Das Pädophilennetzwerk

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Dossier pédophilie: LE SCANDALE DE L’AFFAIRE DUTROUX

Der Enthüllungsjournalist Jean Nicolas und der Leiter eines Kollektivs gegen Pädokriminalität, Frédéric Lavachery, haben den Fall Marc Dutroux wieder aufgerollt. Wurden alle Schuldigen und alle mit dem Fall verbundenen Netzwerke identifiziert? Die beiden Ermittler haben die Akte Dutroux akribisch rekonstruiert und weisen systematisch auf alle Mängel der Ermittlungen hin. Auf einer bestimmten Ebene scheint es, dass Politiker, Mitglieder der Krone und Justizbeamte mit dem Kinderhandel für Vergnügungsparties in Verbindung stehen – und zwar bis nach Deutschland. Wie die Autoren ankündigen: “Kein Zweifel, die Akte Dutroux scheint viel weiter zu gehen, als man zunächst dachte: Sie ist eine Staatsaffäre.” Im Folgenden eine Mischung aus übersetzten Auszügen ihres 2001 erschienenen Buchs “Dossier pédophilie – le scandale de l’affaire Dutroux” sowie Medienberichte über das Buch und die Autoren. Url

Vorwort

Als ich 1994 von Luxemburg nach Belgien übersiedelte, hatte ich den Auftrag, die Geschehnisse rund um die europäischen Institutionen, die in ihrer grossen Mehrzahl in Brüssel beheimatet sind, journalistisch aufzuarbeiten und den hier beschäftigten Beamten, Kommissaren und Parlamentariern über die Schulter zu sehen und gegebenenfalls auf die Finger zu klopfen. Url

Nie hätte ich gedacht, dass ich parallel zu meiner Arbeit eines politischen Journalisten (die von mir aufgedeckten Unregelmässigkeiten in der EU führten immerhin im März 1999 zum Sturz der gesamten EU-Kommission) eine Entdeckungsreise durch den Sumpf der schlimmsten menschlichen Perversionen machen würde, die nicht nur zu Hunderten von Artikeln und der Veröffentlichung mehrerer Bücher, sondern auch zu unheimlichem Druck und schwerwiegendsten Agressionen gegen mich und meine Familie führen würde. Url

Die europäische Politik hat es so an sich, dass sie an den Tagen, wo keine Skandale aufzudecken sind, äußerst langweilig sein kann. Mein Interesse an der maximalen Breite der Fischereinetze im Nordatlantik oder des maximal zugelassenen Durchmessers einer südamerikanischen Banane hielt sich in Grenzen. Da traf es sich gut, dass Mitte der neunziger Jahre einige sehr suspekte potentielle Kindesentführungen in Belgien als Beschäftigungstherapie für den nicht ganz ausgelasteten Journalisten dienten. Url

Es war diese bemerkenswerte belgische Art, immer alles – auch das Schlimmste und das Schrecklichste – unter den Teppich zu kehren, die mich stutzig machte und meine angeborene journalistische Neugier entfachte. Url

Mit der Festnahme der Dutroux-Bande und der in den folgenden Monaten entdeckten gravierenden Unregelmässigkeiten, die immer öfter auch in Zusammenhang mit europa- und weltweit operierenden pädophilen Netzwerken gebracht wurden, stand ich plötzlich mit beiden Füssen an vorderster Front einer journalistischen Recherche, die, wenn sie auch vor allem Belgien störte, ebenfalls breite und weite Kreise nach Frankreich, Deutschland, Luxemburg, die Slowakei, Holland und andere Länder zog. Url

In meiner dreissigjährigen Karriere als investigativer Journalist habe ich die halbe Welt besucht, Kontakte zu allen nur erdenklichen Milieus – darunter auch viele kriminelle – gehabt, und über bewegende Schicksale und ergreifende Ereignisse berichtet und recherchiert. Nie allerdings ging mir je eine Recherche so unter die Haut und wurde ich in der Ausübung meines Berufes so unter Druck gesetzt, indem man versuchte, mich mit allen Mitteln daran zu hindern, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, wie im Fall der Pädophilie. Nie hatte ich ebenfalls so viele Schwierigkeiten, die Resultate meiner Recherche in den grossen Medien zu veröffentlichen, wie in diesem Bereich. Ich muss allerdings den Hut vor der Courage einiger grossen Medien ziehen, wie zum Beispiel der ARD, dem Spiegel, dem Stern, der Welt am Sonntag und auch der Frankfurter Allgemeine, die diese Problematik journalistisch aufgriffen. Url

Ich gehe heute davon aus, auch weil ich es am eigenen Leibe erfahren habe, dass in der ganzen Welt natürlich gewachsene Strukturen bestehen, die immer irgendwie den Pädokriminellen schützen. Es fängt an mit oft sehr milden Gerichtsurteilen und gipfelt in politischem Schutz. Dieser erklärt sich dadurch, dass die versteckte Pädokriminalität sich vor allem in gehobenen Kreisen, wo Geld und Infrastrukturen zu Verfügung stehen, entwickelt hat. Url

Ob in Belgien, Frankreich oder Deutschland: Überall konnte ich Politiker, hochrangige Beamte, Richter, Industrielle und andere Persönlichkeiten identifizieren, die auf irgendeine Art und Weise mit Pädophilie zu tun hatten. So entstand in jedem Land ein “natürliches” Netzwerk der Unterdrückung, der Protektion und der Toleranz für eine regelrechte Seuche der Perversität gegenüber dem schwächsten Mitglied unserer Gesellschaft: dem Kind. Url

Die zwei Schicksale der Mädchen, die den roten Faden dieses Buches darstellen, erlauben einen kleinen Einblick in das weite und unkontrollierbare Netzwerk der Pädophilie und seiner Verzweigungen. Zwei Mädchen stehen hier als Beispiel für einen Markt von mehr als zehntausend Kindern, die jährlich zum Beispiel in Deutschland missbraucht werden und der laut offiziellen Schätzungen jedes Jahr einen Umsatz von einer Milliarde Euro allein in Deutschland darstellt. Die Dunkelziffer dieses Marktes ist natürlich äusserst schwer einzuschätzen. Url

Wenn Sie dieses Buch lesen, werden Sie eine Reise in eine Horrorwelt antreten. Vieles wird ihnen unglaublich erscheinen. Ich weise allerdings daraufhin, dass sämtliche Recherchen und hier veröffentlichte Informationen auf juristischen und polizeilichen Akten beruhen, auf Zeugenaussagen, die auch von der Justiz als der Wahrheit entsprechend eingestuft wurden und dass das Unglaubliche, das Schreckliche, leider die absolute Wahrheit ist. Url

Zwei junge Mädchen haben die Affäre Dutroux überlebt. Eine davon, Sabine Dardenne, ist Zeugin in diesem Buch. Die beste Zeugin, denn sie war am längsten im Keller des Kinderschänders gefangen. Url

Sie führte Tagebuch, schrieb Briefe und hat, sieben Jahre nach ihrer Entführung und dem ihr von Dutroux Angetanem, Rede und Antwort gestanden. Sie stand vor, während und nach dem Dutroux-Prozess im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Mehr als neun Jahre nach dem Beginn der “Affäre Dutroux”… Url


Samstag, 24. Juni 1995. Julie Lejeune und Melissa Russo, beide acht Jahre alt, verschwinden an diesem Tag auf mysteriöse Weise, während sie auf einer Brücke der Autobahn Lüttich-Brüssel in Grâce-Hollogne spielen. Marc Dutroux und sein Komplize Michel Lelièvre haben die Kinder entführt. Dies sind auf jeden Fall die Erkenntnisse, die man aus dem Dutroux-Dossier des Richters Jacques Langlois herauslesen kann. Url

Am Dienstag, den 22. August, zieht sich die blutige Spur des Marc Dutroux weiter durch Belgien: An Marchal, neunzehn Jahre, und Eefje Lambrecks, siebzehn Jahre, verschwinden in Ostende nach dem Verlassen einer Hypnoseshow, wo sie dem Magier Rastelli als Versuchspersonen zur Verfügung standen. Marc Dutroux und Michel Lelièvre haben beide entführt. Die Indizien in der Dutroux-Akte und die Aussagen der beiden Beschuldigten sind eindeutig. Url

Es bleibt jetzt ruhig um die Dutrouxaffäre, bis zum Mittwoch, den 6. Dezember 1995… Marc Dutroux wird wegen Diebstahls mit Gewaltanwendung verhaftet. Laut eigenen späteren Aussagen während seiner Verhöre, beauftragt er seine Ehefrau Michèle Martin, sich während seiner Abwesenheit um Julie und Mélissa zu kümmern. Diese wird wohl regelmässig den Hunden in der Rue de Philippeville 128 in Marcinelle Futter vorbeibringen, wird die Kinder aber “aus Angst”, wie sie später aussagt, verhungern lassen. Zur gleichen Zeit versagen die belgischen Polizeikräfte – sei es aus Dummheit oder aus Unvermögen. Es könnte aber auch sein, dass verschiedene Spuren, die zu Dutroux führten, bewusst ignoriert wurden. Die parlamentarische Untersuchungskommission in Sachen Dutroux stellte fest, dass die belgische Gendarmerie andere Motive hatte, als die kleinen Julie und Mélissa wiederzufinden und bewusst deren Tod in Kauf nahm, um einen noch grösseren Coup gegen Seilschaften in Wallonien zu landen. Url

Am Mittwoch, den 13. und am Dienstag, den 20. Dezember führt die Gendarmerie Charleroi zwei Hausdurchsuchungen bei Marc Dutroux in Marcinelle durch. Diese verlaufen ergebnislos. Url

Dienstag, 28. Mai 1996: Sabine Dardenne, zwölf Jahre, verschwindet spurlos in Kain bei Tournai. Sie war mit ihrem Fahrrad morgens auf dem Schulweg unterwegs. Dutroux und Lelièvre hatten sie mit ihrem weissen “Break” entführt. Url

Am Freitag, den 9. August desselben Jahres verschwindet die vierzehnjährige Laetitia Delhez in Bertrix. Sie verliess am Abend zu Fuss das Gemeindeschwimmbad, um nach Hause zu gehen. Untersuchungsrichter Jean-Marc Connerotte, der übrigens im selben Dorf wohnt, leitet sofort mit Staatsanwalt Michel Bourlet eine Untersuchung ein. Ein Gemeindepolizist aus Bertrix, der sämtliche Anwohner des Entführungsbereichs befragt, stösst auf einen Studenten und eine Nonne, die beide Teilinformationen über das Kennzeichen eines suspekten weissen “Break”-Wagens haben, der am 9. August verdächtig auffiel. Am Dienstag, den 13. August stellt die Polizei fest, dass besagtes Auto angeblich einem gewissen Marc Dutroux aus Sars-la-Buissière, bei Thuin, gehört. Url

Sechs Häuser, die Dutroux gehören, werden polizeilich durchsucht. Aber man findet nichts! Trotzdem werden an diesem Tag drei Personen unter dringendem Tatverdacht festgenommen: Marc Dutroux (39), seine Ehefrau Michèle Martin (36) und ein Mieter eines der Dutroux-Häuser, Michel Lelièvre (25). Url

Donnerstag, den 15. August: Marc Dutroux legt ein erstes Geständnis ab. Er verrät das Versteck im Keller des Hauses von Marcinelle, als er den Beamten sagt: “Ich werde ihnen zwei Mädchen geben.” Laetitia Delhez und Sabine Dardenne werden befreit. Dutroux sagt an dem Tag aus, dass Michel Lelièvre Julie und Mélissa entführt hat und ein gewisser Michel Nihoul (54) sein Komplize sei. Url

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Julie & Melissa

Samstag, den 17. August: Diesmal verrät Dutroux den untersuchenden Beamten, dass die leblosen Körper von Julie Lejeune und Mélissa Russo im Garten seines Hauses in Sars-la-Buissière begraben sind. Die Grabungen ergeben, dass Dutroux Recht hat und man findet ebenfalls den leblosen Körper einer dritten Person, Bernard Weinstein, ein weiterer Komplize von Dutroux. Am selben Tag erfährt das Untersuchungsteam via Interpol, dass Dutroux eventuell einen Pornokassettenhandel mit der Slovakei und der Tschechei betrieb, wo man ihn ebenfalls verschiedener Straftaten verdächtigt. Dutroux und Lelièvre waren mehrmals in diesen beiden Ländern. Url

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Am nächsten Tag kommen die untersuchenden Beamten einen grossen Schritt weiter: Dutroux und sein Komplize Lelièvre legen ein Geständnis über die Entführung von An Marchal und Eefje Lambrecks ab. Url

Dienstag, den 3. September: Man findet die toten An und Eefje auf dem Dutroux-Grundstück in Jumet, wo Weinstein wohnte. Url

“Die haben alle miteinander geschrien. Laetitia und ich waren der Meinung, dass die bösen Menschen jetzt kommen würden um uns zu töten. Ich sagte: ‘Ich habe Angst’ und Laetitia hatte auch Angst. Wir versuchten uns gegenseitig zu trösten. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Dutroux rief: ‘Ich bins!’ Das hiess wie immer, dass er uns erlaubte, aus dem Kerker herauszukommen. Aber ich hatte furchtbare Angst, denn da standen soviele Männer. Wir haben beide versucht, uns zu verstecken. Plötzlich flüssterte Laetitia mir zu: ‘Da steht ein Polizist, ich kenne den, wir können rausgehen.’ Als wir rausgingen, habe ich bei mir gedacht, dass der schlechte Traum jetzt vorbei ist. Ich habe mich bei Dutroux bedankt, denn ich glaubte in dem Moment, dass er der Mann ist, der den Mut hatte, die Polizisten mitzubringen, um uns zu befreien.” Url

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Sabine Dardenne

Diese Worte von Sabine Dardenne fassen Anfang 2003 die ersten Gedanken zusammen, die sie am 15. August 1996 zusammen brachte. Es ist der Tag, an dem Sabine und ihre Leidesgenossin Laetitia aus ihrem Verliess im Keller des Hauses von Marc Dutroux in Marcinelle befreit werden. Fotos und Filmausschnitte zeigen zwei Mächen, ein Grösseres und ein Kleineres. Das kleine Mädchen weint und kommt aus dem Haus heraus. Sie ist irgendwie verloren hier draussen, in diesem sehr ärmlich anmutenden Viertel, in dieser mehr als dreckigen, engen Strasse vor dem Dutroux-Haus. Das ganze Viertel ist hell beleuchtet durch unzählige Apparate von Pressefotographen und Kameraleuten. Einige zufällig anwesende Nachbarn spenden Beifall und irgend ein Mann, ein Polizist ohne Uniform, fasst das kleine Mädchen an der Schulter und befördert es in ein Polizeiauto. Url

Sabine, nach mehr als sechswöchiger “Haftzeit”, sowie Laetitia nach vierzehntägiger Freiheitsberaubung, sind von Dutroux schon soweit konditioniert, dass sie sich bei ihrer Befreiung zuerst in die Arme des Kinderschänders und nicht in die der sie befreienden Polizisten stürzen. Für beide Mädchen stellt nach ihrer Gefangenschaft ihr Schänder Sicherheit und Vertrauen dar; die anderen Männer sind für beide eine Bedrohung, auf jeden Fall während der ersten Minuten der Befreiung, die beide Mädchen gar nicht richtig verstehen und realisieren. So wie Sabine ebenfalls die ersten Augenblicke und Tage ihrer Entführung und Freiheitsberaubung nicht verstehen konnte. Url

Ist es Tag, ist es Nacht? Sabine weiss es nicht. Das zwölfjährige Mädchen sitzt während langen Wochen allein im Kellerverliess des Kinderschänders Marc Dutroux. Ihr einziger Besitz: Ihr Schulranzen, an den sie laut eigenen Aussagen Dutroux nicht heranließ. Und das kleine Mädchen, das große psychologische Stärke beweisst, wird nach einigen Tagen großer Verzweiflung eines ihrer Schulhefte aus dem Ranzen kramen und Tagebuch führen. Url

“Mein Kalender” hat sie dieses Tagebuch betitelt, in dem sie versucht, Zeitabläufe festzuhalten und verschiedene, von ihr als “Aktivitäten” bezeichnete Ereignisse zu beschreiben. Url

“Ich blieb im Besitz meines Schulranzen. Der Inhalt: Meine Französischkurse, die niederländischen Lehrbücher, meine Mathearbeiten. Und viel Papier.” Url

Sie schreibt Briefe an ihre “liebe Eltern”. Sabine kommt aus einem kleinbürgerlichen Arbeitermilieu, wächst auf mit Mutter, Stiefvater, Onkel – immerhin in der Geborgenheit einer normalen, wenn auch in mehr oder weniger ärmlichen Verhältnissen lebenden Familie. Bei jeder sexuellen Handlung, die sie über sich ergehen lassen muss, zeichnet sie einen kleinen Stern, der ihr Leiden ausdrücken soll, in ihr Tagebuch. Der Stern ist ebenfalls Ausdruck sexueller Vergewaltigungen, die dem jungen Mädchen sehr weh taten. Kleine Kreuze bezeugen die Momente, in denen Dutroux anwesend war und sie belästigte. Ein grosses P (der erste Buchstabe des französischen Wortes für abwesend, “parti”) zeigt an, dass Dutroux abwesend ist und ein grosses R (der erste Buchstabe des französischen Wortes für zurückgekommen, “revenu”) hat sie ins Tagebuch eingetragen, wenn er zurück war. Url

Sie späht durch Ritzen in den Mauern und kann sehen, ob Tageslicht durchkommt oder nicht. So kann sie irgendwie miterleben, ob es Tag ist oder Nacht… Url

Natürlich wurde das Kind nicht nur sexuell, sondern auch psychisch von Dutroux ausgenutzt. Url

“Dutroux hatte mir gesagt, dass ich getrost meinen Eltern Briefe schreiben dürfte. Also schrieb ich an meine Eltern und erzählte ihnen in den Briefen meinen Tagesablauf und alles, was es sonst noch zu erzählen gab. Es war ein bisschen, als ob ich in den Ferien wäre. Obschon Dutroux mir immer sagte, meine Eltern wären böse Menschen, hatte ich meine Eltern lieb. Ich wollte zurück nach Hause und fragte meine Eltern, mich doch abzuholen”, erzählt Sabine. Url

Am 22. August 1996 hält Untersuchungsrichter Jean-Marc Connerotte im Protokoll Nr. 112352 fest, dass ihm ein Paket von Sabine Dardenne geschriebenen Briefen an ihre Familie übergeben wurde. Url

Der Richter hält fest, dass er die immer noch verschlossenen Briefe aufmachte und sie las. Dann übergab er sie an den mit dem Dutroux-Fall befassten Polizeibeamten. Url

Einer dieser Beamten, Polizist Hupez, hält am 2. September in den Protokollen 112355 und 112359 fest, dass die Handschrift von Sabine nicht immer dieselbe ist. Url

“Es gibt Variationen in der Handschrift von Sabine”, schreibt der Polizist. Url

“Ich stelle fest, dass besagte Handschrift manchmal viel nervöser ist und Sabine sich beim Schreiben weniger angestrengt hat. Die Präsentation der Briefe ist manchmal äusserst unordentlich. Diese Variation stammen wahrscheinlich von der mentalen Manipulation, die Dutroux auf Sabine ausübte.” Url

Der Kommissar erwähnt dann auch die verschiedensten Druckmittel, die Marc Dutroux gegenüber dem 12-jährigen Mädchen gebrauchte: Unerfüllte Lösegeldforderung an die Eltern, Beschützerrolle von Dutroux, Todesdrohungen, körperliche und sexuelle Tortur, Einsperren, Drogen, usw. Url

Um sicher zu gehen, dass besagte Briefe auch wirklich von Sabine stammten und nicht von Dutroux manipuliert wurden, liess man grafologische Gutachten anfertigen sowie sämtliche Spuren (wie zum Beispiel Haarspuren im Briefumschlag) festhalten. Url

Dutroux hatte ihr versprochen, ihre Briefe abzuschicken. Sabine hat heute noch Tränen in den Augen und ihre Stimme schwankt, wenn sie von ihrer Entäuschung in Bezug auf die von Dutroux nie abgesandten Briefe berichtet: Url

“Meine Briefe hat er unter dem Teppich im ersten Stockwerk versteckt”, erklärt das junge Mädchen. Url

33 Blätter wurden so wiedergefunden. Der längste Brief war zehn Seiten lang. Sämtliche Briefe waren mit kindlicher Schönschrift verfasst, eine regelmässige Schrift, fast ohne Fehler. Man bemerkt, dass im Laufe der Zeit die psychologische Verwüstungsarbeit von Dutroux gegenüber Sabine Wirkung zeigt. Sabine fühlt sich immer mehr verlassen. Der Inhalt der Briefe ist gezeichnet von Resignation, aber auch anhaltender Liebe zu ihren Eltern. Url

“Wenn Ihr es nicht schon getan habt, so bitte ich Euch, meine Kugelschreiber und Leuchtstifte jetzt zu benutzen, denn später werden sie vertrocknet sein. Ich bete jeden Tag zu Gott, dass er mir hilft, Euch wiederzufinden, denn das ist mein innigster Wunsch,” schreibt sie an ihre Eltern. “Ich hoffe, dass sich jemand um meinen Garten und auch um Fifi (Sabines Kanarienvogel) kümmert. Ich hoffe, beiden geht es gut.” Url

Dutroux versucht, die Kleine für seine sexuellen Perversionen gefügig zu machen. Der Kinderschänder hat dem kleinen Mädchen mitgeteilt, dass ihre Eltern nichts mehr von ihr wissen wollen. Natürlich will Sabine dies nicht sofort glauben und fragt Dutroux, doch einen Kontakt zu ihren Eltern herzustellen. Dutroux, der in die Rolle eines gutartigen Entführers schlüpft und dem jungen Mädchen glaubhaft macht, dass seine “Chefs” ihr nur Böses wollen, er sich ihnen aber entgegenstellt, erschleicht sich schliesslich das Vertrauen von Sabine, in dem er ihr mitteilt, dass er trotz Verbotes des “Chefs” telefonischen Kontakt mit Sabines Mutter aufgenommen hätte. Url

