des Geldes, das er sammelte, erhalten sollte, so eine Person, die das Schreiben gesehen hatte. Wenn Epstein zum Beispiel 10 Milliarden Dollar aufgebracht hätte, wären 30 Millionen Dollar an Gebühren zu erwarten gewesen.
Arnold sagte, dass Gates und die Stiftung nicht wussten, dass Epstein ein Honorar anstrebte. Sie sagte, Epstein “schlug Bill Gates und dann Stiftungsbeamten Ideen vor, von denen er versprach, sie würden Hunderte von Milliarden für die globale Gesundheitsarbeit freisetzen.”
Ende 2011 schickte die Stiftung auf Anweisung von Gates ein Team zu Epsteins Stadthaus, um ein Vorgespräch über philanthropisches Fundraising zu führen, so drei Personen, die dabei waren. Epstein erzählte seinen Gästen, dass wenn sie seinen Namen im Internet suchten, sie zu dem Schluss kommen könnten, dass er ein schlechter Mensch sei, aber dass das, was er getan hatte – die Aufforderung zur Prostitution von einem minderjährigen Mädchen – war nicht schlimmer als “einen Bagel zu stehlen,” so zwei der Personen.
Einige Mitarbeiter der Gates Foundation sagten, sie hätten nichts von Epsteins Vorstrafen gewusst und seien schockiert gewesen, als sie erfuhren, dass die Stiftung mit einem Sexualstraftäter zusammenarbeitete. Sie waren besorgt, dass dies dem Ruf der Stiftung ernsthaft schaden könnte.
Anfang 2012 traf ein anderes Team der Gates Foundation Epstein in seiner Villa. Er behauptete, er habe Zugang zu Milliarden von Dollar vom Geld seiner Kunden, die er in den vorgeschlagenen Wohltätigkeitsfonds stecken könne – eine Zahl, die so absurd war, dass die Besucher an der Glaubwürdigkeit von Epstein zweifelten.
Flug nach Florida
Gates und Epstein trafen sich immer wieder. Arnold wollte nicht sagen, wie oft die beiden sich getroffen hatten.
Im März 2013 flog Gates laut einer Flugliste mit Epsteins Gulfstream-Flugzeug vom Flughafen Teterboro in New Jersey nach Palm Beach, Florida. Arnold sagte, dass Gates – der seinen eigenen 40-Millionen-Dollar-Jet hat – sich nicht bewusst war, dass es Epsteins Flugzeug war.
Sechs Monate später waren Nikolic und Gates in New York zu einem Treffen im Zusammenhang mit Schrödinger, einer pharmazeutischen Softwarefirma, in die Gates eine große Investition getätigt hatte.
Auf dieser Reise trafen sich Epstein und Gates zum Abendessen und diskutierten über die Gates Foundation und Philanthropie, sagte Arnold.
Und im Oktober 2014 spendete Gates 2 Millionen Dollar an das Media Lab des Massachusetts Institute of Technology. Universitätsbeamte beschrieben das Geschenk in internen E-Mails als von Epstein “gesteuert” worden zu sein. Arnold sagte: “Es gab weder die Absicht noch die ausdrückliche Bitte, dass die Finanzierung in irgendeiner Weise von Epstein kontrolliert werden sollte.”
Bald darauf scheint sich die Beziehung zwischen Epstein und Gates abgekühlt zu haben. Der Wohltätigkeitsfonds, der mit der Gates Foundation besprochen worden war, kam nie zustande. Epstein beschwerte sich Ende 2014 bei einem Bekannten, dass Gates aufgehört habe, mit ihm zu sprechen, so eine mit der Diskussion vertraute Person.
Die Beziehung wurde jedoch nicht vollständig beendet. Mindestens zwei hochrangige Beamte der Gates Foundation hielten bis Ende 2017 Kontakt zu Epstein, so ehemalige Mitarbeiter der Stiftung.
Arnold sagte, dass sich die Stiftung eines solchen Kontakts nicht bewusst war. “Mit der Zeit erkannten Gates und sein Team, dass Epsteins Fähigkeiten und Ideen nicht legitim waren und jeder Kontakt mit Epstein wurde eingestellt,” sagte sie.
Tage bevor sich Epstein am 10. August in einer Gefängniszelle in Manhattan erhängte, änderte er sein Testament und benannte Nikolic als Ersatz-Testamentsvollstrecker für den Fall, dass einer der beiden Haupt-Testamentsvollstrecker nicht in der Lage war, zu handeln. (Nikolic hat es in einem Gerichtsverfahren abgelehnt, als Testamentsvollstrecker zu fungieren).
Nikolic, der jetzt eine Risikokapitalfirma mit Gates als einem seiner Investoren führt, sagte, er sei “schockiert”, in Epsteins Testament genannt zu werden. Er sagte in einer Erklärung an die Times: “Ich bedauere zutiefst, Mr. Epstein jemals getroffen zu haben.”
Autoren: James B. Stewart und Emily Flitter
Veröffentlicht 12. Oktober 2019, Aktualisiert 26. November 2019
Quelle: https://www.nytimes.com/2019/10/12/business/jeffrey-epstein-bill-gates.html
Archiv: http://archive.today/LNXeS
Übersetzung: Causalis Spezial
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