Der Journalist Tom O’Neill hat in seinem Buch CHAOS unbestreitbar bizarre Fakten und hochkarätige Lügen über die Manson-Morde von 1969 aufgedeckt, die uns bis heute beschäftigen. Das Magazin Jacobin hat ein Interview mit ihm geführt, in dem es nicht um (rituellen) Missbrauch geht, es werden jedoch interessante Details bzgl. MK-Ultra sowie den daran beteiligten Personen genannt, deren Namen man von den Aussagen Überlebender kennt. 
Jacobin: Nehmen wir an, Sie sind auf einer Dinnerparty voller Leute, die allem skeptisch gegenüberstehen, was nach “Verschwörungstheorie” riecht – und dennoch wollen sie wissen, worum es in Ihrem Buch “CHAOS: Charles Manson, the CIA, and the Secret History of the Sixties” geht. Wie würden Sie die Menschen auch nur annähernd auf die Dinge vorbereiten, die Sie bei Ihren Recherchen zu den Manson-Morden aufgedeckt haben?
Tom O’Neill: Ich spreche auf Dinnerpartys nicht darüber. Man kann dieses Gespräch nicht in weniger als fünf Minuten führen; es ist einfach zu kompliziert.
Für mich ist es am einfachsten, nur zu sagen, dass ich eine Menge Beweise gefunden habe, die die offizielle Darstellung in Frage stellen, und sie im Buch zu präsentieren. Ich überlasse es aber den Lesern, ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen, weil ich trotz zwanzig Jahren Berichterstattung nicht das Gefühl hatte, dass ich endgültig bewiesen hätte, wie etwas – und warum etwas – passiert ist. Ich kann nur sagen, dass ich zweifelsfrei bewiesen habe, dass die Fakten, die der Öffentlichkeit präsentiert wurden, nicht wahr sind. Und im Fall der Strafverfolgung von Charles Manson und der Manson-Familie wurde in der Tat über viele Dinge absichtlich gelogen.
Jacobin: Wie lautet das offizielle Narrativ?
Tom O’Neill: Bei der Anklage gegen die Manson-Familie hat der stellvertretende Staatsanwalt von Los Angeles, Vincent Bugliosi, das Motiv von “Helter Skelter” angeführt, das auf einer kleinen Wahrheit beruht, die aber ausgeschmückt und ausgeweitet wurde, um eine größere Wahrheit zu vertuschen.
Ohne den Kontext der kulturellen und sozialen Entwicklungen im Amerika der 1960er Jahre ist es wirklich schwer zu erklären, wie die Antikriegsbewegung und der schwarze Aktivismus – insbesondere durch die Black Panther – die US-Regierung bedrohten. Die Regierung versuchte verzweifelt, gegen sie vorzugehen und sie zu stoppen. Also entwickelte die CIA die Operation CHAOS und das FBI das Programm COINTELPRO, um eine Linke auszuschalten und zu neutralisieren, die die Regierung als Bedrohung für die nationale Sicherheit ansah. Das MKUltra-Projekt, das fünfzehn Jahre zuvor begann, war eine direkte Reaktion auf den laufenden Kalten Krieg.
Das ist der Grund, warum es so schwer ist, all dies bei einem Gespräch am Esstisch zu erklären, denn wenn die Leute die Paranoia und die Angst nicht verstehen, die die Welt nach Hiroshima und dem Beginn des Kalten Krieges prägten, oder nicht wissen, was mit Drogen, freier Liebe und jugendlicher Rebellion in den späten 60er Jahren los war, muss man all das zuerst erklären. Und erst dann kommt man zu den eigentlichen Manson-Morden und muss erklären, was die Helter-Skelter-Theorie ist, ohne wie ein Verrückter zu klingen. Das ist alles recht schwierig.
Jacobin: In diesem Kontext der Paranoia befinden wir uns im Sommer 1969. Wie sieht die grobe Chronologie der Ereignisse in jenem Sommer rund um die Manson-Familie aus?
Tom O’Neill: Nun, es handelt sich um eine isolierte Gruppe, die von ihrem Anführer von der Welt abgeschottet wurde. Die offizielle Darstellung ist, dass Manson verärgert war, weil er keinen Plattenvertrag mit diesem Produzenten bekommen hatte. Angeblich war das der Grund für die Wahl des ersten Mordortes: Er wollte dem Produzenten Terry Melcher Angst einjagen. Nach der Helter-Skelter-Theorie bestand der Hauptgrund für die Morde jedoch darin, den von Manson prophezeiten Rassenkrieg zu entfachen. Das ist es, was ich in meinem Buch in Frage stelle.