Sabine vertraut ihrem Tagebuch an: “Ich bin sehr froh, Neuigkeiten von Euch erhalten zu haben. Ich weiss, dass er nicht lange mit Euch reden konnte, weil er sonst Schwierigkeiten mit seinem Chef bekommen würde.” Url

Der Auszug besagten Tages strotzt nur so von netten Bemerkungen, die Sabine über die ihr von Dutroux zugetragenen Informationen über ihre kleine Familie macht. Wie zum Beispiel, dass der Onkel soundso bei den Eltern zu Hause war. Url

“Deine Schwester hat ihren Jahresabschluss geschafft. Ja, deine Eltern haben das Schwimmbecken aufgerichtet”, usw…, belügt sie Dutroux und Sabine glaubt alles. Url

Dutroux hat ein perfektes Einschüchterungssystem für das zwölfjährige Kind aufgebaut. Url

“Sofort, als ich in seinem Haus ankam, teilte Dutroux mir mit, dass ich Glück gehabt und er mir das Leben gerettet hätte. Denn wenn die Anderen mich gefangen hätten, dann hätten sie mich sehr schnell getötet. Er sprach immer von dem Bösen, den er auch den Chef nannte und spielte die Rolle meines Beschützers.” Url

Zur Ausübung seiner perversen sexuellen Phantasien nahm Dutroux das Kind manchmal mit nach oben in die Wohnung. Er musste sie also zu komplettem Gehorsam zwingen, um jeden Fluchtversuch zu vermeiden. Url

“Er hat mir nie Genaues über den Chef erzählt, aber er hat mir gesagt, dass er Mitglied eines Netzwerkes wäre, bestehend aus seinen vielen Freunden und ihm. Er sagte mir auch, dass es keinen Sinn hätte, zu versuchen, das Haustelefon zu bedienen, denn es handele sich hier um ein internes Leitungsnetz. Dutroux erklärte sogar, dass dieses Netz so funktionniere, als wenn alle Komplizen im selben Hochhaus wohnen würden.” Url

In seiner primitiven Art bringt Dutroux es trotzdem fertig, Sabine um den Finger zu wickeln. Url

“Er sagte mir, dass er mich einsperren müsste, um mir das Leben zu retten. Er wollte verhindern, dass der Böse mich umbringt. Er sagte auch, dass der Böse bei meinen Eltern Geld verlangt hätte, diese aber keines hätten. Url

Ich glaubte ihm das. Ich stellte mir viele Fragen. Er sprach von einer Million (A.d.A.: 25.000 Euro). Er sagte auch: Die wollen Dich gar nicht freikaufen, sie könnten ja ihr Haus verkaufen, den Wagen…” Url

Man kann Sabine alle Emotionen aus ihrem Gesicht ablesen, wenn sie diese Episode weiter erzählt. Hinterhältig befragt der Kinderschänder die Kleine: Url

“Warum bezahlen deine Eltern nicht für Dich? …” Sabine konnte ja nicht wissen, dass Dutroux oder irgendein Komplize niemals mit ihren Eltern gesprochen hat. “Und ich, ich glaubte ihm.” Url

Trotzdem hat Sabine eines Tages versucht, aus ihrem Gefängnis auszubrechen. Url

Sabine ist moralisch am Ende und dort angekommen, wo Dutroux sie hinführen wollte. Nach einigen Wochen Gefangenschaft und Bearbeitung durch ihren Schänder schreibt sie erneut einen Brief an ihre Eltern: Url

“Ich bin sehr froh, dass Ihr mir alle verziehen habt und dass Ihr mir viel Glück wünscht.” Und sie schlussfolgert in Bezug auf ihr Verschwinden: “Verzeiht mir all das Böse, das ich Euch angetan habe.” Url

Dutroux bringt die Kleine soweit, dass sie Zeichnungen anfertigt, vier an der Zahl, auf denen Sabine sich selbst darstellt, lächelnd, betitelt “Vorher/Nachher” oder “Haare von Papa und Mama geschnitten” und “Haare vom Monsieur geschnitten”. Url

Sie biedert sich bei ihrem Vater an; sie stellt Kreuzworträtsel her, denn ihr Vater mag diesen Zeitvertreib. Sie inspiriert sich von Rätseln, die sie in alten Zeitschriften findet, die Dutroux ihr zum Zeitvertreib in den Kerker legt. Diese Kreuzworträtsel und Zeichnungen werden ebenso wie die Briefe nach der Verhaftung von Dutroux unter dem Teppich des Wohnzimmers von Polizisten wiedergefunden. Url

Im Laufe der dahingehenden Wochen werden die Eintragungen dieser modernen Anne Frank immer systematischer. Sabine spielt mit den Zahlen. Sie schreibt Uhrzeiten auf, wie zum Beispiel: “Zwei Minuten nach eins: Zwei ist die Hausnummer meiner Taufpatin. Drei nach eins: Ich weiss nicht. Fünf nach eins: Ich weiss nicht. Sieben nach eins: Sieben ist meine Lieblingszahl. Acht nach eins: Acht ist die Lieblingszahl von Sebastien. Zwölf nach eins: Mein Alter. Dreizehn nach eins: Geburtsdatum von Bobonne.” Dieses System geht stundenlang weiter, Sabine versucht mit jeder Zahl, Erinnerungen aus dem Umfeld ihrer Familie aufzurufen und seien es nur die Schuhgrößen der ihr Nahenstehenden. Url

Sabine erklärt, dass sie in ihrer Zelle versucht hat, irgendwie am Leben ihrer Familie teilzunehmen. Die Arbeitstage ihrer Mutter sind im Tagebuch gekennzeichnet: Url

“Ich wusste, dass sie jedes zweite Wochenende zur Arbeit ging; ich wusste, dass sie jeden zweiten Dienstag frei hatte. Ich sagte mir immer, dass um diese oder jene Uhrzeit Mutter ihre Arbeitstelle verlässt. Papa hatte eine regelmässigere Arbeitszeit.” Url

In ihrer primitiven Zelle hatte die kleine Sabine mehr als genug Zeit, über ihre Entführung nachzudenken und ihre Ereignisse immer wieder zu erleben. Ihr Bericht ist heute, mehr als neun Jahre später, noch sehr genau: Url

“Es war am 28. Mai 1996, um sieben Uhr fünfundzwanzig, ein ganz normaler Dienstag”. Das kleine Dorf Kain, nur einige Kilometer von der belgischen Stadt Tournai enfernt, lebt auf wie jeden Morgen. Url

“Ich ging zusammen mit meinem Vater zur Haustür hinaus, mein Vater bog sofort nach rechts ab und ich nach links, in Richtung meiner Schule. Dieser Weg führt von unserer Wohnung zum Collège Notre Dame, wo ich die erste Klasse des Sekundarunterrichts besuchte. An diesem Tag beeilte ich mich, den Weg zur Schule mit meinem grünen Fahrrad zurückzulegen. Url

Kurze Zeit später fuhr in der Rue du Stade ein weisser Lieferwagen an mir vorbei. Alles ging sehr schnell. Ich habe nichts bemerkt. Ich habe nicht auf die vorbeifahrenden Wagen aufgepasst. Ich bemerkte, wie der Wagen stehenblieb, aber dies hat mich nicht beunruhigt. Als ich am Wagen vorbeifuhr, zog eine Hand mich mit meinem Rucksack ins Auto hinein und der Mann packte ebenfalls mein Fahrrad in den Lieferwagen. Meine Schwimm-und Sportsachen waren auf meinem Fahrrad festgebunden. Das Auto fuhr sehr schnell. Ich nahm an, dass wir uns auf der Autobahn befinden würden. Ich konnte allerdings nicht aus dem Wagen heraussehen. An den Fenstern hingen Vorhänge. Dutroux versuchte, mir mehrere weisse Pillen in den Mund zu stopfen. Ich habe sie aber wieder rausgespuckt”. Url

Die ersten Aussagen von Sabine bei der Polizei bestätigen dieses Szenario. Hier erzählt Sabine, dass sie die besagten Pillen mit ein wenig Coca-Cola schlucken musste. Url

“Weil ich aber immer noch nicht schlief, hat er mir wieder drei oder vier Pillen gegeben und schliesslich mehrere Tropfen mit einem Tropfenzähler in den Mund eingeführt. Ich war benommen. Ich denke, ich habe einige Zeit geschlafen. Ich bin aber wieder schnell aufgewacht. Ich fragte sofort Dutroux, wo der Rest meiner Cola wäre. Er hat mir geantwortet, dass der andere (A.d.A.: Michel Lelièvre) sie ausgetrunken hätte. In diesem Moment war das Auto noch immer in Bewegung. Die beiden Männer haben mich am Ende der Reise im Wagen in eine blaumetallik-farbene Stahlkiste eingesperrt.” Url

Polizeibeamte stellten später fest, was Dutroux auch in den Verhören bestätigen wird: bei den Sabine verabreichteten Tropfen handelte es sich um Rohypnol, ein Medikament der Kategorie der psychotropen Substanzen, die zum Beispiel als Substitutionsmittel für Heroin verwendet werden. Dieses Medikament wird im Fall von Sabine und deren heutigen Erklärungen noch eine große Rolle spielen, wie wir auf den folgenden Seiten sehen werden. Url

In Marcinelle angekommen, wurde die “ganz spezielle” Fracht der beiden Kinderräuber in der Metallkiste ins Haus getragen. “Im Innern des Hauses wurde ich aus der Kiste befreit.” Url

Sabine war wieder zu sich gekommen, so dass sie selbstständig die Treppe zum ersten Stockwerk hinaufgehen konnte. Url

“Ich wurde zwei bis drei Tage oben gefangen gehalten. Ich musste mich nackt ausziehen. Dann musste ich mich auf das Bett legen und Dutroux band mich mit einer Kette am Hals am Bett fest. Dutroux ist mehrmals zu mir gekommen. Danach wurde ich in der Zelle im Keller eingesperrt.” Url

Das junge Opfer beschreibt den Zustand der Zelle, als Dutroux sie einschliesst. Url

“Dutroux ging mit mir in den Keller. Vor einer grossen Wand entfernte er ein schweres Regal. Er öffnete eine versteckte Tür und sagte zu mir: ‘Hier wirst du dich wohlfühlen, hier wirst du gut versteckt sein.’ Url

Zwei Matrazen lagen auf Holzpaletten, die sich in direkten Kontakt mit dem Boden befanden. Eine einzige Birne brannte an der Decke. Dutroux hat mir die Halsfessel abgenommen. Das Mobiliar bestand aus einem kleinen faltbaren Tisch und einem kleinen Regal. Meine Notdurft musste ich in einem Eimer verrichten. Einige Zeit später bekam ich dann eine Kaffeemaschine, mit der ich Wasser aufwärmen konnte. Dieses Wasser war in einem grossen Benzinbehälter enthalten.” Url

Sabine kann sich nur gelegentlich waschen. Dutroux kommt dann nach unten, befreit sie aus der Zelle und nimmt sie mit ins Badezimmer. Sie darf sich dann gründlicher waschen. Alles spielt sich im Beisein von Marc Dutroux ab. Url

Manchmal bleibt Sabine im Kerker während einer Woche eingesperrt, ohne irgendeinen Menschen zu sehen. “Die wichtigste Entscheidung, die ich dann zu treffen hatte, bestand darin zu entscheiden, ob ich das zur Verfügung stehende Wasser zum Trinken oder zum Waschen gebrauchen werde.” Url

Wenn sie Dutroux längere Zeit allein lässt, stellt er eine Spielkonsole der Marke Sega mit einem Bildschirm in ihre Zelle. Sabine, die auch noch unter Klaustrophobie leidet, ist beim Spielen äußerst nervös: Url

“Eines Tages hat mich meine Ungeschicklichkeit beim Spielen so in Wut gebracht, dass ich das Spiel gegen die Mauer warf. Als ich es wieder aufhob, hörte ich sofort, dass irgendwas im Inneren der Konsole kaputt gegangen war. Das Spiel funktionierte nicht mehr und jetzt hatte ich keine Möglichkeit mehr, mich auf diese Weise zu beschäftigen.” Url

In der Zelle ist es kalt, manchmal sehr kalt. Sabine, die, wenn sie nach oben mitgenommen wird, praktisch immer nackt herumlaufen oder liegen muss, ist im Keller noch immer so angezogen, wie sie es damals am 28. Mai war, als sie entführt wurde. Sie trägt eine Shorts und ein T-Shirt. Url

Die Zelle wird nur dürftig durch einen ganz kleinen elektrischen Heizkörper versorgt. Um die Zelle, im Keller von Betonwänden umgeben, nur dürftig zu heizen, muss das Kind das Ding praktisch immer unter Strom lassen. Url

“Manchmal fehlte mir die Luft zum Atmen”, berichtet Sabine. “Die Luftversorgung meiner Zelle bestand ausschliesslich aus einem acht Zentimeter breiten Loch in der Decke.” Url

An einem anderen Tag fällt die zur Erhellung des Raumes bestimmte elektrische Birne aus. Url

“Das war für mich das Furchtbarste, was mir geschehen konnte, ich habe geschrien, die ganze Zeit geschrien; ich rief immer wieder: Es ist kein Licht mehr da, ich krieg keine Luft mehr. Ich wurde verrückt. Aber er kam nicht. Ich hörte, wie er sich oben bewegte. Url

Nach einiger Zeit kam das Licht wieder zurück. Ich denke, dass Dutroux eine Sicherung ersetzt haben muss.” Url

In solchen Momenten sehnte das kleine Opfer praktisch die Präsenz seines Schänders herbei. Obschon sie wusste, was sie dann meistens erwartete. Url

“Er sagte dann immer: ‘Ich komme Dich bald holen.’ Wenn er dann kam, nahm er mich entweder mit ins Erdgeschoss oder ein Stockwerk höher ins Schlafszimmer, das ich als Zimmer der Tortur bezeichnete.” Url

Sabine erzählt nichts von dem, was ihr in seinem Schlafzimmer angetan wurde. Url

In ihren Augen sieht man, dass der Schrecken ihr noch in den Gliedern sitzt und sie die sexuellen Übergriffe, die perversen Handlungen und die erlittenen Qualen wohl nie vergessen wird. Url

Hat Dutroux Sie manchmal mit Rohypnol gefügig gemacht? Url

Was tat er ihr alles an? Das Schweigen von Sabine sagt mehr aus, als Tausende von Wörtern und es ist nicht am Journalisten, dieses Schweigen zu durchbrechen. Url

Im Erdgeschoss nahm er sie manchmal mit in die Küche. Er gab ihr dann ein Glas Milch. Oder wärmte irgendetwas Essbares auf, was das Kind dann auch herunterschluckte, obschon es das Gericht nicht mochte. Sie wurde nicht sehr oft in der Küche bekocht und wenn ihr Schänder sich mal um ihr Essen kümmerte, dann gab es öfters “rohe Bouletten mit kalter Tomatensauce”. Url

“Während ich diese Speisen herrunterschluckte, verspeiste Dutroux schöne und gute warme Gerichte vor meinen Augen, ohne mir davon etwas abzugeben. Es lagen immer Bonbons und Schokolade auf dem Küchentisch herum. Er aß viel davon in meiner Anwesenheit und ich durfte diese Süssigkeiten nicht anrühren.” Url

Meistens aber verspeiste Sabine ihre karge Kost im kalten Kellerverliess. Dutroux stellte ihr einige Konserven auf das kleine Regal. Vor allem gab er ihr grosse Mengen an Brot zum Essen. Wenn er sie längere Zeit alleine ließ, gab es noch mehr Brot: Url

“Eines Tages legte er mir drei große Brote in die Zelle.” Sabine verstand, dass sie mal wieder einige Tage allein sein würde. Sie wollte sich das Brot aufteilen. “Aber durch die hohe Feuchtigkeit in meiner Zelle verfaulte das Brot sehr schnell. Das von mir aufgesparte Brot war nach zwei Tagen ganz grün.” Sabine hat nicht viel in ihrer sechs Wochen dauernden Gefangenschaft gegessen… Url

Richtig krank ist sie nicht geworden, aber eines Tages hatte sie starke Zahnschmerzen. Sobald Dutroux auftauchte, bat sie ihn um Hilfe. Url

“Ich habe Zahnschmerzen. Ich habe Angst, dass meine Zähne mir eines Tages aus dem Mund fallen. Tun Sie bitte etwas,” flehte sie ihren Schänder an. Dutroux beruhigte sie: “Ich bin Arzt”, sagte er. Url

Sabine erzählt: “Dutroux hat dann lange wie ein Arzt geredet und hat mir dann Medikamente gebracht. Die Medikamente waren abgelaufen. Ich habe es gesehen, ich habe die Verpackungen genau gelesen.” Url

Am 9. August 1996 schliesst Dutroux die Tür des Kerkers auf. Er ist in Begleitung eines jungen fünfzehnjährigen Mädchens. Url

“Hier hast du eine Freundin, damit es dir nicht zu langweilig wird” sagt Dutroux. Dann nimmt der Kinderschänder beide Mädchen mit nach oben in sein Schlafzimmer. Url

“Laetitia war noch ganz benommen”, erzählt Sabine. “Sie wurde auch ans Bett angekettet.” Beide Kinder müssen die sexuellen Phantasien von Dutroux über sich ergehen lassen. Url

“Später kam Laetitia dann mit mir nach unten in die Zelle. Sie wachte langsam auf”, berichtet Sabine. Url

Laetitia spricht ihre Leidensgefährtin an: “Draussen suchen alle nach Dir”, sagt Laetitia zu Sabine. Url

“Ich kann Dir nicht glauben”, antwortet Sabine. Url

“Doch, doch, wenn ich es Dir sage. Siehst Du keine Nachrichten im Fernsehen?”, fragt Laetitia. Url

“Nein.” Url

Sabine ist voller Zweifel. Aber nicht gegenüber Dutroux. “Sogar, wenn meine Eltern mich wirklich suchen würden, begriff ich in keinen Moment, dass Dutroux ein Schwein war.” Url

Sabine wird sich nach den drei ersten Tagen des gemeinsamen Lebens in der Zelle aufopferungsvoll um ihre neue Freundin bekümmern. Url

“Obschon ich keine grosse Moral mehr hatte, habe ich immer wieder Laetitia Mut zugesprochen und mich um sie gekümmert, so gut ich es konnte.” Url

Sabine versteht heute, wie sehr sie in jenen Tagen manipuliert worden war. Sie war Dutroux sogar dankbar, dass er ihr eine Gefährtin in ihre Zelle gebracht hatte. Heute gesteht sie: Url

“Ich musste mich schon alleine um Laetitia kümmern, mit ihr reden, denn sonst hätte Dutroux sich ja umsonst die Mühe gemacht, mir eine Freundin mitzubringen.” Url

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Laetitia Delhez

Sabine hat während vielen Jahren geschwiegen. Außer bei den sehr intimen Fragen weicht sie heute nicht mehr aus. Es sind diese intimen Fragen, die es mit sich gebracht haben, dass die Freundschaft zwischen den beiden Mädchen trotz ihres gemeinsamen Schicksals sehr schnell zerbrach. Sabine wirft Laetitia und deren Mutter vor, verschiedene Details über sehr private Geschehnisse im Umgang mit Dutroux öffentlich gemacht zu haben. Url

“Was damals im Hause von Marcinelle geschah, geht keinen etwas an”, meint Sabine. Url

Und sie fügt hinzu: “Nach unserer Befreiung rief Laetitia mich eines Tages an. Sie wollte mit mir über das Geschehene reden und behauptete, sie wäre allein. In Wirklichkeit befand sich eine flämische Journalistin neben ihr. Die hat alles mitgehört und aufgeschrieben. Laetitita hat der Journalistin alles erzählt, was ich ihr anvertraut hatte.” Url

Sie kommentiert ihr Tagebuch oder die vielen Briefe an ihre Eltern mit viel Realismus. Sie zeichnet ein Bild der Horrorwelt, in der sie mit Dutroux leben musste. Eine abschreckende Welt. Ein Lebensweg, der die Fähigkeiten eines zwölfjährigen Mädchens in solch einer traumatischen Lage unter Beweiss stellt. Url

Aus dem kleinen Mädchen ist heute eine richtige Frau geworden. Wenn sie heute mit Journalisten redet, tut sie das, um verschiedene Fakten ins rechte Licht zu rücken. Sie sucht nach Kredibilität und will Aussagen von Dutroux ihre Wahrheit, die Wahrheit, entgegenstellen. Url

Sabine ist heute zwanzig Jahre alt und arbeitet in der Bestellabteilung einer belgischen Firma. Sie sagt von sich selbst, dass sie öfters in ihrem Tagebuch nachliest. Url

Das ihr Angetane hat sie als Zwölfjährige den Beamten der Polizei aus Neufchâteau in mehreren längeren Protokollen, die dem Autoren vorliegen, ausführlich geschildert. Url

In der Akte 100236 L 114 vom 20. August 1996 erzählt sie zuerst die Umstände ihrer Entführung durch Dutroux. Url

Die von Sabine gemachten Aussagen stimmen ziemlich genau mit denen überein, die sie “uns” gegenüber Anfang 2003, also sechseinhalb Jahre später, machte. Man findet allerdings noch einige Details in diesen Aussagen, die sie wahrscheinlich nach vielen Jahren vergessen hat. Url

So erfährt man zum Beispiel, dass es Dutroux war, der sie in den Wagen zerrte, indem er sie mit der einen Hand am Mund fasste und mit der anderen Hand an den Augenhöhlen packte. Nachdem sie, eingesperrt in einem metallenen Koffer, von Dutroux im ersten Stock des Hauses in Marcinelle “befreit” wurde, schildert das junge Opfer den Beamten, was ihr wiederfuhr. Url

“Es ist 10 Uhr 30. Dutroux befiehl ihr, sich nackt auszuziehen. Dutroux legte ihr eine Kette um den Hals und befestigte sie am Bett”, berichten die Beamten. Url

Ihre Zusammenfassung des Verhörs von Sabine erwähnt noch Schreckliches: Url

“Am 2. Tag führte Dutroux sie in sein Zimmer und er zog sich nackt aus. Sie musste sich an ihm reiben. (…) Url

Am 3 Tag musste sie das ganze Haus putzen. Beinahe jeden Tag wurde beiderseits Oralsex praktiziert. Url

An einem spezifischen Tag gebrauchte Dutroux eine Salbe, um sie zu vergewaltigen. (…) Url

An einem anderen Tag war es auch Laetitia, die von Dutroux mit ins erste Stockwerk genommen wurde. Laetitia schlief. Er befestigte einer ihrer Füße mit einer Kette am Bett. Url

Wenn Dutroux ein Bad nahm, musste sie mit ihm in die Wanne steigen. Dutroux wusch sie.” Url

Laetitia Delhez erzählt ihrerseits denselben Beamten das ihr Wiederfahrene. Url

“Sie lebte nackt, nur mit ihrer Unterhose bekleidet. Sie schlief anfänglich nur am Fuß angekettet, später am Fuß und am Hals angekettet. Im Zimmer stand ein Kinderbett. Wenn Dutroux ihnen etwas zum Essen brachte, trug er nur einen Slip. Als Laetitia zum ersten Mal Sabine begegnete, trug diese nur eine Shorts. (…) Url

Sie musste Verhütungsmittel nehmen. Er machte Fotos von Sabine und zeigte sie ihr. Sabine erzählte Laetitia, wie sie vergewaltigt und gefoltert wurde. Laetitia beschreibt ihre Vergewaltigung. Dutroux zog nie ein Kondom über sein Glied.” Url

In diesen Protokollen beschreibt Sabine ebenfalls die Umstände ihrer Gefangenschaft. “Der Kerker der beiden Mädchen im Keller des Hauses von Dutroux wurde niemals geputzt. Tiere liefen darin herum. Während ihrer ganzen Gefangenschaft wechselten die beiden Mädchen nie ihre Kleider. Zum Verrichten ihrer Notdurft stand ihnen ein Plastikeimer zu Verfügung. Der Eimer musste komplett gefüllt sein, bevor sie ihn entleeren durften.” Url

Wir verzichten auf die Veröffentlichung anderer Auszüge dieser meterlangen Protokolle. Es schien uns aber wichtig, dem Leser einen kurzen – wenn auch bewusst nicht vollständigen – Einblick in das unendlich Schreckliche der Gefangenschaft von Sabine und Laetitia bei Dutroux zu geben. Url

Gleich zu Anfang der Dutroux-Affäre hat der Autor dieses Buches in Sachen Dutroux und Pädophilie in Belgien recherchiert. Nachdem er in den ersten Interviews nach der Befreiung von Sabine eine sehr bemerkenswerte Aussage des jungen Opfers im belgischen Fernsehen gehört hatte, versuchte er an die Polizeiverhöre und die Gerichtsakten in dieser Sache heranzukommen. Was im auch gelang und übrigens schwerwiegende Folgen für den Autoren mit sich brachte. Url

Dies gelang dem Autor im Jahre 1999, als er sich die gerichtlichen Dutroux-Polizeiakten im Auftrag des Magazins Der Spiegel beschaffte. Nach Erscheinen seines in Zusammenarbeit mit Frédéric Lavachery geschriebenen Buches “Dossier Pédophilie” (Herausgeber: Flammarion – Paris) entlud sich die geballte Gewalt des belgischen Staates gegenüber dem Autor. Url

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete unter dem Titel: “Belgien ist das Thailand Europas. Vor ihm muß Marc Dutroux sich fürchten: Ein Besuch bei dem Sensationsjäger Jean Nicolas.” Url

Luxemburg, 29. März 2002: Der Chef kommt persönlich aus der Küche, um den Gast zu begrüßen. Es ist Mittagszeit. Das Wirtshaus “La Fontana” in Capellen, einem unscheinbaren Vorort an der Peripherie, ist gut besucht. Url

“Da drüben”, sagt Jean Nicolas und schiebt die schweren Vorhänge beiseite, “da wohnt Juncker”. Jean-Claude Juncker. Auch das Haus des Ministerpräsidenten wirkt blaß und unauffällig, wie die ganze Gegend. Man will nicht auffallen. Man kennt sich. Luxemburg ist ein kleines Land. “Zu klein für mich”, sagt Jean Nicolas. Will man dies überhaupt jemandem glauben, dann ihm. Der Mann wird weltweit gesucht. Url

Transparenz ist das Menetekel des Jean Nicolas. Je überschaubarer eine Gesellschaft, je präziser sich Wege und Handlungen einzelner nachvollziehen lassen, desto schwieriger gestaltet sich sein Job. Jean Nicolas ist Journalist, doch nicht einer der landläufigen Sorte. Url

Nicolas ist ein Wühler im Dreck, ein Spürhund, der sich, wenn man ihn nur anständig bezahlt, den Schattenseiten der Wirklichkeit zuwendet. Belgien ist sein bevorzugtes Revier, dort ist er berühmt und berüchtigt. Die Botschaften, die er von seinen Streifzügen in den Sumpf aus Verbrechen, Gewalt und Korruption mitbringt, verbreitet er in Form von Büchern. Sie heißen “C’est le bordel dans les bordels”, “Dossier pédophilie” oder “Les pédophiles sont parmi nous”. Zu deutsch: “Die Pädophilen sind unter uns”. Url

Keine Frage: An Marc Dutroux kommt so jemand nicht vorbei. Seit fast sechs Jahren wartet die Welt auf den Prozeß gegen den belgischen Kinderfänger, und seit fast ebenso langer Zeit blüht das Geschäft der Enthüller und der Verschwörungstheoretiker. Url

Deshalb ist Luxemburg für Jean Nicolas noch ein wenig enger und bedrückender geworden. Denn “Le petit Nicolas”, wie man den schwergewichtigen Mann nennt, kann das Großherzogtum nicht mehr verlassen. Bei einem belgischen Gericht liegt ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vor – wegen “Diebstahls” geheimer Gerichtsakten sowie der “Gründung einer kriminellen Vereinigung” mit seinem Koautor Frédéric Lavachery. Allein, weil Nicolas gebürtiger Luxemburger ist, wird er nicht ausgeliefert. Sein Haus auf dem Land, in dem er mit seiner Familie lebt, steht nur wenige Kilometer vor der belgischen Grenze. Url

Jean Nicolas handelt mit einer hochbrisanten Verschlußakte. Sie enthält Teile des Untersuchungsmaterials für die Anklage gegen Dutroux. (…) Nicolas bestreitet jedoch vehement, das Material gestohlen zu haben. Url

Das Papier sei 1997 von einem Justizbeamten entwendet worden, sagt er, und zirkuliere seither als Kopie in den einschlägigen Kreisen. Er habe es nur “gesucht” – immerhin im Auftrag der Zeitschrift Der Spiegel – und auch “gefunden”, für zehntausend Mark, “das war nicht schwer”. Url

Erhalten haben will er das Dossier von einer Kollegin, die es wiederum von einem Anwalt habe. Url

“Das reicht womöglich nicht einmal für eine Anklage wegen Hehlerei”, glaubt Nicolas. Daß er Akten veröffentlicht hat, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, hält er unter Journalisten für ein Kavaliersdelikt: Url

“Jeder von uns hat schon einmal illegal Papiere zugespielt bekommen. Das gehört zum Geschäft.” Url

Oft kommt der ausgebuffte Rechercheur mit seinen Methoden sehr weit. 1998 etwa war er daran beteiligt, die Vetternwirtschaft der EU-Kommissarin Edith Cresson aufzudecken. Der 15. März, als die gesamte Kommission zu rücktreten mußte, ist sein persönlicher Festtag. (…) Url

Wenn Nicolas von sich und seiner Arbeit erzählt, klingt es bisweilen, als ginge da mit einem Thrillerautor die Phantasie durch. Von vorgetäuschten Freundschaften ist die Rede und von opulenten Gelagen, bei denen reichlich Alkohol floß, um die Zunge der einen zu lösen oder andere besinnungslos zu machen, und der Jäger mittendrin, immer in Erwartung des finalen Todesstoßes, des Moments, da er den Informanten “endlich geknackt hat” – für Nicolas die Sekunde des Triumphs und der Genugtuung. Daß seine “Freunde” hernach nichts mehr von ihm wissen wollen, kümmert ihn nicht: “Es waren nie meine Freunde.” Auch wenn er sie vorher in dem Glauben ließ. Url

Nicht nur deshalb ist das Geschäft des Jean Nicolas ein einsames. Leute wie er sind allein, weil sie von anderen gemieden werden. Nicolas arbeitet für so renommierte Magazine wie Spiegel, Focus oder Paris Match und auch für France 2 oder die ARD. Seinen Namen indes findet man nur selten. Seinesgleichen Dienste nimmt die Presse in Anspruch, wie Regierungen diejenigen von Spionen. Man braucht sie, aber man möchte nicht mit ihnen gesehen werden. Url

Warum er das tut? Nicolas ist zumindest ehrlich: “Auf die Dutroux-Geschichte bin ich anfangs aufgesprungen, weil sich damit Geld verdienen ließ.” Drei Bücher, etliche Artikel und viel Aufmerksamkeit wurden ihm zuteil. “Nur bei Günther Jauch war ich noch immer nicht eingeladen”, seufzt er ironisch. Da ist auch eine gehörige Portion Eitelkeit im Spiel. Den moralischen Aspekt will der Journalist jedoch nicht ganz unter den Tisch kehren. Immerhin hat sein Großvater, ein großer Gewerkschafter, 1919 die Republik Luxemburg ausgerufen. Sie währte nicht einmal einen Tag. Daß der Dutroux-Prozeß Jahr für Jahr verschleppt wird, daß “Beweise manipuliert, Zeugenaussagen korrigiert und Spuren bis nach ganz oben nicht verfolgt werden”, hält Nicolas für “skandalös”. Url

“Was ich tue, halte ich für richtig und wichtig, weil die Öffentlichkeit um die Wahrheit betrogen wird.” Und die lautet in der Lesart Nicolas‘: “Belgien ist das Thailand Europas.” Url

(…) Warum fühlt gerade er sich zur Aufklärung berufen, auch noch mit illegalen Mitteln, möchte man wissen. Url

“Weil ich heute niemandem mehr in Belgien begegne, der die Affäre Dutroux wirklich aufklären wollte”, kommt es prompt zurück, und wieder schießen Namen aus ihm her aus: Michel Bouffioux, “Sie wissen schon”, der belgische Journalist mit den unbequemen Fragen – “es gibt ihn nicht mehr”. Vincent Decroly, ehemals Grünen-Abgeordneter – “redet nicht mehr”. Patrick Moriau, Vizepräsident der ersten Untersuchungskommission, der gehen mußte – “ist verstummt”. Und jetzt also er, le petit Nicolas. Url

Von wenigstens achtzehn Leuten will er wissen, daß sie im Zusammenhang mit den Dutroux-Ermittlungen auf “nicht normale Weise” ums Leben kamen. Daß es mit dem vereinten Europa in mancher Hinsicht noch nicht so klappt, wie Brüssel es gern hätte, kommt dem Flüchtigen daher mehr als gelegen. Er weiß, daß der belgische Untersuchungsrichter Jacques Pignolet ihm in Luxemburg nichts anhaben kann, “doch der Druck nimmt täglich zu”. Vor allem aber macht es Nicolas zu schaffen, daß er kaum mehr arbeiten kann, seit er sich nicht mehr außerhalb des Landes bewegen darf. Seine drei Anwälte, die unentgeltlich für ihn arbeiten, bereiten derzeit eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor. Seinen Hunger hat Nicolas noch nicht verloren. Url

Dabei hat seine Familie allein in den vergangenen vier Jahren drei aus Belgien angeordnete Hausdurchsuchungen erlebt. (…) Url

“Sogar meine Schuhe haben sie beschlagnahmt”, spottet er. 1997 kamen sie, um die Fahnen für sein nächstes Buch “Les protecteurs” – “Die Beschützer” – zu beschlagnahmen. Seine Frau versteckte belastende Dokumente derweil im Katzenklo. Selbst der König, dessen Konterfei auf dem Umschlag in Gestalt einer Banknote prangt, wird darin schwerer Vergehen bezichtigt. Url

Sein 2001 bei einem großen französischen Verlag erschienenes “Dossier pédophilie” löste ein ähnliches Beben aus. Url

“Wenn wir von Königen sprechen”, feixt Nicolas, “dann reden wir bestimmt nicht von Hochzeiten.” Die eine Frage jedoch, um die im Zusammenhang mit den Verbrechen niemand herumkommt, kann nur ein Mann beantworten. Nur Marc Dutroux könnte sagen, ob er als Einzeltäter handelte oder ob hinter ihm ein schützendes Netzwerk stand und womöglich noch steht. Dutroux aber sitzt im Gefängnis von Arlon und schweigt. (…) Url

Auch die Bildzeitung kommt in einem Interview auf den internationalen Haftbefehl zurück: Url

BILD: Sie meinen, es gibt viel mehr Beteiligte am Dutroux-Kinderporno-Ring, mehr Täter und Mitwisser als bisher bekannt? Url

Jean Nicolas: Es gibt beispielsweise viele deutsche Spuren in den Dokumenten. Etwa viele Telefonnummern in Bayern, Beweise über Verbindungen von Dutroux‘ Netzwerk nach Deutschland und Frankreich. Noch im letzten Jahr sind Leute bei einigen dieser Rufnummern in Bayern selbst ans Telefon gegangen…. Url

BILD: Sie meinen also, die Rufnummern, möglicherweise auch die Namen von Deutschen, die mit dem Kinderporno-Ring in Verbindung stehen, sind seit Jahren der belgischen Justiz bekannt – und bis heute ist nichts geschehen? Url

Jean Nicolas: Ich bin kein Polizist. Und ich bin auch nicht dazu da, der Polizei zu helfen. Ich bin ein Journalist. Meine Aufgabe ist das Aufdecken von Sachen, die einfach still unter den Teppich gekehrt werden sollten. Url

BILD: Sie bieten das Dossier auf Ihrer Internet-Seite an, gegen Geld. Url

Jean Nicolas: Wenn man als Journalist Neuigkeiten veröffentlichen will, Informationen besorgt, kostet das natürlich Geld. Ich bin ein ganz normaler Mensch, aber wenn ich Leuten über das Internet Zugang zu Informationen geben will, muss sich das auch rechnen. Url

BILD: Ein internationaler Haftbefehl der belgischen Justiz gegen Sie. Und Sie wohnen gerade einmal 5 Kilometer von der belgischen Grenze entfernt. Wie fühlen Sie sich? Url

Jean Nicolas: Es ist sicherlich besser, für einige Zeit in Luxemburg zu bleiben. Aber ich lache auch gleichzeitig darüber. Es ist einfach lächerlich, eine skurrile, lachhafte Geschichte. Url

BILD: Also Angst vor möglicher Rache wegen der Veröffentlichung haben Sie nicht? Url

Jean Nicolas: Das sieht gefährlich aus. Aber es hat einen Vorteil, der mich schützt: Wenn man weiß, dass ich was habe, weiss man auch, dass ich es anderen weitergebe. Mich kaputt zu machen, hat daher wenig Sinn, sonst werden meine Dossiers und Entdeckungen ja noch gefährlicher. Das einzige, was mir manchmal wehtut, ist die Art und Weise, wie man mich verunglimpft, meine Kinder, meine Frau mit reinziehen will. Aber meine Familie ist stolz darauf, was ich tue. Das motiviert. Url

Ein sehr interessantes Interview zu dieser Thematik erschien ebenfalls in der Welt am Sonntag. Spiegel online berichtete ebenfalls (siehe Anhang für beide Artikel)… Url


In ihren ersten Aussagen erzählt Sabine, dass sie von Dutroux “in ein schönes, grosses weisses Haus” geführt worden wäre. Es ist die Zeit, in der Staatsanwalt Bourlet mehrere Autobusse mit perversen belgischen Persönlichkeiten füllen wollte, um sie alle ins Zuchthaus zu befördern. Wenigen war die Aussage des jungen Opfers aufgefallen. Dutroux Anwalt Julien Pierre bemerkte seinerseits gegenüber dem Autor, dass dieses junge Mädchen in einem nicht gerade hochrangigem sozialem Umfeld aufgewachsen wäre und für sie ein beliebiges nettes und fein angestrichenes Häuschen zur Supervilla werden würde. Url

Danach wurde es still um Sabine und es war Laetitia, die Mitgefangene der Zwölfjährigen, die einige kühne Schritte in die Öffentlichkeit wagte. Schritte, die Sabine nicht besonders gefielen. So entstand im Laufe der Zeit eine kleine Feindschaft zwischen den beiden Mädchen, die weniger auf Konkurrenz, als auf unterschiedlichen Auffassungen beruht. Url

Einerseits Laetitia, die eine offene und anfänglich konstruktive Zusammenarbeit mit der Presse pflegt. Die junge Frau, die sich entgegen aller Absprachen mit Regerungskreisen und Presse, nachdem sie immer mehr in Vergessenheit geraten ist, als Putzfrau in einem wallonischen Bahnhof wiederfand, wird dem von außen immer grösser werdenden Druck, der sie zum Schweigen bringen will, nicht standhalten und im Jahre 2002 alle Brücken zu Presse und Journalisten abbrechen. Url

Eine Mitarbeiterein des Autoren, Caroline Mangez, Journalistin für Paris Match, wird Zeugin dieses enormen Drucks werden, als sie im Sommer 2002 eine Verabredung mit Laetitia trifft und sich nach Bertrix begibt. Url

Anfänglich sollte Laetitia Delhez uns Rede und Antwort für dieses Buch stehen. Ob des internationalen Haftbefehls, der von der belgischen Justiz gegen den Autoren erlassen worden war, war es mir nicht mehr möglich, mich persönlich nach Bertrix zu begeben, um diese Zeugin zu befragen und ihre Geschichte zu erzählen. Da ich zu der Zeit zusammen mit Caroline Mangez, “grand reporter” bei Paris Match, an einer Geschichte über Dutroux arbeitete, empfahl es sich, die junge Kollegin zu der Verabredung zu schicken. Url

Im Mai 2002 trafen wir uns in meinem Büro in Luxemburg, um die Recherchen und das Gespräch vorzubereiten. Am frühen Nachmittag verliess die französische Journalistin mein Büro und fuhr zuerst nach Brüssel, wo sie am selben Tage noch eine Verabredung mit einem Informanten für unsere Recherchen hatte. Url

In Brüssel angekommen, bemerkte Mangez sehr schnell, dass sie von zwei Männern, die absolut nichts taten, um unbemerkt zu bleiben, verfolgt wurde. Url

“Die beiden Männer fielen mir sofort auf”, erzählt Caroline, die bereits im Jahre 1998 eine bemerkenswerte und für den belgischen Staat sehr kompromettierende Reportage veröffentlicht hatte. Sie war also bestimmt keine Unbekannte für die belgische Justiz und ihre Anwesenheit in Belgien schien für Besorgnis zu sorgen. Dies umso mehr, da sie mit dem Autoren, Staatsfeind Nummer eins in Belgien in Sachen Pädophilie, zusammen arbeitete. Url

“Ich wollte natürlich sicher sein, dass die beiden Unbekannten mich überwachten” berichtet Mangez weiter. “Ich schlenderte langsam durch eine Strasse im Zentrum Brüssels und ging urplötzlich in irgendein kleines Geschäft hinein. Ich sah mich während einigen Minuten um und ging dann wieder hinaus. Beide Männer hatten geduldig draussen auf mich gewartet und nahmen die Verfolgung wieder auf. Sie taten dies in einer Art und Weise, die mir deutlich machen sollte, dass sie hinter mir her waren. Ich ging nochmals in ein Geschäft hinein und dasselbe Szenario wiederholte sich. Ich beschloss dann, meinen Informanten nicht aufzusuchen und begab mich zu einer Freundin, die auf extraterritorialem Gebiet wohnt und wo ich folglich eine ruhige Nacht verbringen konnte.” Url

Mangez hat mir dieses unnachahmliche Gefühl beschrieben, das ich so gut kenne und das darin besteht, psychologischen Druck auf den Journalisten auszuüben und ihm seine investigative Arbeit unmöglich zu machen. Mangez bezeugte davon, dass Solches ihr nicht einmal in dem Maße bei Reportagen in Tchetschenien oder Afghanistan passiert ist. Url

“Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg von Brüssel nach Bertrix. Die Angst fuhr mit im Wagen, denn ich kannte inzwischen die Methoden der belgischen Justiz und dies nicht nur wegen dem, was Jean Nicolas angetan worden war. Denn schon Ende Zweitausend hatte der in Sachen Dutroux ermittelnde belgische Polizeibeamte Pierre Colson mich in Paris kontaktiert und mich zum Verhör nach Brüssel bestellt. Er wollte wissen, wie ich an die Dutroux-Akte gekommen wäre, deren Besitz für Nicolas einen Haftbefehl mit sich brachte. Ich hütete mich natürlich, mich nach Brüssel in die Hände der belgischen Justiz zu begeben. Einige Wochen später saß mir Colson in Paris in einem Büro der dortigen Justizpolizei gegenüber und dies auf Basis eines internationalen Rechtshilfegesuches. Url

Er befragte mich nach meinen Quellen. Ich erklärte ihm, dass das französische Gesetz mir erlaubt, diese Quellen zu schützen und ich dachte bei mir, dass die Belgier viel mehr Energie aufwendeten, um die Quellen einer Journalistin herauszufinden, als die Wahrheit in der Affäre Dutroux festzustellen. Ich hatte selbst telefonisch mit Laetitia Delhez gesprochen und diese hatte sich bereit erklärt, mit mir ein längeres Gespräch zu führen. Als ich an der Tür ihres Hauses mitten in Bertrix klingelte, öffnete Laetitia. Sie schien unruhig. Url

‘Ich bin Caroline Mangez und komme für unser Gespräch’, stellte ich mich vor. Url

‘Ich will nicht mehr über diese ganze Sache reden’, antwortete mir die junge Frau, die am Vortag noch so kooperativ gewesen war.” Url

“Die Erinnerungen an die Untersuchungen des Polizisten Colson, die Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten des Jean Nicolas mit der belgischen Justiz und das gestrige Erlebnis mit den beiden mir folgenden Polizisten schossen mir durch den Kopf. Ich versuchte überhaupt nicht mehr, Laetitia zu überzeugen, mit mir zu reden, sondern suchte sofort mein Heil in der Flucht”, erzählt Caroline Mangez, die sehr schnell mit ihrem Leihwagen die wenigen Kilometer, die Bertrix von der französischen Grenze entfernt ist, zurücklegte und aufatmetete, als sie wieder in ihrem Lande war.