Jacobin: Das Narrativ, auf das wir uns beziehen, ist Bugliosis Helter Skelter-Theorie. Können Sie uns erläutern, wer Bugliosi war und wie er es geschafft hat, den Leuten Helter Skelter zu verkaufen?
Tom O’Neill: Zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass Manson seinen Anhängern Helter Skelter gepredigt hat. Aber inwieweit er wirklich daran geglaubt hat, inwieweit es ein Motiv für die Verbrechen war – ich denke, all das wurde von Bugliosi erfunden.
Nach den Verurteilungen sagte Bugliosi gegenüber zwei Journalisten, er glaube nicht, dass Manson wirklich an Helter Skelter geglaubt habe – er sei viel zu schlau gewesen -, sondern dass er Helter Skelter benutzt habe, um seine Anhänger dazu zu bringen, das zu tun, was er wollte. Ich neige dazu, dem zuzustimmen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Frauen der Manson-Familie einer Gehirnwäsche unterzogen wurden, um an Helter Skelter zu glauben, dass Manson aber keine Sekunde lang daran glaubte.
Aber diese Journalisten haben nicht gefragt, warum Manson diese Leute an diese Orte schickte, um Menschen zu töten, wenn er keinen Rassenkrieg entfachen wollte. Wenn er nicht glaubte, dass dies einen Rassenkrieg auslösen würde, oder sich sogar darum sorgte, warum geschahen dann die Morde? Ich hatte nie die Gelegenheit, Bugliosi das zu fragen; als ich auf diese Interviews stieß, wollte Vince nicht mehr mit mir sprechen.
Er war ein sehr brillanter, ehrgeiziger stellvertretender Staatsanwalt, der dies als Sprungbrett für seine Karriere sah. Er wollte Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles und dann entweder Generalstaatsanwalt oder Gouverneur werden. Ich glaube, er hatte sogar Ambitionen, Präsident zu werden – und er wollte auch reich werden, Gott segne ihn. Schon vor Beginn des Prozesses hatte er einen Co-Autor im Gerichtssaal, obwohl das damals noch niemand wusste. Einer von Bugliosis Mitanklägern sagte, dass er seinen Co-Autor, Curt Gentry, jeden Tag in der ersten Reihe sitzen hatte, um Notizen für das Buch zu machen, an dem sie gemeinsam arbeiteten.
Jacobin: Führen Sie uns zurück in die Zeit, bevor Bugliosi auf den Plan trat. Vor der endgültigen Verhaftung der Angehörigen der Manson-Familie wurden sie mehrmals aus dem Gefängnis entlassen. Wie kam es, dass Manson und seine Anhänger nach ihren Verhaftungen immer wieder freigelassen wurden?
Tom O’Neill: Das war eine meiner ersten Enthüllungen, als ich Zugang zu Mansons Bewährungsakte erhielt, nachdem ich einige Jahre lang Anfragen nach dem Informationsfreiheitgesetz an die Gefängnisbehörde (Federal Bureau of Prisons) und die US-Bewährungskommission gestellt hatte. In den zwei Jahren, die Manson damit verbrachte, sich von einem Ex-Häftling, der sein ganzes Leben lang nur eine Fliege an der Wand war, zu einem Guru zu entwickeln, der Menschen dazu bringen konnte, für ihn zu töten, hatte er nicht nur einen nachsichtigen Bewährungshelfer. Während des ersten Jahres konnte er mit Zustimmung seines Bewährungshelfers im Grunde tun und lassen, was er wollte, und dieser schaute weg, während er Minderjährige rekrutierte, die ihm folgten und für ihn stahlen.
In diesem Jahr wurde er einige Male verhaftet. Sein Bewährungshelfer Roger Smith hätte den Widerruf der Bewährung empfehlen und ihn zurück ins Gefängnis schicken sollen, was er jedoch nicht tat. Stattdessen schrieb er an seine Vorgesetzten in Washington DC und versuchte, Manson dazu zu bringen, in Mexiko zu leben, wo er offensichtlich nicht beaufsichtigt werden konnte. Sie hielten Roger für verrückt. Ich habe ihre Briefe wieder erhalten, in denen es im Wesentlichen hieß: “Dieser Mann gibt uns keinen Grund zu der Annahme, dass er nicht weiterhin ohne Aufsicht Verbrechen begehen wird. Wie können wir Mexiko das antun?”