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Mangez ist danach niemals mehr nach Belgien zurückgefahren. Url

Sabine, nach ihren dramatischen Erfahrungen im Keller des Hauses von Marc Dutroux, wird nach einigen Tagen Freiheit den Kontakt zur Presse abbrechen. Während sieben Jahren wird sie schweigen. Aus dem Kind wird ein junges Mädchen und dann eine junge, selbstsichere Frau. Als sie schliesslich mit einem Mitarbeiter des Autoren redet, sowie den Kontakt zur belgischen Presse förmlich sucht, interessieren ihre Aussagen die belgischen Medien allerdings vor allem in Bezug auf das in Belgien als unrealistisch eingestufte Netzwerk des Monsieur Dutroux. Url

Trotz aller Hinweise in diese Richtung, trotz einer überwiegend gravierenden Beweislage, trotz den Berichten des ersten Untersuchungsrichters und des heute noch immer zuständigen Staatsanwaltes, will Sabine, nachdem sie aus ihrem Schweigen herausgetreten ist, nichts (mehr) wissen von irgendwelchen Kunden, denen sie Dutroux angeboten hätte. Url

Erschreckend sind ihre diesbezüglichen Aussagen. Denn die junge Frau redet heute wie im Trance, wenn sie über Verbindungen von Dutroux zu möglichen Kunden befragt wird. Solange sie ihren dramatischen Leidensweg erzählt, spürt man, dass das Erlittene, das zum Bericht wird, voller Emotionen ist, dass sie ehrlich und bewegt redet, dass die Geschichte ihr nahe, sehr nahe geht. Sobald allerdings das noch nicht Bewiesene erörtert werden soll, blockt sie ab wie ein Regierungssprecher. Nein, sie ist nie von Dutroux “ausgeliehen” worden; nein, sie war nie ausserhalb der Spelunke von Marcinelle. Ja, sie wurde nur von Dutroux missbraucht. Nein, sie hat nie andere Männer während ihrer Gefangenenschaft gesehen. Url

Glaubwürdig oder unglaubwürdig? Verdrängt sie abscheuliche Erinnerungen oder redet sie unter Druck, plappert praktisch das nach, was man ihr vorgegeben hat? Schwer zu beurteilen. Url

Es gibt allerdings eine unübersehbare Spur, die andeutet, dass Sabine nicht über alles reden will und sie entweder stark traumatisiert ist oder Druck auf sie und ihre Familie ausgeübt wurde und wird, damit ihre Aussagen entschärft wirken. Url

Sabine wurde befragt, ob Dutroux – der laut eigenen Akten und in mehreren Verhören die uns vorliegen, das Hilfsmittel Rohypnol erwähnt – sie nicht mittels dieses Medikamentes ohne ihr Wissen missbraucht haben kann oder anderen Personen zum Missbrauch zugeführt haben könnte. Url

Die Wirkung von Rohypnol ist allseits bekannt. Es versetzt die Opfer in einen schlafähnlichen Zustand, der es allerdings erlaubt, dass sich das ausgenutzte Mädchen in einem normalen physischen Wachzustand befindet, alles über sich ergehen lässt, ohne allerdings in vollem Bewusstsein zu handeln. Ist die Dosis hoch genug, dann erinnert sich das Opfer nachher an nichts, überhaupt nichts. Diese Behauptungen sind nicht nur wissenschaftlich belegt, sondern auch in der Praxis eindeutig bewiesen worden. Url

Sabine aber sagt, dass sie nie von Dutroux mit Rohypnol betäubt worden sei, dass sie also nie ohne ihr Wissen zu irgendeiner sexuellen Benutzung missbraucht wurde. Sie sagt dies nicht nur, sie behauptet es mit aller Kraft, sie schreit es praktisch aus sich heraus und… verträgt keinen Widerspruch, sei er auch noch so klein. Url

Es gibt allerdings heute Beweise, dass ausser den von Dutroux entführten und in der Zelle von Marcinelle eingesperrten Kinder noch andere Leute Zugang zu dem Kerker hatten. Während fünf Jahren verweigerte Untersuchungsrichter Marc Langlois die Untersuchung tausender von Haarproben, die im Verliess aufgefunden worden waren. Es bedurfte eines juristischen Streites zwischen Staatsanwalt Michel Bourlet und dem Untersuchungsrichter, ehe diese Expertisen vollzogen werden konnten. Url

Die Untersuchungen ergaben, dass ausser den eingesperrten Kindern, Dutroux, seiner Frau und Lelièvre, Haare von gut einem Dutzend anderer Menschen in der Zelle aufgefunden wurden. Es ist natürlich unmöglich, die zu diesen Haaren gehörenden Leute aufzufinden. Andererseits ist aber nicht zu wiederlegen, dass fremde und unbekannte Personen Kontakt zu den kleinen geschändeten Opfern hatten. Url

Eine der Wichtigsten wird die sechzehnjährige Sidonie sein, die er als dreiundzwanzigjähriger kennen- und lieben lernt. Er liebt, wie er selbst sagt, junge und noch ganz frische Mädchen. Sidonie spielt all seine kleinen perversen Spielchen mit und posiert für pornographische Nacktfotos. Noch immer hat er seine Ehefrau, Florence, treibts daneben häufig mit Sidonie und… flirtet weiter, immer noch in den Eishallen, mit anderen Mädchen. In einer dieser Hallen wird er 1981 seine zweite Frau, Michèle Martin, kennenlernen. Sie wird ihm zwei Kinder schenken und ihm total hörig werden. Url

Aber zuerst wird er 1980 zum zweiten Mal Vater mit Florence. Doch Familienleben interessiert ihn nicht mehr. Diebstahl und betrügerischer Autohandel sind jetzt seine Beschäftigung. 1983 verlässt er Florence und zieht mit Michèle Martin zusammen. Marc Dutroux ist nun 27 Jahre alt. Url

Alle moralischen Grenzen sind weg. Dutroux kennt nur noch seine eigenen Pulsierungen, seine egoistischen Interessen und seinen persönlichen Profit. Er betrügt die sozialen Kassen, lebt von Diebstahl und Betrug und sieht sich stundenlang Pornofilme an. Die angemieteten Filme werden immer härter. Seine Vorliebe: Filme, in denen Frauen den Wünschen und Perversitäten ihres männlichen Partners ausgeliefert sind. Sein äusseres Erscheinungsbild: ungepflegt, genauso wie sein Zuhause, das dem Chaos in des Vaters Wohnung ähnlich sieht. Seine Stärke: Schönrederei, die gut bei Frauen ankommt. Url

Anwalt Julien Pierre hat mir Marc Dutroux als einen sehr intelligenten Mann beschrieben, der sich persönlich um die Argumentation seiner Verteidigung kümmert und eine Vorliebe für sarkastische Wortspiele hat. Url

1984 wird Jérôme, sein erstes Kind mit Michèle Martin, geboren. Es ist ebenfalls das Jahr, in dem Marc Dutroux damit beginnt, die Hörigkeit seiner Frau total auszunutzen: Er schlägt sie, zwingt sie zu den komischsten Sexspielereien und macht aus ihr eine Sklavin und sein Objekt. Seine Gewalttätigkeit greift auch auf das Kind über. Url

Martin spricht nach ihrer ersten Festnahme 1986 von Dutroux in folgenden Worten: Url

“Ich musste lernen, durch ihn zu denken(…), er dressierte und manipulierte mich(…), Frauen sind für ihn minderwertige Lebewesen.” Url

Am 9. Juli 1983 begeht Dutroux seine erste schwere Straftat. Mit einem Komplizen, der nie identifiziert wird, begibt er sich mit dem blauen Opel Kadett seiner Frau nach Haine-Saint-Pierre, in der Nähe von La Louvière. In der Rue de l‘Harmonie sucht er mit dem Komplizen und Thierry D., der den Tip gab, die Wohnung von Flora Doniaut auf, eine achtundfünfzigjährige Junggesellin, die allein in ihrem Haus wohnt. Url

Über das unbewohnte Nachbarhaus gelangt die Bande in die Wohnung. Nylonstrümpfe werden übergezogen und die Frau, die mit ihrem Nachtkleid bekleidet ist, wird von den drei Ganoven überrascht. Dutroux bedroht die Frau mit einem Revolver, während die beiden Komplizen das Haus durchwühlen. Aber sie finden nur einige hundert Franken. Dutroux will die gefesselte Frau zum Reden bringen. Er reisst ihr das Nachthemd vom Leib und steckt ihr zwei seiner Finger in die Vagina. Danach nimmt eine “Baionnette” denselben Weg. Die Frau gibt nach und erzählt, wo 70.000 Franken (1.750 Euro) Ersparnisse sowie verschiedene Schmuckstücke versteckt sind. Url

Am 1. März 1985 wird Marc Dutroux, der von seinem Komplizen Thierry D. verraten wurde, festgenommen. Er muss wegen Mangels an Beweisen am 2. April freigelassen werden. Mehr denn je glaubt Dutroux jetzt an seine Unbesiegbarkeit. Url

Er wird zum zweiten Mal im Februar 1986 festgenommen. In der Zwischenzeit hat er zahlreiche kleine und grosse Diebstähle begangen. Autos, Strassenrestaurants (Friteries), Baustellen, Caravans, Sportplatzbuden. Url

  • In der Nacht vom 1. zum 2. Dezember 1985 gelingt ihm sein bisher grösster Coup: Auf einer Baustelle bei Gilly erbeutet er Mobiliar für rund 750.000.- (17.500 Euro) die sich in der Galerie Saint-Roch befanden, dem Arbeitgeber von Marc Dutroux zehn Jahre vorher.
  • Am 31. Januar 1985 hat Dutroux bereits seine erste Vergewaltigung hinter sich. Um 17 Uhr verlässt die Studentin Joëlle C. den Zug in Obaix. In der Rue de la Commune wird sie vom Beifahrer eines dunkelroten Toyota Carina, den Dutroux am 27. Januar gestohlen hatte, in den Wagen gezerrt. Auf dem Hintersitz wird sie festgehalten und ihr werden die Augen zugeklebt. Ein Müllabladeplatz dient als Dekoration für Nacktfotos in pornographischen Posen, zu denen sie gezwungen wird. Danach wird sie vom Beifahrer (Dutroux) defloriert und vergewaltigt. Schliesslich wird sie zurück zum Bahnhof in Obaix gefahren, wo Dutroux ihr noch 100 Franken (25 Euro) aus ihrer Brieftasche entwendet.
  • lm Frühjahr 1985 entführt Dutroux mit dem Komplizen Jean Van Peteghem zwei junge Mädchen vor der Gemeindeschule von Morlanwez. Die Jüngere wird von Dutroux vergewaltigt. Beide werden später bis praktisch vor ihre Haustür zurückbegleitet. Und das perverse Treiben geht munter weiter.
  • Am 26. Mai lernt Dutroux im Eispalast von Valenciennes die sechzehnjährige Isabelle B. kennen. Sie wird seine Geliebte, obschon sie weiss, dass er verheiratet ist und Kinder hat. Sie akzeptiert alle seine Spielchen, auch Nacktfotos.
  • Am 8. Juni 1985 gegen 23 Uhr nimmt Dutroux den Golf seiner Frau, nimmt Van Peteghem mit und erklärt ihm, dass er Lust auf ein junges Mädchen hat. Vor dem Schwimmbad von Gilly wartet er auf ein Opfer. Kinder spielen in der Eingangshalle, während die Eltern im Innern an der Bar stehen. Die kleine Laurence M., 11 Jahre, geht kurz vor die Tür. Van Peteghem kidnappt das Kind und zerrt es in den Golf. In einer elf Kilometer entfernten Garage wird das Kind von Dutroux defloriert und vergewaltigt, dann wieder bis praktisch vor seine Haustür zurückgefahren. Dutroux hat das Kind in einer wenig schönen Position photographiert und zeigt dieses Bild noch in der selben Nacht seiner Frau, Michèle Martin. Sie macht keinen Kommentar.
  • 17. Oktober 1985, 17 Uhr 30, Péronnes-lez-Binche. Die neunzehnjährige Studentin Céline S. wird von Dutroux in der Rue Vandervelde entführt. Er nimmt sie mit zu seinem Haus nach Marcinelle. Die Jungfrau wird vergewaltigt… und wieder bis praktisch vor ihre Haustür zurückgefahren.
  • 14. Dezember 1985, Charleroi an einem Samstagabend. Es ist schon dunkel und dieses Mal hat Dutroux ausser Van Peteghem auch seine Ehefrau Michèle Martin mitgenommen. Motiv: Kindesentführung. Am Bahnhof Charleroi-Sud übernimmt Martin das Lenkrad und man folgt dem Bus Nummer 52. lm Bus: Die Medizinstudentin Deborah N., genau 18 Jahre alt. Sie steigt um 19 Uhr bei der Haltestelle Nalinnes aus. Die beiden Männer überwältigen sie und entführen sie zu einem Dutroux gehörenden Haus in der Rue de Philippeville in Charleroi. Dutroux vergewaltigt sie noch am selben Abend, Van Peteghem tut dies am nächsten Tag.
  • Zwei Tage später ist dasselbe Trio wieder unterwegs. Morgens um Viertel nach sieben wird die fünfzehnjährige Odette J. auf dem Weg zur Schule in Pont-à-Celles verfolgt. Sie wird mit ihrem Fahrrad in den Kleinlaster geworfen. Während Martin das Kind bewacht, geht Dutroux eine Kamera und einen Videoapparat anmieten. Zusammen mit Martin und Van Peteghem wird das Kind in allen Positionen gefilmt. Dann lassen die zwei Komplizen Dutroux allein mit dem Mädchen, das vergewaltigt wird. Auch sie wird später nach Hause gefahren und bekommt noch 500 Franken (125 Euro) von ihm geschenkt.

Am Montag, den 3. Februar 1986, werden Dutroux, Van Pethegem und Martin verhaftet. Deborah N. hatte sich endlich entschlossen, als erstes Opfer eine Klage einzureichen. Untersuchungsrichter Jean-Claude Lacroix und die BSR aus Charleroi hatten keine Mühe, Dutroux und Van Peteghem als Täter zu identifizieren. Marc Houssier, einer der Beamten der Gendarmerie, die Dutroux verhören mussten: Url

“Ein kalter Bursche, der kein Wort zuviel sagte und der vor allem das Unrecht, das er tat, nicht realisierte. Er hat nie auch nur den Anschein eines Gewissensbisses geäussert.” Url

Am 27. Mai 1986 schreibt der untersuchende Psychiater über Marc Dutroux: Url

“Er gesteht nichts (..) Während unserer Gespräche ist er entspannt, lächelt und gibt den Anschein, aus dieser Sache herauskommen zu können. Nichts kann ihn durcheinanderbringen, weder die Geständnisse seiner Lebensgefährtin, noch seines Komplizen, noch die Beweise aus seiner Akte. 1985 war er schon in einer ähnlichen Lage und er kam raus (…). Er verhindert jede seriöse Analyse seines Verhaltens.” Url

Eine Sozialarbeiterin, die mit ihm im Gefängnis arbeitet, beschreibt in folgendermaßen: “Ein intelligenter und geschickter Mann. Er gebraucht die Existenz seiner Kinder, um sich Vorteile zu verschaffen.” Marc Dutroux wird zu 13 Jahren und 6 Monaten Gefängnis vom Gericht in Mons verurteilt. 1992 wird er von Justizminister Melchior Wathelet frühzeitig entlassen. Diese vorzeitige Entlassung wird dem damaligen belgischen Justizminister noch heute vorgeworfen. Url

Man kann nicht verstehen, warum ein Justizminister einem solchen Strafgefangenen dieses Geschenk gemacht hat und weshalb Belgien in den neunziger Jahren Wathelet für den Posten eines Richters am Obersten Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg vorschlug. Obschon das europäische Reglement vorsieht, nur Magistraten mit lückenloser juristischer Vergangenheit auszuwählen und auch noch vorschreibt, dass die Kandidaten herausragende juristische Leistungen vorzeigen können, boxt Belgien den durch Dutroux vorzeitiger Entlassung kompromittierten Justizminister durch. Url

Nach seiner Freilassung zieht Dutroux im Haus in Marcinelle, Chaussée de Philipville 128, wo auch Michèle Martin wohnt, ein. Das Haus, in dem er seine meisten Vergewaltigungen begangen hat! Url

Anfänglich respektiert er die Konditionen seiner vorzeitigen Entlassung. Er schreibt sich im Arbeitslosenfond ein… und arbeitet schwarz als “Bauunternehmer”, wie er sich ausgibt. Erst 1995 bemerkt die Verwaltung Dutroux Betrügereien und dies nur, weil jemand ihn verraten hat. Erst 15 Monate später wird die Akte in der Verwaltung studiert. Url

Der arbeitslose Dutroux kauft Häuser: Url

  • Marcinelle: 250.000.-
  • Marchienne Dorcherie: 300.000.-
  • Mont-sur-Marchienne: 350.000.-
  • Sars-la-Buissière: 1.850.000.- (mit Bankkredit)

Und seine kriminelle Karriere läuft weiter: Url

15. November 1992, Eishalle Olympic in Charleroi: Zwei kleine Mädchen werden von Dutroux belästigt und angefasst. Die Polizei verhört ihn, unternimmt aber nichts. Url

Ende Oktober 1992 erklärt Dutroux seinem Mieter Claude Thirault, mit dem er zusammenarbeitet: “Junge Mädchen sind frisch und verkaufen sich gut”. Und er erläutert, dass die Arbeiten, die er in seinen verschiedenen Häusern ausführt, Zellen für zu fangende Kinder betreffen! Url

Am 7. April 1993 gibt das Sozialamt einen positiven Bericht über den frühzeitig freigelassenen Häftling und sein Benehmen ab. Url

Am 24. September kommt ein zweites Kind der Eheleute Dutroux-Martin zur Welt: Kevin. Url

  • April und Mai 1993. Zehn Einbrüche in der Umgebung von Marcinelle.
  • Juli 1993: Diebstahl bei Jacques N. in Roux.

Am 5. November 1993 unternimmt Untersuchungsrichter André-Jules Lorent eine Untersuchung unter der Nummer 1003/93. Am 8. November werden sämtliche Dutroux-Häuser durchsucht. Man stellt Diebstahlobjekte sicher und fotographiert die suspekten Transformationen in verschiedenen Häusern. Dutroux wird observiert (opération décime). Er stiehlt weiter: Url

  • 6. Juni 1994: Baustelleneinbruch. Hausdurchsuchungen erneut am 13. Juni.

lm März 1994 gibt das Justizministerium ein positives Gutachten über Dutroux’ Benehmen in Freiheit ab. Url

Die Jahre 1995 und 1996 nützt Dutroux dazu, verschiedene zwielichtige Personen, die heute in der “Affäre Dutroux” auftauchen, um sich zu scharen. Url

Es handelt sich vor allem um Albert Weinstein, Mikhael Diakostavrianos, Michel Lelièvre, Casper Flier, Michel Nihoul, Annie Bouty. Url

lm April 1994 begibt sich Dutroux mit Diakostavrianos nach Topolcany in die Slovakei. Dort vergewaltigt er (die Szenen wurden gefilmt und die Videoaufnahmen von den Beamten wiedergefunden) Eva Makova, 19 Jahre und deren Schwester, 16 Jahre, im Hause der Eltern. Eva kommt im Sommer 1995 nach Belgien. Sie wird später aussagen, dass sie nicht versteht, warum sie permanent, vom 29. Juli bis zum 1. August, geschlafen hat. In ihren Aussagen glaubt sie, für Pornoaufnahmen missbraucht worden zu sein. Url

Am Samstag, den 24. Juni, werden Julie und Mélissa entführt. Url

Aber es kommt noch schlimmer. Url

Seit dem 6. Dezember 1996 sitzt Marc Dutroux im Gefängnis in Arlon. Sowohl sein Vater als auch vor allem seine Mutter haben sich öffentlich, in Fernsehinterwiews und geschriebenen Presseerklärungen von ihm distanziert. Seine Ehefrau und Komplizin Michèle Martin hat einen Scheidungsantrag eingereicht. Sein einziger Kontakt zur Aussenwelt (ausser den Wärtern) bestand damals aus seinen zwei Anwälten. Url

Julien Pierre (40), Anwalt aus Lüttich und wohnhaft in der Nähe von Bastogne, war der Einzige, der das Pflichtmandat zur Verteidigung von Marc Dutroux annahm. Julien Pierre ist eine interessante und schillernde Persönlichkeit. Er kennt sich in schwierigen Fällen aus. Url

Er verteidigte einige hochinteressante Mandanten: Richard Taxquet, angeklagt und verurteilt wegen Mittäterschaft in der Mordaffäre Cools; Benoit de Bonvoisin, der “schwarze Baron”, angeklagt wegen mehrfachem Betrugs; Gilbert Preudhomme, Ex-Chef der Finanzsektion der “police judiciaire” aus Lüttich, angeklagt wegen Mittäterschaft in der Affäre des Aktienklaus im Kader des Mordes an André Cools; der Buchhalter der Brüder Falkenberg aus dem deutschsprachigen Belgien, angeklagt der Mittäterschaft Sondermüll unerlaubt entsorgt zu haben, usw, usf. Der Journalist Philippe Breways vom Soir Illustré wurde zu einer Entschädigung von 500.000 Franken (12.500 Euro) zugunsten von Julien Pierre verurteilt, weil er diesen als Sympathisanten der extremen Rechten in Belgien dargestellt hatte. Url

lm September 1997 holte Pierre einen zweiten Anwalt hinzu: François Robinet aus Nancy. Dieser Mann ist vor allem bekannt, weil er einer der Verteidiger der Eltern des vor Jahren in Frankreich im Fluss Vologne ermordeten kleinen Gregory war. Mehrere andere Anwälte gesellten sich zu Pierre und Robinet, bis Dutroux Ende 2002 sämtliche Anwälte entließ und sich eine neue, dreiköpfige Anwaltscrew zulegte. Url