Und dann ist da noch Susan Atkins, die in der ersten Nacht im Tate-Haus eine der Haupttäterinnen war und davor am Mord an Gary Hinman beteiligt war. Ihre Bewährungshelfer empfahlen zunächst die Aufhebung ihrer Bewährungsauflagen auf Bundesebene, dann die Aufhebung ihrer Bewährung: die erste, bevor sie sich mit Manson traf, die zweite danach, weil sie so oft und mit voller Hingabe gegen ihre Bewährungsauflagen verstoßen hatte. Beide Male wurde der Fall den ursprünglichen Richtern vorgelegt, die sie zu einer Bewährungsstrafe verurteilt hatten; in beiden Fällen verstießen die Richter nicht nur nicht gegen die Bewährungsauflagen, sondern beendeten ihre Bewährung bzw. ihre Bewährungszeit vorzeitig. Es war fast so, als ob sie für ihr Fehlverhalten belohnt worden wäre.
Als ich das herausfand, waren alle Beteiligten tot, bis auf einen der Bewährungshelfer – eine Frau, die mir empfohlen hatte, mich mit einigen der Beamten in Verbindung zu setzen, die nur am Rande beteiligt waren. Alle sagten, sie hätten so etwas noch nie gesehen, bei einer Person, die so eindeutig gegen die Vorschriften verstoßen hatte.
Jacobin: Es scheint also, dass selbst 1968 und 1969 die mit der Manson-Familie befassten Polizeibeamten ein Gespür dafür hatten, dass da etwas faul war.
Tom O’Neill: Ein Jahr nach Beginn meiner Arbeit überbrachte ich einem pensionierten stellvertretenden Staatsanwalt, der Richter am Obersten Gericht von Los Angeles geworden war, alle Informationen, die ich über den Freifahrtschein aus dem Gefängnis für Manson hatte – den er anscheinend von 1967 bis zu seiner letzten Inhaftierung im Jahr 1969 in der Hand hatte.
In einem Interview mit mir sagte er, während er sich all dies ansah: “Man kann solche Dinge oft auf bürokratischen Aufwand oder Inkompetenz schieben. Aber was Sie mir hier zeigen, ist ein Muster – und es ist ein Witz. Es ist klar, dass sie ihn absichtlich aus dem Gefängnis holen und freilassen wollten.” Er erklärte: “Ich kann Ihnen nicht sagen, warum das passiert ist, aber es ist kein Fehler. Jemand wollte ihn da draußen haben. Und Sie müssen unbedingt herausfinden, wer das war.” War es das FBI? War es das Büro des Sheriffs? Das LAPD (LA Police Department)? Irgendeine mächtige Behörde wollte nicht, dass er hinter Gitter kommt.
Jacobin: Das ist eine gute Überleitung, um darüber zu sprechen, was Operation CHAOS war und wo das in die Geschichte einfließt.
Tom O’Neill: CHAOS war eine Operation, die vom Direktor der CIA, Richard Helms, um 1967 herum ins Leben gerufen wurde. Sie diente im Wesentlichen dazu, die Black Panthers, die schwarze Aktivistenbewegung im weiteren Sinne und die Antikriegsbewegung, die 1967 in der Bay Area zu explodieren begann, zu neutralisieren. Sie wurde von Helms mit dem Wissen von Präsident Lyndon B. Johnson und dem damaligen Gouverneur von Kalifornien, Ronald Reagan, gestartet.
In der Zwischenzeit betrieb der FBI-Direktor J. Edgar Hoover etwas namens COINTELPRO. COINTELPRO hatte bereits in den 1940er und 1950er Jahren existiert und war ironischerweise geschaffen worden, um gegen den Ku-Klux-Klan im Süden und Mittleren Westen vorzugehen, wurde aber in der Zwischenzeit stillgelegt. Hoover ließ es 1967 wieder aufleben. Etwa zur gleichen Zeit begann CHAOS, linke Gruppen zu infiltrieren, um sie zu Straftaten zu verleiten.
COINTELPRO hatte es speziell auf die Panther in Los Angeles abgesehen. Ein Jahr vor den Tate-LaBianca-Morden infiltrierten sie eine Gruppe namens Satan’s Slaves, die mit den örtlichen Panthers um die Macht rang. Die CIA veranlasste die Ermordung von zwei Mitgliedern der Satan’s Slaves auf dem Campus der UCLA, indem sie den Panthers vorgaukelte, dass ein Treffen, das sie gerade abhielten oder abhalten wollten, von den Slaves angegriffen werden würde. Sie sorgten dafür, dass die Slaves und die Panther zur gleichen Zeit am gleichen Ort waren, so dass beide dachten, sie würden vom jeweils anderen angegriffen werden. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben.
Weniger als ein Jahr vor den Tate-Morden verfasste Hoover ein Memo. Er war verärgert über die Unterstützung, die die Panther von der linken Hollywood-Gemeinde erhielten. Sie hatten eine Gruppe von Prominenten – Jane Fonda, Warren Beatty, Donald Sutherland – gegründet, die Geld für die White Panthers sammelten. In Hoovers Memo hieß es im Wesentlichen: “Wir müssen diese Weißen glauben machen, dass sie, sobald die Revolution wirklich beginnt, die ersten sein werden, die an die Wand gestellt und abgeschlachtet werden.”
Das wurde durch Propaganda erreicht. Sie ließen Informanten einschleusen und dann agitieren, um die Panther oder andere Gruppen dazu zu bringen, Verbrechen zu begehen – und dabei entweder verhaftet oder getötet zu werden.
Jacobin: Warum sollte Manson für ein Programm wie Operation CHAOS von Nutzen sein?
Tom O’Neill: Ich habe nicht endgültig bewiesen, dass er Teil von CHAOS oder COINTELPRO war. Was er tat, entsprach jedoch den Zielen dieser beiden Gruppen, die im Grunde die Gesellschaft gegen die junge Hippie-Bewegung aufbringen wollten. Sie wollten, dass die Menschen sie nicht als harmlose junge Leute mit langen Haaren, die Gras rauchen und experimentieren, sondern als gefährliche Bösewichte ansehen, die darauf aus sind, ihre Töchter zu töten oder ihre Kinder zu entführen.
Das FBI und insbesondere COINTELPRO versuchten, die Weißen dazu zu bringen, die Black Panther wirklich zu fürchten – um sie glauben zu machen, dass die Panther viel gefährlicher seien, als sie es waren. Nach Bugliosis Darstellung wurden Mansons Morde begangen, um die Black Panthers zu belasten und einen Rassenkrieg zu entfachen, indem man die Weißen glauben machte, dass Black-Power-Aktivisten Sharon Tate und ihre Freunde und in der nächsten Nacht die LaBiancas getötet hätten.
War Manson also ein Werkzeug oder war er ein Produkt? In diesem Buch komme ich zu keinem Schluss. Ich sage nicht, dass sich die Dinge so oder so zugetragen haben; ich lege nur meine Argumente dafür dar, dass die Helter-Skelter-Erklärung unwahr ist.
Jacobin: In Ihrem Buch taucht ein zwielichtiger Mann namens Reeve Whitson auf. War er möglicherweise ein CIA-Agent, der für CHAOS arbeitete?
Tom O’Neill: Ich arbeite an einem Nachfolgebuch, und ich berichte immer noch über Whitson, deshalb möchte ich nicht zu viel von dem neuen Material, das ich gefunden habe, preisgeben. Im ersten Buch zeige ich, dass er ab dem Tag, an dem die Leichen im Tate-Haus entdeckt wurden, eng mit der Polizei zusammengearbeitet hat.
Robert Helder, der Leiter der Tate-Mordkommission des LAPD, nennt ihn “Walter Kern” und schrieb später ein unveröffentlichtes Buch mit Paul Tate, dem Vater von Sharon Tate, der den Mord an seiner Tochter selbst mit Kern untersuchte. Helder sagt, dass er eine Art Groupie oder Informant war, aber er wusste nicht, wer genau Kern war. Er sagte: “Jedes Mal, wenn wir an einen Zeugen herankamen oder etwas erfuhren, kam Kern uns zuvor. Er hatte irgendwie ein Insiderwissen.”