Es stellt sich natürlich die Frage, wie alle diese Anwälte bezahlt wurden. Julien Pierre, der erste designierte Pflichtverteidiger, beteuerte uns exklusiv von dem eines Pflichtverteidigers zustehenden Honorars bezahlt worden zu sein und dieses mit seinen Kollegen geteilt zu haben. Es ist kaum vorstellbar, dass sämtliche juristische Berater Dutroux’ von diesen juristischen Almosen ihre Unkosten abgedeckt haben. Es gibt allerdings keine Beweise, dass Geld für die Verteidigung Dutroux aus anderen Richtungen einfloss. Url

Marc Dutroux mischt sich von Anfang an persönlich in die Gestaltung seiner Verteidigung ein. Er diskutiert mit und ist laut eigenen Aussagen einverstanden, eine saubere Verteidigung abzuhalten, die den Eltern der Opfer entgegenkommen soll. Seine einzige Bedingung: Er will kein Mörder sein und wird plädieren, dass er keines der Kinder umgebracht hat. Zu Zeiten von Julien Pierre sah Dutroux seinen Anwalt einmal im Monat, gewöhnlich am Vortage seines Erscheinens vor der “chambre du conseil”, die Monat für Monat über die Haftverlängerung entscheidet. Wenn es außerhalb diesem noch Wichtiges zu besprechen gab, besuchte Julien Pierre Dutroux Samstags oder sogar Sonntags. Julien Pierre sagt von Dutroux: “Er hat eine überdurchschnittliche Intelligenz, drückt sich gepflegt in Französisch aus und macht subtile Wortspiele.” Url

Im Jahr 1992 verbringen Dutroux und Michelle Martin ihre Ferien in Südfrankreich, in Marseillan, einem kleinen Hafen zwischen Sète und Montpellier. Url

Zwei Jahre später befindet sich Michel Diakostavrianos, der beschuldigte Komplize von Dutroux, auch in Montpellier, im Viertel Saint-Martin. Url

Im Sommer ist die Küste von Touristen überströmt, welche in den zahllosen Wohnwagen hausen, wo die vielen jungen unbesorgten Kinder denken, in Sicherheit spielen zu können. Url

Kein Zweifel, viele Belgier verbringen gerne die Ferien in Frankreich. Auch die, die am wenigsten empfehlenswert sind. Sicherlich beweist diese Daten- und Faktenverbindung nicht viel, aber sie zeigt immerhin, so wie die Tchernobylwolke, dass Pädophilie keine Grenzen kennt. Url

Fakten, die sich in Belgien abspielen und zu einem regelrechten Drama führen, bringen uns wieder nach Marseillan. Am 15. Juni 1996 wird in der Nähe des Wohnortes von Laetitia, der Leidensgenossin von Sabine, ein neunjähriger Junge von einem Porschefahrer angesprochen. Der Mann fragt nach einer Strasse, aber die vierzehnjährige Schwester, die einige Meter von ihrem Bruder enfernt steht, bemerkt sofort, dass irgendetwas faul ist. Dies umso mehr, da der mitgeführte Hund knurrt und immer nervöser wird. Das junge Mädchen ruft ihrem Bruder zu, sich sofort vom Wagen zu entfernen. Der Porsche macht sich von dannen. Im selben Moment bemerkt das Mädchen einen weissen Lieferwagen, der ganz langsam die Strasse in die entgegengesetzte Richtung befährt. Url

Einen Monat später, es ist Ende August, sendet das belgische Fernsehen zum ersten Mal Bilder des als Dutroux’ Komplizen vorgestellten Michel Nihoul. Sowohl der neunjährige Junge als auch das vierzehnjärige Mädchen erkennen in ihm den Porschefahrer wieder. Die Kinder informieren ihre Eltern. Die ganze Familie geht sofort zur Polizei. Von diesem Tag an wird die Familie mit Schwierigkeiten überhäuft werden. Url

Denn die untersuchenden Beamten glauben den Kindern nicht, obschon auch eine andere Familie aus der Ortschaft Bertrix an einem anderen Tag Nihoul erkannt hat und eine diesbezügliche Aussage unterschrieben hat. Schliesslich werden die Kinder sowie mehr als zehn andere Zeugen, die alle Nihoul in ähnlichen Szenen wiedererkannt haben, zu einer Gegenüberstellung gerufen. Mehrmals werden besagte Gegenüberstellungen in letzter Minute abgesagt, manchmal werden die Zeugen durch “technische Pannen” erst nach dem Tag der Gegenüberdarstellung zur Polizei bestellt. Url

Das Dossier der Affäre Dutroux läuft über von Informationen über “Stützpunkte” des belgischen Pädophilen und seiner Komplizen sowohl in Frankreich wie in Deutschland, Holland oder der Tschechei. Nicht-belgische Journalisten haben die Existenz der Vernetzung von Dutroux’ Bande und ihrem Land entdeckt. Aber, wie am Beispiel einer grossen deutschen Wochenzeitung erwiesen ist, wurden diese Journalisten und ihre Medien Opfer von politischem Druck aus Belgien. Ihre Geschichten erschienen nie. Warum? Diese Frage zu beantworten wäre totsicher der erste Schritt zu einer Verbesserung der Bekämpfung pädophiler Netzwerke. Url

Am 15 Oktober 2001 hat Der Spiegel, nach mehr als einem Jahr Recherchen des Autors, Dokumente und Informationen zu einer sechsseitigen Reportage unter dem Titel “Im Netz der Dossiers” benutzt. Url

“Er hat nicht mehr viel zu verlieren. Keinen Ruf, keine Zukunft, keine Würde. Also nimmt Marc Dutroux sich die letzte Freiheit. Er nässt sich ein. Er kackt sich voll. Wie ein kleines Kind.” Url

So beschreibt Alexander Smoltczyk, Reporter beim Spiegel, der mit dem Autor zusammengearbeitet hat, den belgischen Kinderschänder. Und erzählt und ergänzt dessen Geschichte und die seiner Opfer. Url

“Am 13. August 1996 wurde er verhaftet, nun sitzt Belgiens berüchtigster Häftling im Gefängnis von Arlon, im äussersten Südostzipfel des Landes. Ein Fluchtversuch im April 1998 wurde von einem zufällig vorbeikommenden Förster nach vier Stunden beendet. Seither hockt Marc Dutroux in seiner Zelle, legt Riesenpuzzles und schweigt. Url

Er hat zugegeben, seinen Kumpanen Bernard Weinstein betäubt und lebendig begraben zu haben. Teilnahmslos hat er zugesehen, wie die Polizei aus seinem Garten die geknebelten Leichen zweier kleiner Mädchen ausgrub, die Vagina der einen auf neun Zentimeter geweitet. Url

Dutroux hatte auch zugegeben, vier andere Mädchen von der Strasse in seinen Lieferwagen gezerrt und in einem selbst gebauten Kerker über Wochen gefangen gehalten zu haben. Vergewaltigt zu haben. Er habe mit ihnen ein Leben ausserhalb der Gesellschaft führen wollen, hat er gesagt. Url

Nur er weiss, ob er wirklich auf eigene Rechnung gearbeitet hat oder ob hinter ihm ein schützendes Netzwerk stand und womöglich noch steht. Der Prozess steht noch aus. Url

Aber Marc Dutroux schweigt, lernt für ein Studium der Mathematik und Geschichte und sagt kein Wort. Nur wenn er aus seiner Zelle zum Richter nach Neufchâteau gebracht wird, gibt er von sich, was niemand haben möchte, entleert seine Blase und seine Gedärme als letzten Akt des Widerstands. Die Wachen beschweren sich. Es stinkt im Mercedes- Transporter der Justiz, es stinkt im Büro des Richters, es pestet überall, wo Marc Dutroux den Fuss hinsetzt. Und jetzt weht ein Ruch sogar bis an die Tore des königlichen Palastes. (…) Url

Die Aussagen der X3 lesen sich wie vom Marquis de Sade im Koksrausch geschrieben: hochherrschaftliche Treibjagden auf Kinder, Rottweiler, bestialische Morde in Anwesenheit des Premierministers und des belgischen Hochadels, einschliesslich des Königs Baudouin und seines Bruders, des damaligen Prinzen Albert. Die Beamten hörten sich die Ausführungen geduldig an. Dann klappten sie die Akten zu. Url

So bleibt als Hauptzeugin Christine D., eine in Scheidung lebende Mutter von drei Kindern, die 1981 bei einem Abendessen von ihren Gruppensex-Erfahrungen im Golfclub von Waterloo erzählte. Dabei lief heimlich ein Tonband mit, weil ein Nervenarzt Belastendes gegen seine Frau sammelte, die ebenfalls im Golfclub verkehrte. Url

Laut Tonbandabschrift beschuldigte Christine D. einen Familienrichter A., zwei Kinder aus seiner Obhut zu den Orgien mitgebracht zu haben. Eine Mitwisserin sei durch Manipulation ihres Wagens umgebracht worden. Zitat: “Der Prinz Albert ist in die Geschichte verwickelt. Er ist über alles auf dem Laufenden und verlangt, dass alle dichthalten. Er hat A. gesagt: Ich decke Dich.” Url

Der Spiegel widmet sich dann dem vermeintlichen Auftraggeber von Marc Dutroux, dem Mitbeschuldigten Michel Nihoul. Url

“Das ist die belgische Krankheit”, sagt einer, der selbst infiziert ist: Michel Nihoul. “Jeder besitzt über jeden ein belastendes Dossier, um es bei passender Gelegenheit als Druckmittel einzusetzen.” Url

Nihoul ist eine der windigsten Figuren der Dutroux-Affäre. Der ehemalige Fischhändler und Bankrotteur hat kurz vor einer Kindsentführung auffallend häufig mit Dutroux telefoniert. Bis heute behauptet er, es sei bei den Telefonaten nur um sein kaputtes Auto gegangen. Ein Gespräch wurde von der Polizei aufgezeichnet: “Wenn Lelièvre (der Helfer von Dutroux) mich reinlegt, werde ich ihn kriegen.” Nihoul wurde als mutmasslicher Komplize kurz nach Dutroux verhaftet, konnte aber nur wegen Betrugs und Unterschriftenfälschung verurteilt werden. Heute lebt er im Brüsseler Stadtteil Jette, in einem Hochhausblock mit integrierter Polizeiwache. Url

Michel Nihoul wartet am Ende des Flurs, auf einen Stock mit Silberknauf gestützt und hat die kalten Augen eines Fisches. Mit der Geste des Grandseigneurs bittet er in die Zweizimmerwohnung ohne Bad, richtet das Einstecktuch an seinem Anzug und fängt an, mit Timbre und wohlgesetzten Worten über seine Unschuld zu reden. Url

“Mancher mag Sex mit Fünfzehnjährigen, mancher mit Zwölfjährigen, mancher mit Dreijährigen. Ich nicht. Mit Kindern habe ich nie etwas angestellt. Ich liebe Kinder.” Url

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Der Mann sieht ungesund aus, blass und aufgedunsen wie gerade aus dem Wasser gezogen. Er strömt den Geruch von süssem Parfüm aus. Auf dem Sofa sitzt seine Lebensgefährtin Marleen, eine nicht unsympathische, stark gehbehinderte Blondine mit auffälliger Oberweite, die Nihoul bei einer Orgie kennen gelernt hat. Die beiden sind schon so lange zusammen, dass ihre Sätze ineinander haken wie die Teile eines Reissverschlusses. Url

Es gebe kein Netzwerk, sagen die beiden. Dutroux habe die Mädchen nur “pour sa propre consommation” eingefangen, “zum persönlichen Verzehr”. Url

Ein professioneller Ring hätte die Mädchen doch längst beim Besteller abgeliefert. Er selbst sei übrigens ein geborener Händler, sagt Nihoul. Url

Aus den Ermittlungsakten geht hervor, dass Dutroux sich von ihm beraten liess, wie man in den Mädchenhandel einsteigt. Nihoul habe ihm geraten, Sado-Maso-Partys zu veranstalten. Das bringe mehr ein. “Ich dachte natürlich, der redet von Erwachsenen”, sagt Nihoul. “Aber das glaubt ihm ja niemand”, sagt Marleen vom Sofa herüber und schüttelt traurig den Kopf. Url

“Dutroux bot mir Osteuropäerinnen an. Schon möglich, dass er andere Pläne mit mir hatte. Aber er wurde vorher verhaftet”, sagt Nihoul. Er atmet schwer beim Reden und schwitzt Parfüm. Url

Dann erzählt er von früher. Wie er und Marleen Gruppensex-Partys veranstalteten, “aber mit Stil!”, an denen einflussreiche Politiker und Beamte teilnahmen. Im Club “Le Dolo” oder im Mietschloss Faulx-Les-Tombes bei Namur. Von diesen Belustigungen soll es Fotos und Filmaufnahmen geben. Nihoul kokettiert gern mit seiner Gästeliste. Einer der ersten Sätze ist gewesen: “Ich habe die Regierung in der Hand.” Url

Er ist eben ein Händler. Er handelt mit allem, was ihm in die Finger kommt. Mit Fischen, mit Pillen, mit Frauen und in jüngster Zeit notgedrungen mit Geschichten. Ein Interview kostet 1.000 Mark: Url

“Legen sie noch 20.000 drauf, und ich liefere Ihnen einen amtierenden Minister, der in einen Mord verwickelt ist.” Angeblich alles beweisbar: “Ich kenne den Mörder und lasse ihn beim Minister anrufen. Sie hören mit, okay?” Url

Dann bittet Nihoul, das Aufnahmegerät abzuschalten, und senkt die Stimme. Es gebe da noch ein Sonderangebot. Für eine sechsstellige Summe. “Denn dann müsste ich Belgien verlassen. Ich gebe Ihnen das Foto, auf dem der damalige Prinz Albert gerade ein 16-jähriges Mädchen bespringt. Nackt. Aufgenommen im zweiten Stock des Mirano-Clubs vor 20 Jahren. Na?” Url

Der Bericht von Smoltczyk widmet sich auch den Pannen der Untersuchung: Url

Auf der Suche nach den beiden verschwundenen Mädchen Melissa und Julie durchsucht ein Gendarm das Haus von Dutroux. Ihm ist bekannt, dass der Hauseigentümer ein verurteilter Serienvergewaltiger ist. Die Polizei hat ausserdem einen Hinweis bekommen, dass Dutroux ein Kellerverlies angelegt habe. Als der Gendarm durch die Wohnung läuft, findet er Ketten, Chloroform, Vaginalcreme und ein Speculum. Url

Dann hört er Kinderschreie. Und geht seiner Wege: Er habe angenommen, sagt er später, die Schreie seien von der Strasse gekommen. Es war ein kalter Wintervormittag. Die Strassen waren leer und alle Kinder in der Schule. Url

Ist das Komplizenschaft oder hoffnungslose Tumbheit? Den fasslungslosen Belgiern machte es im Herbst 1996 keinen Unterschied. Sie gingen zu Hunderttausenden schweigend auf die Strasse. Die “Weißen Märsche” sprachen einem Staat die Legimität ab, der sich als unfähig erweist, die Allerschwächsten zu schützen, aber wo Dutroux gleichzeitig entlassen wird, von Sozialhilfe lebt und jahrelang Kinder von ihren Fahrrädern zerren, einkerkern, missbrauchen und wegwerfen kann wie ein gebrauchtes Kleenex. Url

Sie hatten genug von den Kirchturmkämpfen zwischen Gendarmerie und Justizpolizei, vom Justizsystem, das nur deshalb aufgeblasen und wie ein Schnittmusterbogen organisiert ist, weil alle Klientelen, Regionen, Parteien bedacht werden müssen. Belgien taumelte damals zwischen dem real existierenden Surrealismus der Fahndung und den alptraumhaften Erzählungen von Opfern, die bei einer anonymen Telefonleitung der Polizei abluden, was sie bis dahin im dunkelsten Winkel ihrer Psyche deponiert hatten. Plötzlich schienen überall im Land tote Kinder vergraben zu liegen. Url

Die Beklemmung steigerte sich, als immer mehr Menschen aus dem weiteren Umfeld der Ermittlungen ums Leben kamen. Url

Ein Schrotthändler wollte über das Entführungsauto aussagen und wurde vergiftet aufgefunden, wenig später verbrannte seine Frau. Eine Aktivistin der Kinderschutzbewegung stirbt bei einem Autounfall, kurz nachdem sie auf “snuff movies” gestossen war, Videos, auf denen die Ermordung von Kindern zu sehen ist. Der in Lüttich ermittelnde Staatsanwalt schoss sich eine Kugel in den Kopf, wenige Stunden, nachdem er vom neuen Justizminister Marc Verwilghen freie Hand für seine Ermittlungen bekommen hatte. Url

Alles nur Zufall? Oder der Hinweis auf ein mächtiges Kartell? Fragen ohne Antworten untermauern nur die Gewissheiten der Gläubigen. Url

Regina Louf ist eine handfeste junge Frau, die in der Nähe von Gent, am Rande der Europastrasse 17, eine Hundezucht betreibt. Sie ist auffällig kleingewachsen. Ihr weiss getünchtes Haus ist voll mit Familienfotos in herzförmigen Rahmen und Engelsfiguren. Es riecht nach Hund. Auch damals hätten die Männer manchmal Hunde dabeigehabt, sagt sie. Url

Die Welt wäre besser, wenn Regina Louf verrückt wäre. Dann müsste man sich nicht fragen, was es für eine Achtjährige bedeutet, von der Grossmutter nach oben ins Zimmer mit der Nr. 7 geschickt zu werden, wo der Onkel mit dem haarigen Bauch wieder seine Hose ausziehen wird. Dann könnte man den Schrecken in eine andere Welt abschieben, aus der keine Schreie herüberdringen. Url

In Belgien gibt es kaum jemanden, der diese Frau nicht kennt. Wenn nicht als Regina Louf, dann als “X1”. Unter diesem Tarnnamen wurde sie 13-mal ausgiebig vernommen. Die Protokolle gingen als “Dossier X” in die lange Geschichte des Falles Dutroux ein. Url

Die familiäre Herkunft von Regina Louf passt in zwei Sätze: “Meine Mutter ist von ihrem Vater missbraucht worden, einem Polizeikommissar in Knokke. Ich bin von meiner Mutter vermietet worden, mit Wissen meines Vaters.” Sie wollte ihren eigenen vier Kindern diese Tradition ersparen. Deswegen, sagt sie, habe sie sich den Verhören ausgesetzt: “Der Fluch sollte ein Ende haben.” Url

In teilweise nächtelangen, alptraumhaften Sitzungen hat X1 den Ermittlern von sadomasochistischen Orgien erzählt, bei denen Kinder gefoltert worden seien, sie hat Orte und Namen gennant. Seit damals, sagt sie, sei sie auch nicht mehr gewachsen. Die Geschichten der Regina Louf waren in grossen Teilen keine Informationen, sondern Bilder, die aus einem Sturm der Gefühle aufblitzen. Verschlüsselte Botschaften aus einer verdrängten Zeit, keinesfalls in sich stimmige Berichte, die man nur zu überprüfen bräuchte. Url

Doch anders als bei der anonymen Zeugin X3 gab es etwas, was die Ermittler irritierte. Regina Louf beschrieb detailliert einen Sexualmord, der starke Ähnlichkeiten mit dem nie ganz aufgeklärten Tod der Christine Van Hees hatte. Die 16-Jährige war im Februar 1984 verbrannt und gefesselt im Keller einer alten Champignonzucht gefunden worden, nahe der Uni, am Boulevard des Triumphes. X1 konnte den längst abgerissenen Tatort präzis beschreiben und erwähnte Einzelheiten, die nie bekannt geworden waren. Etwa einen Metallstift, der im Handgelenk der Toten steckte. Url

Doch diese Frau hat den Anfeindungen standgehalten und den Blick in eine andere Welt ermöglicht, die auch ohne Dutroux weiter existieren wird. Wo man sich Kinder in der eigenen Familie und im Freundeskreis besorgt, ohne ein sonderliches Risiko eingehen zu müssen. Sie sagt: “Diese Menschen werden Pädophile genannt. Es sind Pädokriminelle. Sie lieben keine Kinder. Sie wissen nur, dass Kinder sich nicht wehren gegen einen Erwachsenen und dass Kindern nicht geglaubt wird.” Es müssen auch keine Politiker, Juristen, Prinzen sein. “Das sind sehr normale, durchaus intelligente Menschen mit guten Manieren und Bausparverträgen.” Keine Monstren. Url

Die Welt wäre besser, wenn Regina Louf verrückt wäre. Sie ist es nicht. Url


Die Eltern, kleine Geschäftsleute, werden sowohl geschäftlich als aus auch privat unter Druck gesetzt: Drohbriefe, anonyme Telefonanrufe, usw. Url

Nach einigen Monaten gibt die Familie auf und zieht in den Süden Frankreichs um, in ein kleines Haus, das der Mutter der beiden Kinder aus einer Erbschaft gehört. Der Ort, wo die Familie ansässig wird, heisst Marseillan. Url

Schlechter hätte die Familie ihren Umzugsort nicht wählen können. Denn Marseillan ist eine Anlaufstelle des Netzes von Marc Dutroux. Und wieder ist die Hölle los für diese belgische Familie: Telefonanrufe, Briefe, mysteriöse Besucher, die sich um das Haus herumtreiben usw… Url