Wie ich überhaupt herausgefunden habe, wer Whitson war, ist eine lange Geschichte. Er war einige Jahre vor Beginn meiner Arbeit gestorben, doch ich erfuhr, dass er den Menschen, die ihm am nächsten standen – seinem Anwalt und einigen Familienmitgliedern und engen Freunden – gesagt hatte, dass er es bis zu seinem Tod bedauerte, an einer Operation gegen die linke Bewegung beteiligt gewesen zu sein, dass er die Manson-Familie infiltriert hatte und vor den Morden mit ihnen zu tun hatte, und dass er glaubte, die Tate-LaBianca-Morde hätten verhindert werden können. Er sagte sogar, dass er an den Tatorten war, bevor die Leichen entdeckt wurden.
Ich habe bei allen Geheimdiensten in den Vereinigten Staaten um Informationen im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes gebeten. Die CIA antwortete, sie könne weder bestätigen noch dementieren, dass er Teil ihrer Organisation gewesen sei.
Jacobin: Ich bin auch neugierig auf Dr. “Jolly” West, der an MK-Ultra beteiligt war. Können Sie uns ein wenig darüber erzählen, welchen Platz er in der Geschichte einnimmt?
Tom O’Neill: MK-Ultra wurde zum ersten Mal 1976 von einem Whistleblower – einem Mitarbeiter des Außenministeriums – aufgedeckt und dann von der New York Times aufgegriffen, die die Bombe platzen ließ, dass es dieses von der CIA durchgeführte geheime Programm gab, um herauszufinden, wie man das Verhalten von Menschen mit Hilfe von Drogen, sensorischem Entzug und Hypnose kontrollieren kann. In dem Artikel wurden acht oder neun Wissenschaftler, Psychiater und Drogenforscher genannt, die von der CIA beauftragt worden waren, Experimente an Menschen durchzuführen, ohne deren Wissen oder Zustimmung einzuholen.
Einer von ihnen war Dr. Louis “Jolly” West. West war ein Psychiater, der von der Luftwaffe kam. In den frühen 1950er Jahren war er auf dem Luftwaffenstützpunkt Lackland stationiert, wo er als Leiter der psychiatrischen Abteilung tätig war. Danach gründete er die psychiatrische Abteilung an der Universität von Oklahoma, die er bis 1969 leitete, und wurde dann von der UCLA angeworben, um die psychiatrische Abteilung in ihrem neurowissenschaftlichen Zentrum zu leiten. West erzählte der New York Times, dass sie ihn gebeten hatten, an dem Programm teilzunehmen, er aber ablehnte und ihnen sagte, dass es nicht sicher sei, LSD an Menschen anzuwenden. Bis zu seinem Tod leugnete er, dass er jemals an MK-Ultra teilgenommen oder LSD bei Menschen angewendet hatte.
Und doch entdeckte ich, dass er zur gleichen Zeit am gleichen Ort gewesen war, als Manson zu dem wurde, was er war: jemand, der in der Lage war, das Verhalten von Menschen zu kontrollieren und sie dazu zu bringen, auf Befehl die Morde an Fremden zu begehen.
Niemand war jemals in der Lage gewesen, Wests Beteiligung an MK-Ultra zu beweisen, obwohl es lange Zeit Gerüchte darüber gegeben hatte. Als ich von seinem Tod erfuhr, wandte ich mich an die UCLA und bat um Zugang zu seinen Unterlagen. Und im Laufe eines Sommers fand ich die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen: Briefe zwischen ihm und dem Leiter von MK-Ultra, Dr. Sidney Gottlieb, der MK-Ultra im Jahr 1950 gegründet hatte. West war dort ab 1952 oder 1953 tätig. Er war der Hauptverantwortliche für dieses Programm.
Ich überprüfte den gesamten Schriftverkehr, der zeigte, dass seine gesamte Karriere auf Lügen beruhte. West wurde etwa zwanzig Jahre lang heimlich von der CIA finanziert, um diese Experimente im Stil der Nazis an Patienten und anderen Menschen durchzuführen. Er eröffnete 1967 eine Art Unterschlupf in Haight-Ashbury – etwa zur gleichen Zeit, als Manson dort auftauchte – und unterhielt ein Büro in der Haight Ashbury Free Clinic, wo er regelmäßig Probanden für seine Forschung rekrutierte.