Nachdem besagte Familie auf allen Ebenen in Belgien versucht hat, Hilfe zu bekommen, nimmt sie Kontakt mit dem Autor auf. Wir fahren sofort nach Marseillan. Wir brauchen nicht lange, um die Stelle wiederzufinden, wo längere Zeit ein von Dutroux benutzter Lieferwagen regelmässig herumstand. Wir fahren mit der Familie in der Gegend herum und haben Kontakt zu mehreren uns und der Familie unbekannten Zeugen, die sich alle einig sind, Dutroux in diesem Ort gesehen zu haben. Im Grunde genommen hat unsere banale Kontrollaktion, für die wir insgesammt drei Tage brauchten, die Aussagen der belgischen Familie mehr als belegt. Und wir konnten mit eigenen Augen und Ohren feststellen, dass es im Falle Dutroux ein Netzwerk gibt, und dieses sich über mehrere europäische Länder erstreckt. Url

Dutroux “arbeitet” also auch in Frankreich. Deutschland gehört ebenfalls, laut den Ermittlungen des Untersuchungsrichters in Neufchâteau, zum Einzugsgebiet von Marc Dutroux und seiner Bande. Url

Ein anderer Komplize von Marc Dutroux heisst Lucien Vial. Wenn wir diesen “Kinderhändler” hier erwähnen, so tun wir dies wegen seiner grossen Ahnlichkeit mit Michel Nihoul. Vial, dessen Sündenregister mehrere Seiten in den Polizeiakten füllt, hatte auch regelmässige Beziehungen nach Deutschland, was die Liste der von ihm angerufenen Telefonnummern im Polizeidossier eindeutig belegt. Zu diesem Netzwerk von internationalen Kinderhändlern gehörten ebenfalls Jean Paul R., sowie die Gebrüder M. Url

Es ist heute von der Sonderkommission Neufchâteau erwiesen, dass Lucien Vial Kinder bei deren Eltern für 1.250 Euro mietete, um sie dann an Kunden weiterzugeben. Es könnte durchaus möglich sein, dass Julie, Mélissa, Sabine, Laetitia und andere Mädchen von Dutroux entführt und “zugerichtet” wurden, um an diesem eintragsreichen Markt von Vials Netzwerk teilhaben zu können. Url

Eine Sonderkommission der Justiz aus Palermo hat ebenfalls zur selben Zeit Spuren gesammelt, aus denen hervorgeht, dass sogennante mafiöse Strukturen und organisierte Eltern und Grosseltern ihre Kinder an “Händler” aus Vials Einzugsgebiet vermieteten. Es handelte sich hier um realistisch gedrehte und knallharte pädophile Pornofilme. Desweiteren hat die belgische Polizei entdeckt, dass ein gewisser Di Giorgio junge Mädchen in Discos aufriss, sie betrunken machte und sie mit den in Getränken heimlich zugeführten Medikamenten drogierte, um sie dann zu Vial in Hotels zu führen, wo sie, wenn sie Glück hatten, nur vergewaltigt oder im schlimmsten Falle auch noch an andere Kunden des Netzwerkes weitergegeben wurden. Url

Di Giorgio wurde 1995 im belgischen Namur zu fünf Jahren Freitheitsstrafe wegen Vergewaltigung und Tortur verurteilt. Der Italiener war allerdings beim Urteilsspruch nicht anwesend. Die belgische Justiz hat den Kinderschänder und Vergewaltiger allerdings nie zur internationalen Fahndung mittels eines internationalen Haftbefehls ausgeschrieben. Sie scheint diese Prozedur lieber bei unbequemen Journalisten als bei verurteilten Tätern anzuwenden. Url

Dutroux Freund Vial, der logischerweise Marc Dutroux als Kinderräuber in sein weltweit operierendes Netz integriert hatte, beschäftigte ebenfalls den 1995 im brasilianischen Rio de Janeiro verstorbenen Didier Sizaire. Letzterer war ein Spezialist in Sachen Jagd auf Minderjährige, die von zu Hause geflüchtet waren. Sizaire nahm Kontakt zu den “Flüchtlingen” auf, schlug ihnen seine Hilfe vor und präsentierte eine Lösung, um einfaches Geld zu verdienen. Url

Die minderjährigen Jungen und Mädchen sollten für Werbefotos eines Weinhändlers zur Verfügung stehen. In Wirklichkeit wurden die Kinder, sobald sie sich im “Fotostudio” eingefunden hatten, mit Gewalt nackt ausgezogen, fotografiert, gezwungen, die obszönsten Positionen einzunehmen und, man möchte praktisch die Sache als natürlich bezeichen, vergewaltigt. Mehr als einmal wurden diese Bilder später als Erpressungsmittel benutzt, um die jungen Leute weiter gefügig zu machen und sie auch anderen perversen Kunden zuzuführen. Url

Nachdem Sizaire verstorben war, stellte Dutroux seinem Freund Vial die Gebrüder M. vor. Letztere übernahmen die Geschäfte von Didier Sizaire. Es bleibt hervorzuheben, dass mehrere Zeugen bei der belgischen Polizei ausgesagt haben, sie hätten sowohl Vial als auch Di Giorgio in der Rue de Philippeville in Marcinelle gesehen. Es ist jene Strasse, in der sich das Haus befindet, in dem Julie und Mélissa starben und Sabine und Laetitia im Keller gefangen gehalten wurden. Url

Belgien, Italien, Frankreich, Slovakei, Holland, Deutschland … die sexuellen Irrwege des Marc Dutroux und seiner Freunde sind supranational. Vial, Di Giorgio, Dutroux und einige andere Gestalten haben mit ihren Schandtaten eine grausige Spur durch Halbeuropa gezogen. Sie sind ohne Zweifel Bestandteil eines sicher primären, aber ebenso effektiven Netzwerkes, von deren Sorte es in allen Ecken Europas und auch in Deutschland Kopien gibt. Man braucht sich nur an die schreckliche Pädophilenaffäre in Saarbrücken zu erinnern. Url

Sexualität ist seit jeher Bestandteil politischer Machenschaften und wurde schon immer als Erpressungsmittel auf allen Ebenen benutzt. Sowohl Räuber wie Richter, Wähler wie Gewählte, Banditen wie Saubermänner sind in solche Netzwerke, die von einzelnen sexuellen Orgien bis zur organisierten Kriminalität reichen, verstrickt. Url

Man könnte meinen, dass solche “Feste” unter Erwachsenen nichts anderes, als das unantastbare private Leben darstellen. Dem ist nicht mehr so, wenn Personen, die durch ihre Funktion Macht ausüben, sich durch ihre mehr oder weniger sexuellen Perversionen der Gefahr der Erpressung aussetzen. Schlimmer noch ist es allerdings – und hier rutschen wir hinab in die schlimmste Kriminalität – wenn Kinder von Erwachsenen missbraucht werden. Url

Wie kann man solchen Leuten das Handwerk legen, wenn man weiss, dass in Sachen Pädophilie immer öfter auch finanzielle und politische Interessen mitspielen? Man kann schon ein System vermuten, wenn man die erschreckenden Lücken der Justiz betrachtet oder die immer noch ungenügenden Mittel, die in vielen Ländern Europas den untersuchenden Beamten zur Verfügung stehen. Wenn nicht sogar manchmal Ereignisse vertuscht oder Untersuchungen unterwandert werden. Url


Michel Nihoul ist ein spezieller Geschäftsmann, sein Unternehmen besteht aus kleinen Immobiliengesellschaften, Cateringservice und anderen Aktivitäten. Url

Seit 1974 war sein Leben von verschiedenen Konkursen seiner Geschäfte gezeichnet und verschiedene Machenschaften, die ihm einige Verurteilungen einbrachten, die so schwierig und durcheinander scheinen, dass es schwer ist, sich in dem Ganzen wiederzufinden. Url

1973 wurde er zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt, davon vier Monate auf Bewährung, wegen Bankrott und Betruges. Auf Basis einer königlichen Begnadigung waren es dann aber nur zwei Monate. Später dann, im Jahre 1980, wurde er wieder verurteilt, wegen privatem Konkurs. Url

Michel Nihoul ist am 23. April 1941 in Verviers geboren, Sohn einer modesten Familie, und seit seiner Kindheit hatte er ein gewisses Talent für leere Worte. Url

Anfang 1960 arbeitete er als junger Mann als Anstreicher und interessierte sich für Casinos und bewies gewisse Qualitäten als Unternehmer oder Politiker. Url

Aber es kam anders als gedacht. Wenn dieser Geschäftsmann heute in die Dutroux-Sache verwickelt ist, so verdankt er das seiner grossen Freude an heißen Nächten und seinem großen Bekanntheitsgrad. Er ist Moderator bei Radio Activité in Brüssel Etterbeek. Eines dieser freien Radios, das in den achziger Jahren in Brüssel Furore macht. Er lernt sehr schnell Leute aus dem politischen Leben kennen, die ihm den Weg in ein gewisses Milieu öffnen. Er unterstützt diese bei Wahlkampagnen. Er geht in Swingerclubs und auf sadomasoschistische Partys, wo er weitere Leute aus der politischen Szene kennenlernt. Url

Die den Ex-Premier Jean Gol umgebenen Mitglieder im Regierungskabinett wurden Komplizen – ob freiwillig oder nicht – der Manipulationen und Operationen des Michel Nihoul. Dokumente aus dem Jahr 1987 und Briefwechsel zwischen dem Kabinett des Ministers und Nihoul bestätigen dies. Url

Weiterer Beweis: Die Aussagen der Exfrau von Nihoul vor der Justiz. Diese Ex-Anwältin sagt über ihren Ex-Mann aus: “Dies geschieht nicht mehr zur aktuellen Zeit, doch zur Zeit des Jean Gol und seiner Mitglieder war es üblich.” Als Nihoul wegen der Affäre Dutroux verurteilt wurde, zeigte er sich ebenfalls sehr offen: Url

“Ich kenne Leute aus dem PRL (Liberale Partei): Jean Gol, Jean Claude Godfroid, Francis Burstin, François-Xavier de Donnéa (ehemaliger Bürgermeister von Brüssel). Die Schwester von Godfroid ermöglichte es mir, die Gutachten zu beschaffen. Dank meiner guten Kontakte konnte ich Häftlingen helfen, ihre vorzeitige Entlassung voranzutreiben. Url

Der Anwalt hat die Unterlagen vorbereitet und ich habe das Ganze in meinem Namen angefragt und die Unterlagen dann weitergeleitet. Das Ganze hat so lange gedauert, wie die Liberalen an der Macht waren.” Url

Nihoul gibt zu verstehen, dass er sehr viel Unterstützung von politischer Seite bekommt. Dieser verdächtige Mann wurde im August 1996 festgenommen, nur einen Tag nach Dutroux. Url

Der Untersuchungsrichter ist davon überzeugt, dass Nihoul etwas mit den Entführungen der Kinder zu tun hat. Aber wie kommt er auf diesen Gedanken? Indem er sich auf verschiedene Aussagen von Zeugen festlegt. Lelièvre erklärt, dass ein Ring von Prostitution zwischen Belgien und anderen westlichen Ländern im Namen Nihouls entstehen soll. Die Aussagen von Annie Bouty, Exfrau von Nihoul, die nie ihre Verbindungen zu ihrer alten Beziehung abbrechen konnte, bestätigten, dass er das Hirn eines Netzwerkes vom Vertreiben pädophiler Kassetten war. Eine kapitale Aussage einer wichtigen Zeugin, die die Existenz eines solchen Netzwerkes bestätigt. Url

Während der ersten Wochen der Untersuchung erfährt der Richter auch, dass Nihoul immer wieder Kontakt zu einem überführten Pädophilen hatte. Url

Zum Bekanntenkreis Nihouls gehört ebenfalls ein gewisser Corvillain, auch wegen Pädophilie verurteilt. Ein ihm bekannter Ex-Richter wurde auch wegen dem gleichem Motiv, aber vor allem wegen Berührungen von Kindern verurteilt. Ohne einen ihm ebenfalls bekannten Politiker aus Brüssel zu vergessen, der zu vier Jahren Gefängnis wegen Pädophilie verurteilt wurde. Url

Der Fall des Roland Corvillain ist mehr als interessant und der Untersuchungsrichter hält dies auch fest. In den ersten Stunden der Festnahme von Dutroux und Nihoul wird die Ex-Frau von Corvillain befragt. Sie sagt aus, dass ihr Ex-Mann sowie der Chef der Firma Logitel über besagte Firma ein Geschäft mit Kinderhandel abgewickelt hatte. Url

“Es ging um blonde, braune, schwarze Kinder”, sagt sie aus. Url

Corvillain wird jetzt auch vom Untersuchungsrichter befragt, weist zuerst die Beschuldigungen zurück und gibt dann zu, dass seine frühere Frau die Wahrheit gesagt hat. Er fügt sogar hinzu, dass Nihoul regelmässig bei Logitel vorbei kam. Er gibt ebenfalls den Namen von Nihoul im Milieu preis: “Don”. Url

Nihoul ist auch bei Logitel verschiedenen Leuten begegnet, die der Nummer eins der belgischen Kriminalität, Patrick Haemers, nahestanden. Url

Unter ihnen dessen Spezialist in Explosionsstoffen und dessen Anwalt Michel Vander Elst, der später Nihoul ein falsches Alibi geben wird, um ihn aus der Entführungsaffäre der jungen Laetitia herauszuhalten. Besagter Anwalt kommt ebenfalls mehr als einmal in den Aussagen der X-Zeugen vor. Url

Die Bande des Patrick Haemers war in ihren letzten Jahren in eine pädophile Affäre verstrickt. In einem von der Bande geleiteten Bordell wurden Affären vom Polizisten Marc Toussaint aufgedeckt. Letzterer hat ebenfalls die Beweise über die Beziehungen von Nihoul mit diesem Bordell zusammengetragen. Url

Auf Basis dieser Elemente beginnt Untersuchungsrichter Jean-Marc Connerotte seine Instruktion. Url

Zuerst werden die Telefonate von Dutroux überprüft. Es gibt verschiedene Kontakte. In den ersten Tagen vor der Entführung von Laetitia telefonieren die zwei Hauptverdächtigten bis zu fünfmal am Tag miteinander. Einige Anrufe dauern etwas länger als andere. Url

Am 10. August hat Dutroux Nihoul kontaktiert. Am Abend des 11. August ist es umgekehrt. Url

Am 12. und 13. August rief Nihoul nochmals an. Aber diesmal wurde das Gespräch aufgezeichnet, in dem Nihoul drohte: “Wenn Lelièvre mich verrät, werde ich ihn finden.” Url

Aber was Nihoul nicht weiss: Dutroux war zu diesem Zeitpunkt schon festgenommen und er sprach in Wirklichkeit mit einem Polizisten, der sich als Bewohner ausgab. Am Tag nach der Entführung von Laetitia hat Nihoul Lelièvre tausend Ecstasy-Pillen im Wert von 6.752 Euro zukommen lassen. Url

Die verschiedenen Kontrahenten der Dutroux-Affäre belasten sich gegenseitig. Url

Übereinstimmige Aussagen bestätigen: Url

Dutroux: “Lelièvre setzte mich in Kontakt mit Nihoul, weil dieser Mädchen suchte, um sie im Netzwerk der Prostitution einzusetzen. (…) Er hat mir geraten, sadomasoschistische Partys zu veranstalten, da diese mehr Geld einbrächten. (…) Nihoul selbst hat Vorlieben für sadomasoschistische Spiele.” Url

Ein Punkt, den Michel Nihoul immer wieder verneint, obwohl man solche Beschuldigungen in der Anhörung von Regina Louf wiederfindet. Url

Michelle Martin: “Am Wochenende des 9. und 10. August hat Nihoul mehrmals bei uns angerufen. Im August 1995 ist Nihoul öfters bei Dutroux in Marcinelle gewesen, damals als Julie und Mélissa sich dort befanden.” Url

Michel Lelièvre hat zuerst Nihoul belastet, dann hat er seine Aussagen wieder zurückgezogen. Während seiner Inhaftierung war er mit Marc Dutroux und Michel Nihoul im Gefängnis von Arlon eingesperrt, wo sie offensichtlich bei ihren Ausgängen zusammen sprechen konnten. Url

Obwohl dem Untersuchungsrichter ernste Beschuldigungen gegen Michel Nihoul vorliegen, weisst dieser sie zurück. In seiner Autobiographie beschreibt Nihoul, dass er Zeugen hat, die bestätigen können, dass er im Moment der ihm vorgeworfenen Taten an diesen Orten nicht anwesend war. Url

Dann schreibt er: “Ich habe nie und werde niemals ein Kind anfassen. Dafür liebe und respektiere ich Kinder zu sehr. Seit meiner Festnahme sage ich immer, dass ich unschuldig bin.” Url

Bemerkenswert, dass das belgische Staatsfernsehen sich für die Unschuld Nihouls eingesetzt hat. So wurden zum Beispiel die Aussagen einer niederlandischen Familie, die Nihoul mit Dutroux in den Tagen vor der Entführung von Laetitia am Entführungsort gesehen hat, ins Lächerliche gezogen. So wurden zum Beispiel auch gravierende Teile des Nihoul-Dossiers ganz einfach ignoriert. Url

Um die Wahrheit über Nihoul herauszufinden und angesichts der polizeilichen Blokade und der Hypokrise der belgischen Presse, gab es nur einen journalistischen Weg, den der Autor in einer grossangelegten Operation und mit Hilfe einer grossen deutschen Fernsehanstalt einschlug. Es handelt sich um den geglückten Versuch, Nihoul zu unterwandern, eine in seinen Augen vertrauenswürdige Person bei ihm einzuschleusen und ihn dazu zu bringen, sich ihr anzuvertrauen. Url

Diese interessante Person für diese Mission, die sich in den belgischen Medien sehr gut auskennt, war schnell gefunden, da wir zusammen in einem gravierenden Fall von Geldwäscherei arbeiteten. Url

Sein Name: Antonino Costa, italienischer Staatsbürger, der in Belgien wohnt und als gehobener Angestellter in der belgisch-luxemburgischen Kredietbank arbeitet. Er war Zeuge Nummer eins der belgischen Justiz in einem der grössten Fälle von Steuerhinterziehung und schwarzen Konten: Die “Affäre KB-Lux“. Url

Costa hatte eine Serie von Mikrodateien, die aus dem Hauptrechner der Kredietbank stammten, entwendet. Auf diesen Mikrodateien sind anonyme Konten von Staatsbürgern und internationalen Gesellschaften mit ultrageheimen Informationen über die Identität der Inhaber dieser schwarzen Konten enthalten. Wir waren überzeugt, dass es nicht schwer sein würde, mit dem Lockangebot solcher sensiblen Informationen Nihouls Vertrauen zu gewinnen. Url

Doch wie an Nihoul herankommen, ohne dass er misstrauisch wird? Er gab immer nur Interviews, für die er einen Preis in Höhe von 2.500 Euro verlangte. Und er gab immer nur dieselben Informationen preis, die darin bestanden, seine Unschuld zu beteuern. Doch wir versuchten es trotzdem, die ganze Wahrheit herauszufinden. Url

Wie aber die Verbindung zwischen Costa und Nihoul herstellen? Url

Der ehemalige Tierarzt Jean-Pierre Leurquin, Ex-Informant der Polizei, der auch eine wichtige Rolle in der Affäre KB-Lux spielte, brachte uns in Verbindung mit Jacques Genevois, der uns helfen sollte, damit wir unser Ziel erreichen könnten. Url

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Loubna Benaïssa

Dieser war in die Affäre der Entführung und des Todes von Loubna Benaïssa, eines marokanischen Kindes, involviert. Er wurde nach einigen Wochen Haft wieder freigelassen, da der wahre Täter, Patrick Derochette, gefasst worden war. Genevois, Vertrauter von Nihoul, konnte uns sehr nützlich sein und wir überzeugten ihn, bei dieser Operation mitzumachen. Url

Genevois überzeugte seinerseits Nihoul, dass Costa ihm gewisse Informationen aus Belgien zuspielen könne. Über Persönlichkeiten aus Belgien. Diese Informationen könnte Nihoul dann selbst zu seinem Nutzen verwenden. Url

Um die eventuellen Vertraulichkeiten Nihouls hieb- und stichfest festhalten zu können, stellt mir das Brüsseler Büro der ARD das benötigte technische Material zur Verfügung. Costa verabredet sich mit Nihoul in dessen Wohnung und wurde vorher von unseren Technikern verkabelt. Dieses Mikrofon soll dazu dienen, dass mein Team, das mit mir in einem Wagen vor der Wohnung Nihouls sass, kein Wort des Gespräches verliert. Url

Beim zweiten Treffen nimmt Nihoul Costa mit in seine Wohnung im achten Stockwerk, was unseren Technikern einige Schwierigkeiten bereitet. Während drei Stunden werden Nihoul, Genevois und Costa vertrauliche Informationen austauschen, reichlich begossen mit Bier, Wein und Whisky. Mein Team und ich schneiden alles mit, und wenn nötig, trete ich per Handy mit Costa in Verbindung, um die Fragen zu koordinieren.

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Im Laufe der Zeit und auch Dank des Alkoholkonsums wird das Gespräch immer vertraulicher. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass meine Herzfrequenz unten im Auto je nach Gesprächsstoff steigt. Gleich bei der Ankunft von Costa und beim Empfang durch Nihoul rutscht mir das Herz in die Hose. Costa, übermütig wie immer, sagt etwas ganz Unvorgesehenes: Url

“Sie können mich durchsuchen.” Url

Und er fügt hinzu: Url

“Ich trage kein Mikrofon. Ich habe nur meine Waffe bei mir. Sie können ja verstehen, lieber Herr Nihoul, dass ich mit meinen Aktivitäten und mit meinem Wissen immer eine Waffe tragen muss.” Url

Bei soviel Offenheit misstraute Nihoul ihm keineswegs und verzichtete auf die körperliche Durchsuchung. Ein gelungener Coup, aber ich war am Rande des Herzinfarktes. Url

Da Costa von meinen Technikern verkabelt war, wurde das ganze Gespräch integral aufgenommen. Url

“Wir haben Polizei und Richter immer gut geleimt”, sagt gleich am Anfang Genevois. Dass beide Männer sich äusserst gut kennen, geht sofort aus dem Gespräch hervor. Nihoul bestätigt, dass beide fortwährend vor den Ermittlern gelogen haben. Beide Männer brechen in schallendes Gelächter aus. Url

“Wir taten immer so, als wenn wir uns nicht kennen würden”, bestätigt Nihoul und bricht wieder in Gelächter aus. Url

“Wir verbrachten eine sehr gute Zeit im Dolo”, begann Nihoul von dieser speziellen Bar zu erzählen. “Jeden ersten Donnerstag im Monat trafen wir uns.” Url

“Jeder der Mitglieder musste eine Frau mitbringen. Es waren Richter, Politiker, Geschäftsleute anwesend.” Nihoul nennt einige Namen. Er fügt hinzu: Url

“Man musste 25 Euro Beitrag bezahlen, um an diesen Orgien teilnehmen zu können.” Url

“Um die Annäherungsversuche und die wildesten sexuellen Fantasien zu vereinfachen, musste man in dieser Bar eine ‘Djellaba‘ tragen”, erklärt Nihoul weiter. “Und jeder unserer Besucher nahm teil an diesen Orgien”, erzählt Nihoul. Genevois bestätigte das Ganze. Url

Unter anderem werden auch die Abende in der Bar “Le Jonathan” in den 1970er Jahren und Anfang 1980 beschrieben. Url

Diese Bar hatte zwei Stockwerke. Im Erdgeschoss befand sich ein schönes, grosses Zimmer, mit einem aufblasbarem Schiff, gefüllt mit Marmelade, die man regelmässig auswechseln musste, um zu vermeiden, dass sie verfaulte. Url

Ein Mann war zuständig, diese “Wanne der Perversionen” instand zu halten. Er ist heute noch mehr als beeindruckt von dem, was er damals erlebte und hat noch sehr deutliche Erinnerungen. Url

Wer war in dieser Bar anzutreffen? Politiker, Richter, Journalisten, sogar Straftäter. Mit Stolz schauten die Mitglieder, die sich bei ihren Sexspielen in der Marmelade vergnügten, in einen grossen Spiegel, ohne zu wissen, dass sich auf der anderen Seite des Spiegels eine Kamera befand, die alles filmte. Diese Aufnahmen dienten erstens dem Inhaber der Bar für sein eigenes Vergnügen und Mitgliedern der Staatssicherheit, die über diese Bar ermittelten und die Aufnahmen für politische Erpressungen gebrauchen konnten. Url

Victor Massard, verantwortlicher Hauptkommissar beim belgischen Staatssicherheitsdienst, schreibt in den achtziger Jahren an seinen Minister, dass grosse Mordaffären in Belgien mit grossen Sittenaffären in Verbindung zu bringen sind und dass diese Umstände dazu führen, dass die meisten Zeugen nicht aussagen wollen. Url

Massards Leute überwachten monatelang die Bar “Le Macho”. In dieser Bar filmte man die Begegnungen von Heterosexuellen oder Homosexuellen, wie zum Beispiel einem hochrangigen Oberhaupt der belgischen katholischen Kirche. Url

Diese Fakten werden ebenfalls durch Dokumente eines geheimen Berichts aus dem Jahre 1983 der Justizpolizei aus Lüttich bewiesen: Url

“Man konnte gewagte Fotos, sowie obzöne Filme und Videokassetten von Persönlichkeiten sehen, die sich in solche eindeutige Situationen hineinziehen liessen. Man beauftragte die Mädchen sogar, diese Persönlichkeiten dazu zu bringen, bei diesen Spielchen mitzumachen. (…) Url

Der Inhaber soll sich sogar gebrüstet haben, in einem Bankkoffer Fotos, Dokumente, Videokassetten aufzuheben, die ihm erlauben würden, Erpressungen auszuüben.” Url

Im Grunde genommen filmte jeder jeden. Einerseits filmten die Inhaber aus perversen Gründen oder aus Gründen der Vorsicht; andererseits filmte die Staatssicherheit aus Gründen, die man sich vorstellen kann und die wir schon beschrieben haben. Aus all dem geht hervor, dass das Risiko der Erpressung gegen gehobene Persönlichkeiten groß war. Aus besagtem geheimen Bericht geht ebenfalls hervor, dass ein Zeuge im Besitz einer Videokassette, aufgenommen in einem Haus in “Rouge-Cloître à la Hulpe”, ist. Auf diesem Video sind unter anderem verschiedene Persönlichkeiten in einer kompromettierenden Lage zu sehen. Url

Laut Informant ist diese Videkassette für 140 Millionen belgische Franken (3,5 Millionen Euro) verkauft worden. Besagte Information wird bestätigt durch den Ermittler Balfroid von der BSR aus Wavre in einem Protokoll vom 18. Juni 1985 und durch einen Polizisten namens Peelos, der von einem Preis von 144 Millionen spricht. Url

Kunden, die 3,5 Millionen Euro für eine Videokassette in Belgien ausgeben können, sind nicht sehr zahlreich … Url

Kommen wir zurück zu den vertraulichen Mitteilungen von Michel Nihoul, die mein Team mithört. Ohne Misstrauen erzählt der Beschuldigte in der Affäre Dutroux, was sich so abspielt in der Bar “Le Dolo”. Costa erzählt nach diesem Gespräch: “Die Ereignisse in der Bar waren schlimmer, als man dachte”. Url

Nihoul wird immer gesprächiger und erzählt, dass Drogen benutzt wurden, dass die Orgien ziemlich gewalttätig waren und dass auch öfter Kinder anwesend waren. Nihoul sagt auch aus, dass während diesen Treffen Prinz Albert aus Belgien sowie der einstige liberale Vize-Präsident der Regierung Jean Gol anwesend waren. Url

Nihoul ist todsicher ein Wichtigtuer und man kann ihm nicht alles glauben. Er erwähnt allerdings immer wieder Fakten, die belegen, dass er nicht nur Unwahrheiten erzählt. Url

Nihoul besteht darauf, mehrere Polizisten, Politiker, Minister und andere Persönlichkeiten, darunter auch wichtige Leute mit Schwäche für kleine Jungs, namentlich als anwesende Sexpartyteilnehmer zu nennen. Url

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Schloss Faulx-les-Tombes

Nihoul behauptet, dass solche Orgien öfters in eine Villa in Overijse, ein Vorort von Brüssel, sowie ins Schloss “Faulx-les-Tombes” in die Provinz Namur verlegt worden waren. Eine Spur führt hier zu einem ehemaligem Mitglied der parlamentarischen Ermittlungskommission. Url

Michel Nihoul unterstreicht die Irregularitäten der Prozedur in der Affäre Dutroux. “Nach unserer Festnahme habe ich Dutroux im achten Stockwerk im Gefängnis in Arlon getroffen”, berichtet Nihoul. “Die Verantwortlichen der Prozedur haben mich nie mit Dutroux oder Regina Louf gegenüber gestellt” erzählt Nihoul erstaunt. Url

Nihoul war zurecht erstaunt. Hätte man nicht die verschiedenen Kontrahenten der Affäre Dutroux miteinander konfrontieren müssen, um herauszufinden, wer wann wen kannte? Hätte man nicht die Zeugin Louf mit ihren schwerwiegenden Beschuldigungen von Kinderschändung und von bei Sexspielen hingerichteten Kindern Nihoul gegenüberstellen müssen? Immerhin hat Regina Louf lange vor der Dutroux-Affäre Nihoul beschuldigt, ein pädophiles Netzwerk zum Wohle der belgischen High Society betrieben zu haben. Url

Im zweiten Bericht der Dutroux und Nihoul betreffenden Untersuchungskommission wird Michel Nihoul eindeutig als Beschützer von Marc Dutroux angeprangert. Der suspekte Geschäftsmann wird als Verbindung zwischen organisierten Orgien, Drogenhandel, allgemeiner Kriminalität und der selektiven Gesellschaft, in der er sich wie ein Fisch im Wasser bewegte, dargestellt. Auch seine Manipulationen von Beamten, Politikern und Leuten aus dem juristischen Milieu werden hervorgehoben. Dann wurde die Untersuchungskommission auf politischem Niveau gestoppt und konnte nicht weiter ermitteln. So blieben auch die Machenschaften des Michel Nihoul im benachbarten Ausland für ewig ununtersucht. Dies, obschon es klare Indizien gibt, die solche ausländische Verbindungen beweisen. Url


Während der Redaktion dieses Buches bekam der Autor unerwarteten Besuch: zwei belgische Polizeibeamte aus Brüssel, Hauptkommissar Colson, Chef der Anti-Korruptionsbehörde für Richter und Staatsanwälte, und Kommissar Manhout, aus der Abteilung Staatssicherheit, suchten den Autoren auf Anordnung des belgischen Staatsanwaltes Michel, u.a. verantwortlich für Affären in Bezug auf die Sicherheit des belgischen Staates, auf und schlugen ihm einen Handel vor. Entgegen allen rechtlichen Regeln, die zum Beispiel und vor allem verlangt hätten, dass einheimische luxemburgische Justiz und Polizei diese Besuche ausgeführt hätten, versuchten die Belgier den Autoren zu überzeugen, von allen zukünftigen Veröffentlichungen über belgische Dossiers abzusehen und sämtliche Akten, die sich in seinem Besitz befinden und die die Belgier während der verschiedenen Hausdurchsuchungen nicht gefunden hatten, herauszugeben. Url

Sie versprachen im Gegenzug eine auf höchstem Niveau beschlossene Amnestie gegenüber dem Autoren. Luxemburger Behörden wollten sie allerdings nicht dabei haben, da sie befürchteten, dass dann die übergebenen Akten als Kopie im Besitz der luxemburgischen Justiz bleiben würden. Vor allem interessierten sie sich für die Dutroux-Akten sowie belastende Dokumente und belastendes Photomaterial, die den belgischen König und Spitzenpolitiker betreffen. Url

Der Autor informierte sofort die luxemburgischen Behörden. Die luxemburgische Staatsanwaltschaft eröffnete eine Akte und die Justizpolizei beschäftigte sich mit den zwei Belgiern. Diese wurden bei ihren illegalen Besuchen überwacht, photographiert, Telefongespräche wurden mitgeschnitten und Zeugen in die Gespräche eingeschleust. Ein schwerwiegendes Dossier, das die Korruption und die Verdorbenheit der belgischen Justiz belegt, war das Resultat dieser suspekten Operation, die beweist, wie man in Belgien nach wie vor versucht, mit unbequemen Journalisten umzuspringen. Url

Schon 2001, beim Erscheinen des Buches “Dossier Pédophilie” beim erlesenen französischen Verleger Flammarion, hatte die belgische Regierung vergebens versucht, über ihre Botschafter in Paris und Rom, Verleger Flammarion und den Inhaber des Verlages, die italienische Pressegruppe Rizzoli, von der Veröffentlichung des Buches abzubringen. Url


Die Kontoauszüge von Lelièvre beweisen ebenfalls, dass Letzterer regelmässige Transaktionen im deutschsprachigen Raum abwickelte. Url

Zum Beispiel: Url

  • Am 15. Juli 1995 in Deutschland
  • Am 9. Dezember 1995 in Wien
  • Am 11. Dezember 1995 in Österreich
  • Am 12. Dezember 1995 in Deutschland
  • Am 19. Januar 1996 in Österreich

Die Akte 112658 vermerkt ebenfalls, dass Lelièvre die Adresse “Busbahnhof Landstraße (Wienmitte) Südbahnhof” mehrmals als Verabredungsort benutzt hat. Url

Identische Informationen stehen im Protokoll 112864 und belegen, dass auch Diakostavrianos zahlreiche administrative und geografische Dokumente aus Deutschland besass. Eine belgische Telefonrechnung von Belgacom vom 4. November 1994 listet eine ganze Reihe von deutschen Telelfonnummern auf. Url

Eine ähnliche Arbeit war auch bereits mit Hilfe von Dutroux’ Telefonrechnungen gemacht worden. Besagte Telefonnummern betreffen praktisch alle Bundesländer, die meisten bringen allerdings das Dutroux-Dossier in Verbindung mit Bayern und dem Saarland. Url

Der Autor hat im Auftrag des Spiegel eine ganze Reihe dieser Nummern angerufen. Fast alle waren noch aktiv. Url

Die Kinderschänderbande hielt sich auch auf deutschen Campingplätzen auf. In der Akte 113479 heben die Ermittler ihre Präsenz mittels Quittungen solcher Ferienplätze hervor. Url

Im Protokoll 112864 wird sogar eine dieser Adressen eindeutig identifiziert: Veronika Mutter in Bad Honnef. In einem anderen Protokoll mit der Nummer 100352 stellt Diakostavrianos klar, dass dieser Campingplatz sich ganz in der Nähe der Wohnung seiner Grossmutter befindet. Url

Die Bande benutzt ebenfalls Wagen mit deutschen Kennzeichen. Laut Protokoll 114871 sind verschiedene deutsche Kennzeichen später unidentifizierbar, andere wiederum waren eingetragen auf den Namen deutscher Bekannter der Mitglieder der Kinderschänderbande. Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob Namen wie U.B., Inhaber eines VW Kombi, F.H. Inhaber eines Mercedes oder anderer deutscher Staatsangehöriger den Bundesdeutschen Polizei- oder Justizbehörden übermittelt worden. Die Akte 113221 listet 28 Wagen auf. Url

Betreffend Diakostavrianos wurden am 2. Dezember 1996 zahlreiche deutsche Kontoauszüge wiedergefunden. Laut diesen Dokumenten bezog der Dutroux-Komplize in Deutschland (wie auch in Belgien!) Arbeitslosenunterstützung sowie “Einkommen eines unidentifizierbaren Arbeitgebers”. Url

Dutroux, der offiziel mit Diakostavrianos einen Autohandel betrieb, hat ebenfalls vor den ihn verhörenden Beamten eingeräumt, “dass er in Deutschland mit lokalen Organisatoren des Prostitutionsmarktes Kontakt aufnehmen musste. Er konnte es nicht tun, denn nachdem er eine unbezahlte gebührenpflichtige Verwarnung von 2.147 Mark offenstehen gelassen hatte, konnte er nicht mehr nach Deutschland reisen”. Dies ist eine Erklärung für die Häufigkeit der Deutschlandbesuche von Diakostavrianos. Url

Polizist Renson hält fest, dass ein internationales Rechtshilfegesuch an die deutschen Behörden geschickt wurde, um mehr Informationen über diese Geldbeträge zu erhalten. Das Protokoll erwähnt allerdings keine Antwort der deutschen Behörde. Url

Ein weiteres, erschreckendes Dokument ist die Akte 117319 des Beamten Aimé Bille. Die Aussagen des anonymisierten Zeugen X69, ein belgischer Transvestit, implizieren einen deutschen Taxifahrer namens Micha. Url

“Micha war Taxifahrer in Deutschland. Ich lernte ihn 1992 kennen. Micha fuhr einen Mercedes-Benziner mit deutschem Kennzeichen. An besagtem Tag war ich als Frau verkleidet. Url

Nihoul und der andere Mann haben zusammen ein kleines Mädchen vergewaltigt. Nihoul hat sie vaginal vergewaltigt und der andere anal. Ich ging in ein anderes Zimmer. Ich hörte das Mädchen schreien. Die Schreie wurden unterdrückt. Es waren insgesamt vier Minderjährige, die französisch sprachen. Die Kinder wurden von den Eltern verkauft oder ausgeliehen. (…) Url

Ich war präsent als sadomasoschistische Animierung.” Url

Andere Spuren, die nach Deutschland führen, stammen aus Verhören eines zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilten belgischen Pädophilen, der sich spontan nach der Explosion der Dutroux-Affäre bei der Justiz meldete. Wenn auch verschiedene Aussagen von R. mit Vorsicht zu genießen sind, so hat er sicherlich nicht alle Informationen erfunden, was der Ermittler Lesciauskas in der Akte 115439 auch festhielt. R. sitzt in der zweiten Hälfte des Jahres 1996 zusammen in einer Zelle mit F. Letzterer steht dem Netzwerk von Michel Nihoul sehr nahe. Url

Auszüge aus dem Protokoll: Url

“F. hat mehrere Kinder (13-15 Jahre alt) an mehrere Kunden geliefert. Darunter Nihoul. Kostenpunkt für einen Nachmittag mit einem Kind: 250-500 Euro. F. zählte auch zu den Kinderschändern. Die Kinder kamen aus sozial schwachen Gebieten aus Belgien, Frankreich und Deutschland. Url

Kinderaustausch zwischen den 3 Ländern. 200 Videokassetten wurden gedreht. Url

Nihoul beschenkte die Kinder, damit sie Vertrauen gewinnen. F. hat schon einmal 12.500 Euro für ein Kind erhalten. F. entführte Kinder (10 Jahre alte Kinder) mit N. Url

F. vergewaltigte zuerst die Kinder zu Hause und übergab sie dann Nihoul. Url

F. und N. schickten minderjährige Knaben auf den Strich. Einer dieser Jungen, heute 23 Jahre alt, soll solche Fakten zu Protokoll gegeben haben. Url

Staatsanwalt G. hat an Orgien mit minderjährigen Knaben teilgenommen. Url

F.s Beschützer sind der Politiker G. und der Minister DR. Letzterer schläft mit minderjährigen Knaben im Hotel Donitz in Spa. Url

(…) Url

F. und N. kennen sich schon mehrere Jahre. Die in Belgien entführten Kinder wurden ins Ausland gebracht (Frankreich-Deutschland-Niederlande) und in Prostitutionsnetzwerken eingeschleust (Hamburg). Url

Die Entführungen fanden regelmässig am Nachmittag statt. Die Kinder wurden mit dem Medikament Mogadon drogiert. Das Hotel Donitz in Spa heisst in Wirklichkeit Hotel Dorint. Mogadon ist ein Hypnotikum. Url

(…) Url

In einer abschliessenden Gerichtsakte mit der Nummer T1261/96 hält die belgische Polizei die Namen verschiedener, der Pädophilie verdächtigter Personen fest. Unter ihnen ein gewisser Bernd M. und eine gewisse Sabine P. Wohnort: Rosenheim in Deutschland. Spezialität dieser Kinderzubringer: “Vermietung von Kindern für sadomasoschistische Aktivitäten, die auch zum Tode des Kindes führten.” Url

Der Zufall will es, dass die Geschichte unserer zweiten Zeugin Dagmar auch in direktem Zusammenhang mit der Dutroux-Affäre steht. Ein kurzes Protokoll, das uns von einem Informanten zugespielt wurde, hat uns auf diese Zeugin aufmerksam gemacht. Url

Originaltext: Url

Bei der Kripo Mainz erzählt eine Auskunftperson folgenden Sachverhalt: Url

Am gestrigen Tag, 04.12.96, befand sie sich zwecks Untersuchung im Krankenhaus Centre in Luxemburg-Stadt. Während sie dort wartete, kam sie mit einer männlichen Person ins Gespräch über eine aktuelle Straftat in Luxemburg, die in den Medien stand. Es ging um eine Frau, die eine lange Freiheitsstrafe wegen Kindesmisshandlung o.ä bekam. Url

Man kam dann auch auf die Sache “Dutroux” in Belgien zu sprechen. Es stellte sich heraus, dass der Mann vermutlich ein Luxemburger Polizeibeamter ist, der sich in den Ermittlungen gut auskannte. Url

Er erzählte ihr, dass diese Sache in Trier begann. Dutroux habe ein Appartement in Trier, wo er auch Sexfilme mit Kindern verkauft habe. Er sei an der Grenze zu Luxemburg von dortigen Beamten kontrolliert worden, die entsprechende Filme bei ihm fanden und ihn festnahmen. Er wurde aber bereits am nächsten Tag entlassen. Er wurde von einem “belgischen Minister, einem hohen Tier” (wörtlich) herausgeholt. Url

Der Mann wusste weiter zu erzählen, dass sich die Mutter von Dutroux mit einer Information an die belgische Polizei wandte, als ihr Sohn, der bereits einschlägig in Erscheinung getreten war, im Keller Umbaumaßnahmen vornahm. Sie habe wohl geahnt, dass ihr Sohn etwas mit den verschwundenen Mädchen zu tun habe. Auf jeden Fall seien auch Beamte in dem Haus gewesen und hätten sich die Sache angesehen. Unternommen wurde aber nichts. Url

Weiterhin sei das Tonband mit dem mitgeschnittenen Telefongespräch der Mutter von Dutroux mit der Polizei verschwunden und nicht mehr auffindbar. Url

Nähere Angaben zur Person des Erzählers konnte sie nicht machen. Er wäre, so ihre Angaben, möglicherweise Patient der Poliklinik des Krankenhauses Centre. Url

Angst…Sie war überzeugt, dieses Gefühl zu kennen. Aber in diesem Wagen herrschte eine ungesunde Atmospäre und ihre zwei Begleiter sahen Pittbulls ähnlicher als Menschen. Url

Man hatte sie in diesen Wagen gestoßen, als wäre sie eine Ware, ein Paket. Nichts hatten sie ihr gesagt über das Ziel der Reise oder die Leute, die dort auf sie warteten. Jeder Kilometer, den der Wagen zurücklegte, sorgte für Hitzewellen in ihren Körper, ihre Hände wurden lauwarm, die Feuchtigkeit weichte das Innere ihrer Finger auf und sie fühlte sich so schlecht, wie ihr unnützes Leben bis jetzt gewesen sein musste. Url

Tausend Fragen galopierten in ihrem Kopf herum. Die Angst beflügelte ihre Gedanken. Und diese endeten immer in der selben Sackgasse: Warum führe ich überhaupt so ein erniedrigendes Leben? Sie fragte sich, was sie eigentlich dazu gebracht hatte, heute hier in diesem Wagen zu sitzen, solchen geldhungrigen und skrupellosen Leuten ausgeliefert zu sein? Sie hätte nie gedacht, dass ein Mensch so viel Unnatürliches und Erniedriegendes aushalten könnte. Url

“Meiner Ansicht nach war die Party in Frankreich, denn wir mussten über die Grenze. Ich habe ein Zollhäuschen gesehen und seinen Schlagbaum. Von der Bauweise der Häuser her, möchte ich meinen, dass es Frankreich war. Ich bin mit dem Hepp im BMW mitgefahren. Url