Und es war die Haight Ashbury Free Clinic, in der Manson seine wöchentlichen Treffen mit seinem Bewährungshelfer Roger Smith abhielt, demselben Bewährungshelfer, von dem wir vorhin sprachen und der es ablehnte, Mansons Bewährung zu widerrufen, obwohl er immer krimineller wurde. Smith forschte im Rahmen der Free Clinic an Amphetaminen, während er gleichzeitig Mansons Bewährung überwachte. Oder besser gesagt, er überwachte sie nicht – stattdessen ließ er ihn tun, was er wollte, während er seine Gruppe soziopathischer Killer zusammenstellte.
Die Haight Ashbury Free Clinic wurde von David Smith (nicht verwandt mit Roger Smith) geleitet. Trotz seiner Behauptungen, er habe nie staatliche Zuschüsse angenommen, habe ich die Finanzierungsunterlagen gesehen: Er und Roger wurden beide von der Regierung finanziert, die die CIA als Deckmantel für ihre Forschungszuschüsse nutzte. West nannte den Ort einmal “ein als Hippie-Bude getarntes Labor”.
Ein anderer Psychiater dort, James Allen, sagte mir: “Wir alle sahen Charlie jeden Tag”. Ihm zufolge gab es keine Möglichkeit, dass Jolly nicht wusste, wer Manson war, wenn man bedenkt, dass Manson zwei- oder dreimal pro Woche mit seinen Mädchen in die Klinik ging, um Behandlungen für Geschlechtskrankheiten, Schwangerschaften und dergleichen in Anspruch zu nehmen. Natürlich war es nicht so, dass Manson unschuldig in die Klinik spazierte. Er musste einmal pro Woche zu Bewährungsgesprächen dorthin gehen.
Jacobin: Glauben Sie, dass Manson die in dieser Klinik erlernten MK-Ultra-Techniken nutzte, um Einfluss auf seine Anhänger auszuüben?
Tom O’Neill: Diese Frage beantworte ich nie. Ich zitiere gerne jemanden, der Anwalt und Psychiater war, Alan Scheflin, der eines der ersten Bücher über MK-Ultra namens “The Mind Manipulators” geschrieben hat. Ich habe ihn einmal gefragt: “Glauben Sie, dass Manson ein misslungenes CIA-Experiment war? Glauben Sie, dass Manson irgendwie Zugang zu dem hatte, was die CIA gemacht hat?” Vielleicht wurde die Technologie an ihn weitergegeben, oder vielleicht war er Teil eines Experiments.
Aber ich glaube nicht, dass die CIA gewollt hätte, dass es so kommt, wie es gekommen ist; also eine im achten Monat schwangere Schauspielerin, auf die sieben oder acht Mal eingestochen wurde. Scheflin sagte:
“Ich glaube nicht, dass es ein misslungenes Experiment war. Ich denke, es war ein Experiment, das gelungen ist.”
Meiner Meinung nach ist es sehr wahrscheinlich, dass Manson ein Produkt von MK-Ultra ist, unabhängig davon, ob er darüber Bescheid wusste oder nicht. Aber ich war nicht in der Lage, es definitiv zu beweisen. Ich bin dieser Geschichte zwanzig Jahre lang in der Hoffnung nachgegangen, schlüssige Informationen in die eine oder andere Richtung zu bekommen, doch ich konnte sie weder widerlegen noch zu meiner Zufriedenheit beweisen. Schließlich dachte ich: “Nun, zumindest möchte ich alles, was ich herausgefunden habe, veröffentlichen.”
Jacobin: Wie muss man sich das vorstellen, wenn man versucht, inmitten all der wilden Verschwörungstheorien, die auf die Morde folgten, eine tatsächliche Verschwörung zu erkennen?
Tom O’Neill: Es ist schrecklich, weil man das Gefühl hat, den Verstand zu verlieren, wenn man den Verdacht hat, dass Dinge, die so verrückt und verschwörerisch klingen, tatsächlich passiert sein könnten. Es war aufregend, bedeutende Entdeckungen zu machen. Aber in neun von zehn Fällen landet man in einer Sackgasse. Ich würde es nicht empfehlen.
Am 05.03.23 erschienen auf: https://jacobin.com/2023/05/the-manson-murders-may-have-something-to-do-with-cia-mind-control-experiments
Übersetzung: Causalis Spezial
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