Ich möchte nicht sagen, wie ich bezahlt worden bin. Das Haus zu dem wir fuhren, war von aussen heruntergekommen. Es sah wie ein Haus aus, das schon mindestens 30 Jahre leer steht. Aussen war ein Misthaufen. Aber innen war das Haus vom Feinsten. Es sah aus wie Rokoko. Oder Biedermeier. Url

Anders war nur, dass die einen Rottweiler reinführten. Man hat mich unter Druck gesetzt, damit ich mich von dem Hund lecken lasse. Sie haben mir gesagt, ich hätte vorher die Sauereien mitgemacht, dann müsste ich das jetzt auch machen. Im übrigen haben sie mich noch mit etwas bedroht, was ich aber nicht sagen möchte, da ich sonst strafrechtlich verfolgt werden könnte. Url

Als der Hund mit mir fertig war, sollte der Hund die Mädchen ficken. Diese wollten das nicht. Sie wurden aber dann gefesselt.” Url

Frage des Staatsanwaltes: “Wer hat die Mädchen gefesselt?” Url

“Vereinzelte Gäste, von denen ich aber nicht weiss, wer sie sind, haben die Mädchen gefesselt. Der Linster ist mit der Kamera rum und hat das gefilmt. Der Hund wurde angewixt. Als er einen stehen hatte, ist der richtig rein in die Mädchen. Url

Die Mädchen haben gekniet. Der Hund ging von hinten an sie ran. Ich habe gesehen, dass er bei den Mächen drin war. Die Mädchen hatten Schmerzen, das sah man ihren Geschichtern an. Es waren 2 oder 3 Mädchen.” Url

Frage: “Sie haben vorhin angegeben, ein bekannter Politiker sei anwesend gewesen. Bleiben sie dabei?” Url

Antwort: “Ja. Ich bin mir hundertprozentig sicher. Ich kenne ihn auch von Sexpartys im Saarland, wo ich mit einem Gast war.” Url

Wir verzichten an dieser Stelle, noch weitere Auszüge des von der deutschen Polizei erstellten Protokolls zu veröffentlichen, da der oben erwähnte Auszug zur Genüge die perversen Spiele der Teilnehmer an diesen Orgien darstellt. Url


Dagmar sitzt wieder im Wagen in Begleitung ihrer zwei Aufpasser. Url

“Im Auto dachte ich ununterbrochen nach und sah die Bilder dieser armen Kinder vor mir, die manchmal von ihrem Vater oder einem anderen Familienmitglied begleitet wurden, und ich konnte mich nicht davon abhalten, an meine eigene Kindheit zurückzudenken. Url

Übrigens war in den Augen dieser Kinder nur Leere und Ausdruckslosigkeit, sie taten, was die Erwachsenen ihnen befahlen zu tun, wie ein Kind, das den Erwachsenen nacheifert, ohne Fragen zu stellen. Sie dachten, dass das so sein muss, wie bei anderen Kindern auch, um erwachsen zu werden. Url

Was für eine Wiederlichkeit und Erbärmlichkeit, mir wurde übel beim Anblick dieser Kinderschänder, dieser sogenannten Menschen, die nie genug bekommen vom Entdecken der schlimmsten Perversionen. Url

Diese sexuellen Perversionen wirken wie eine Droge auf diese Leute. Sie brauchen davon immer mehr, sie gehen immer weiter auf ihrem Horrorweg. An diesem Tag hat es ihnen nicht genügt, Kinder zu schänden, unschuldige Wesen zu vergewaltigen. Nein, diesmal mussten es Hunde sein. Hunde, die in Körper eindrangen, damit sie später sagen können: Welch herrliche Orgie, sowas müssen wir noch einmal veranstalten. Url

Mich und die Kinder behandelten sie wie Dreck. Für sie war ich eine “Scheiss Hure”. Ich habe mich geschämt, der menschlichen Rasse anzugehören, ich habe mich geschämt, diese Leute überhaupt zu kennen. Ich habe mich noch lange Zeit später manchmal erbrochen, wenn ich an die Ereignisse dieses Tages zurückdachte. Mit diesen Menschen weiss man nie, wann und wie eine solche Orgie ausarten kann und um ihre obszönen und perversen Fantasien auszuleben, können sie nächstes Mal noch schlimmere Szenarien erfinden. Url

Auf einer solchen Party bist Du immer unter Strom. Die Bilder dessen, was ich dort erlebt habe, bleiben nicht nur für immer in mir, nein, sie nagen an meinem Innern, sie fressen mich auf, immer mehr, langsam aber sicher. Url

Ich werde wohl nie mehr mein inneres Gleichgewicht wiederfinden, es sei denn, ich könnte alles verdrängen. Aber wie soll ich das tun, mit diesen zwei Schweinen im Auto, die jede Kleinigkeit der eben erwähnten Ereignisse mit saftigen Kommentaren wieder aufriefen. Url

Sowieso hatte ich schon seit längerer Zeit keine Wahl mehr. Schon nach meiner Geburt ließ meine Mutter mir keine Wahl und vertraute mich einem Kinderheim an. Url

Weg von Mutter und Geschwistern verlor ich sehr schnell den Sinn für Familie und Liebe. Im Gegenteil: Sehr schnell lernte ich die dunkle Seite der Menschen kennen und als ich eines Tages mit einem jungen Knaben sprach, erfuhr ich, dass uns beiden achtjährigen Kindern dasselbe von verschiedenen erziehungsberechtigten Personen zugefügt wurde: Masturbationen und Oralsex. Url

Meinen Vater habe ich nie gekannt. Man hat mir erzählt, dass er uns einfach aus seinem Leben radiert hätte. Als ich wieder in die Familie zurück durfte, war meine Mutter menschlich schon am Boden, der Stiefvater sehr oft besoffen und gewalttätig und Onkel F., der Bruder meiner Mutter, hatte mich sehr lieb und liebte mich schliesslich, wie man eine erwachsene Frau liebt. Url

Sehr schnell verliess ich das “Elternhaus” und musste fortan versuchen, zu überleben und mein eigenes Geld zu verdienen. Url

Nie hätte ich anfänglich gedacht, in die Prostitution, geschweige denn in noch schlimmere Sachen abzugleiten. Ich dachte mir nichts Schlechtes dabei, als ich in lokalen Boulevardblättern Anzeigen fand, in denen man nach jungen und gutaussehenden Fotomodellen suchte. Ich meldete mich also mit grosser Hoffnung auf diese Anzeigen und fühlte mich menschlich bestätigt, als alle Arbeitgeber positiv auf meine Anfragen antworteten. Die erste Adresse, die ich aufsuchte, befand sich in einem Kölner Vorort. Url

Das Vorstellungsgespräch dauerte nicht sehr lange. Sehr schnell kam der “Boss” zur Sache. Er sagte mir (es klang beinahe wie ein Befehl), ich solle mich auszuziehen. Url

Er erzählte mir irgendetwas von Unterwäschemode, Bikinikatalog usw. “Ich muss ja auch sehen, inwiefern Dein Körper überhaupt für unsere Fotos geeignet ist.” Url

Ich glaube, das war der wichtigste Moment in meinem Leben, denn mit jedem Kleidungsstück, das zu Boden fiel, mit jedem “sich darüber hinwegsetzen” über die Scham, die ich empfand, rutschte ich, ohne es zu bemerken, an dem Tag in Richtung Gosse. Die empfundene Scham wurde immer wieder von dem Gedanken zurückgestellt, meine finanzielle Unabhänigkeit abzusichern und mir nicht jeden Tag Zukunftsfragen stellen zu müssen. Url

Jetzt stand ich da, nur noch mit meinem BH und meinem String bekleidet, beide Hände vor meiner Scham gekreuzt. Url

Ein anderes junges Mädchen, ebenso notdürftig bekleidet, kam ins Zimmer. Der Fotograf schoss eine Reihe von Bildern von uns beiden und bat uns, uns anzufassen. Die Situation war für meine Verhältnisse schon gespannt, aber noch geriet sie nicht aus den Fugen. Ich stellte mir die Frage, ob es nicht besser wäre, jetzt zu gehen, aber das andere Mädchen schien sich pudelwohl zu fühlen und so sah ich denn keinen Grund, das Fotoshooting abzubrechen. Url

Auch nicht, als meine Kollegin sämtliche Kleider ablegte. Ich war wie gelähmt. Ich sah ihr zu, wie sie in eindeutigen Positionen fotografiert wurde. Ich wusste schon, dass man mich jetzt auch fragen würde, das Gleiche zu tun. Und ich tat es wie im Trance und ich tat es auch am folgenden Tag, immer wieder, und folgte dem wahrscheinlich vorgezeichneten Weg, der immer bergabwärts ging, bis ich im Tal landete: Das Tal der Ereignisse dieses Tages.” Url

Dagmar wird ob dieser Ereignisse und anderer Erlebnisse in ihrem seltsamen Beruf zu einer Kronzeugin, die zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von Verdächtigungen gegen öffentlich Bedienstete und Personen des öffentlichen Lebens im Zusammenhang mit Ermittlungen im Trierer Rotlichtmilieu führte. Url

In den Protokollen des Untersuchungsausschusses kann man nachlesen: Url

“Auf Grund von Einflussnahmen, rechtswidrigen Handlungen oder Unterlassungen ist es dazu gekommen, dass Url

  • erforderliche verwaltungsrechtliche Genehmigungen erteilt worden sind,
  • erforderliche Aufsichtsmassnahmen unterlassen wurden,
  • gebotene polizeiliche Ermittlungen oder staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren unterblieben oder behindert worden sind oder
  • polizeiliche Ermittlungen oder staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren aufgenommen worden sind, obwohl dies nicht geboten gewesen wäre sowie
  • gerichtliche Verfahren nicht ordnungsgemäss durchgeführt worden sind,
  • und dadurch das Vertrauen in die Arbeit und Unabhängigkeit staatlicher Organe gefährdet oder geschädigt wurde, und wer die politische Verantwortung hierfür trägt.

Ferner habe man bei einer Hausdurchsuchung bei einer in der Szene arbeitenden Person Bilder gefunden, auf denen ein Richter abgebildet gewesen sei. Es habe Hinweise gegeben, dass Polizeibeamte in einem Ferienhaus des Bordellbetreibers Urlaub gemacht haben oder auch in dem nicht öffentlich zugänglichen Teil einer Cafeteria in dem Bordell verkehrten. Url

Der Zeuge R. verwies auf eine Telefonüberwachung, bei der eine im Rotlichtmilieu arbeitende Person sich gerühmt habe, in Trier sei die Welt noch in Ordnung. Er habe sehr gute Beziehungen zu Richtern und anderen wichtigen Personen. Dies alles seien Hinweise gewesen, denen die Polizeibeamten im Rahmen ihrer Ermittlungen hätten nachgehen müssen, wobei man berücksichtigen müsse, dass bei Hinweisen aus dem Bereich des Rotlichtmilieus auch viel Unwahres enthalten sei. Url

In Hinblick auf die rechtliche Relevanz der gewonnenen Erkentnisse verwies der Zeuge R. darauf, die Demonstration von Freundschaft zwischen einem Richter und einer im Rotlichtmilieu tätigen Person sei für sich allein noch nichts Strafbares gewesen. Ebenso wenig sei ein rechtswidriges Verwaltungshandeln nicht per se auch ein Indiz für strafbares Handeln und schon gar nicht ein Beweis dafür. Url

Erst als eine Zeugin – allerdings auch aus dem Milieu – Hinweise gegeben habe, dass der abgebildete Richter auch “kokse”, sei ein hinreichender Anlass für ein Ermittlungsverfahren gegeben gewesen. Hinsichtlich zweier weiterer Richter habe dieselbe Zeugin behauptet, diese seien in den sexuellen Missbrauch von Kindern verwickelt. Deren Aussagen waren nach Einschätzung der Zeugen R. und S. jedoch so wirr, dass sie keine Grundlage für einen begründeten Verdacht darstellen konnten. Daran habe auch eine richterliche Vernehmung nichts geändert. Ausserdem sei die Aussage auch nicht durch andere Beweise bestätigt worden. Url

Dagegen betonte die Zeugin H., Hinweise auf Kindersexpartys seien von verschiedenen Zeugen gegeben worden. Sie, die Zeugin, sei nicht von vornherein von der Unglaubwürdigkeit dieser Hinweise ausgegangen. Zum Tatnachweis des sexuellen Missbrauchs eines Kindes sei jedoch erforderlich, dass konkrete Personen, hier also Kinder, ermittelt werden müssen, bei dem es zum sexuellen Missbrauch gekommen sei. Dies sei hier trotz intensiver Ermittlungen nicht gelungen. Url

In Bezug auf die von den Zeugen R. und S. erwähnte Zeugin erklärte die Zeugin Harinschmascher ergänzend, sie wisse nicht, ob die Zeugin gelogen habe. Sie habe nie Abstriche oder irgendwelche Zugeständnisse gemacht; ihre Aussagen seien auch nicht durch die Ermittlungen widerlegt worden. Sie habe daher keinen Anlass gesehen, gegen die Zeugin von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.” Url


Ermittlungsverfahren gegen W. in Konz wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Url

Nach Aussagen einer Zeugin soll der frühere Beschuldigte Produzent und Darsteller von Kinderpornos gewesen sein. Darüber hinaus wurde ihm vorgeworfen, auf mehreren Sexpartys, bei denen Kinder missbraucht worden sein sollen, Videoaufnahmen gefertigt haben zu sollen. Das Verfahren wurde am 9. April 1997 nach §170 Abs.2 StPO eingestellt. Url

Ermittlungsverfahren gegen den Kriminalbeamten H. in Trier wegen Strafvereitelung im Amt usw. Url

H. soll auf verschiedene Strafanzeigen von Prostituierten nicht reagiert und Ermittlungsverfahren unter anderem gegen die gesondert verfolgten A.P.K. nicht bzw. nicht nachdrücklich betrieben bzw. verschleppt haben. Url

Ermittlungsverfahren gegen Richter am Amtsgericht i.R.W. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, Vergehen nach dem Betäubungsmittelgesetz usw. Url

W. war vorgeworfen worden, an von dem gesondert verfolgten Bordellbesitzer Bolik und anderen Personen aus dem Trierer Milieu veranstalteten Kindersexpartys teilgenommen zu haben, bei denen auch Betäubungsmittel konsumiert worden sein sollen. Trotz umfangreicher Ermittlungen der AG 45 des LKA Rheinland-Pfalz konnten weder konkrete Vorfälle noch teilnehmende Kinder oder Jugendliche festgestellt werden. Das Verfahren wurde mangels Nachweises eines strafbaren Verhaltens des Beschuldigten am 18. Juli 1996 gemäss $170 Abs. 2 StPO eingestellt. Url

Ermittlungsverfahren gegen Richter am Amtsgericht R. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern usw. Url

Der Tatvorwurf entspricht demjenigen in dem Verfahren gegen den Richter am Amtsgericht i.R.W. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Das Verfahren ist am 7. August 1995 ebenfalls gemäss §170 Abs. 2StPO eingestellt worden. Url

Der Untersuchungsausschuss 13/2 “Rotlicht” hat in seiner 12. Sitzung am 25. Februar 1999 folgenden Beweisbeschluss gefasst: Url

“I. Es soll Beweis darüber erhoben werden, dass nach Einschätzung des Landgerichts Trier und des Ministeriums der Justiz Url

  1. bei Vergabe und Verlängerung von Gaststättenerlaubnissen für die gastronomischen Betriebe im Anwesen Luxemburger Strasse 61- 63 in Trier eine schwierige Begünstigung des Bordellbesitzers B. und seines Umfeldes durch die Stadtverwaltung Trier stattgefunden hat, insbesondere dass P. in den Jahren 1985 und 1986 Gaststättenerlaubnisse zum Betrieb der Venus-Bar Pilsstube erteilt wurden, obwohl P. auf Grund von diversen Vorstrafen und seiner amtsbekannten Betätigung als Zuhälter in Mönchengladbach als unzuverlässig anzusehen war;
  2. die seit dem Jahre 1987 vom Ausländeramt der Stadt Trier praktizierte, rechtlich umstrittene Erteilung von Duldungen bzw. Aufenthaltsbefugnissen an ausländische Prostituierte, die in den Bordellbetrieben B.s der Prostitution nachgingen, in eine nahezu aussichtslose Situation brachte;
  3. die Staatsanwaltschaft Trier im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen sexuellen Missbrauchs und Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie dem Verteidiger Aktensicht gewährte, der Rechtsanwalt Kopien der Ermittlungsakten, in denen sich auch ein zusammenfassender Vermerk des LKA Rheinland-Pfalz befand, dem Beschuldigten überließ und dieser die Akten unvollständig an den Verteidiger zurückgab;
  4. Im Zuge weiterer Ermittlungen im Rotlichtmilieu ein Beamter des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz intime Kontakte zu einer Prostituierten aufnahm, die er in diesem Zusammenhang ans Bett fesselte und zusammen mit einem Mittäter Video-Aufnahmen und Lichtbilder herstellte, um ihn zur Wiederbeschaffung einer Gaststättenkozession zu bewegen;
  5. Die Prostituierte und ihr späterer Mitangeklagter wegen dieser Straftat inzwischen rechtskräftig verurteilt worden sind;
  6. Gegen den Beamten des LKA im gleichen Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung, Vorteilsnahme und Nötigung eingeleitet und durch eine Sonderkommission der Kriminaldirektion Koblenz bearbeitet wurde, welches inzwischen eingestellt worden ist;
  7. Die Prostituierte durch den Leiter der Kriminaldirektion Trier nochmals zu den Vorgängen, die zu ihrer Verurteilung geführt hatten, vernommen wurde, obwohl der Beamte Kenntnis von der Einsetzung und der Zuständigkeit der Sonderkommission der Kriminaldirektion Koblenz hatte, und dass eine Unterrichtung der Staatsanwaltschaft Trier insoweit unterblieb.

a) eine aus dem Ausland angereiste, aussagebereite Zeugin einen Tag vor ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Trier (2 Js 3912/92) aus einem Hotel in Trier spurlos verschwand und, mit Verletzungen im Gesicht, einige Tage später in der deutschen Botschaft in Lomé von ihrer Entführung berichtete, Url

b) ein Zeuge kurz nach seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren (2 Js 3912/92) bei einem Verkehrsunfall zu Tode kam, Url

(…) “ Url


Der mitteldeutsche Rundfunk ist einiger der wenigen Presseorgane, die sich mit dieser Affäre beschäftigt haben und eine qualitativ hochwertige Reportage gesendet hat unter dem Titel “Die Rotlicht-Affäre – Polizei und Justiz in Rheinland-Pfalz im Zwielicht: Ermittlungsbehörden in Trier sollen in dubiose Machenschaften im Rotlichtmilieu verstrickt sein”. Url

“Kriminalhauptkommissar Klaus W. steht unter Druck. Ihm droht die Degradierung mit drastischen finanziellen Einbußen. Fakt ist: In dieser Nachtbar ist Klaus W. vor zweineinhalb Jahren in eine Sexfalle getappt. Url

Der Kommissar hatte sich mal eben in der Mittagspause von einer Prostituierten bedienen lassen – und das ganze auch noch kostenlos. Problematisch nur: Der Barbesitzer filmt den Polizisten und versucht, ihn zu erpressen. Url

In seiner Not reagiert Klaus W. postwendend und liefert die Prostituierte bei der Staatsanwaltschaft ab. Der Zuhälter wird wenig später verhaftet. Url

Was als Sexskandälchen begonnen hat, könnte nun zu einem handfesten Justiz- und Polizeiskandal werden. Der Kommissar packt aus: In einem vertraulichen Verteidigungsschreiben, das FAKT zugespielt wurde, hat Klaus W. jetzt seinerseits schwere Vorwürfe gegen die Justiz erhoben. Url

Mehr als vier Jahre hatte Klaus W. selbst in einer Sonderermittlungsgruppe gegen Zuhälter, korrupte Kollegen, Richter und Staatsanwälte ermittelt. Unter anderem wurden regelrechte Kindersexorgien von verschiedenen Zeugen bestätigt. Doch von den 39 Ermittlungsverfahren gegen Amtsträger blieb nicht viel übrig. Lediglich zwei einfache Streifenpolizisten wurden verurteilt. Sie hatten u.a. Freibier von einem Bordellbetreiber angenommen. Url

Frustriert nach jahrelanger Recherche in der Sonderermittlungsgruppe resümiert Klaus W., er habe jedes Vertrauen in die örtliche Polizei und Justiz verloren. Url

Um nicht weiteren dienstrechtlichen Ärger zu riskieren, will Klaus W. nicht selbst in die Öffentlichkeit gehen. Url

Rechtsanwalt Mathias Schaefer: “Es bleibt in der Tat ein bitterer Nachgeschmack, wenn man bedenkt, dass hier Kapitalverbrechen im Raum stehen und im Grunde genommen unter dem Deckmantel der Nichtbeweisbarkeit eine Verfolgung nicht erfolgt.” Url

Ein Beispiel für die Ungeheuerlichkeiten, die der Beamte outet: Ein Richter wurde beschuldigt, an Sexparties mit Minderjährigen teilgenommen zu haben. Unfassbar: Trotz dieses Vorwurfs blieb er in genau diesem Verfahren entscheidungsbefugt. Url

Kommissar Klaus W. schreibt dazu: Url

“Es wurde zugelassen, dass ein Richter des AG Trier einen Durchsuchungsbeschluss erließ, in welchem er selbst Beschuldigter war. Zentrales Moment des Verfahrens war die Zur-Verfügung-Stellung von Kindern aus dem Milieu an den aufgeführten Personenkreis, und zwar anlässlich von sogenannten Parties.” Url

Ein Kollege des Polizisten W. bestätigt die fast aussichtslose Situation der Ermittler in einem anderen Fall. Der leitende Staatsanwalt selbst wurde von Zeugen beschuldigt, an Kindersexparties teilgenommen zu haben. Url

“Ja, das ist natürlich eine undankbare Aufgabe. Zum einen war es ja so, dass wenn Prozesse liefen und man als Zeuge da vernommen wird, auch von dem Herrn Staatsanwalt S. als Anklagevertreter, und auf der anderen Seite musste man gegen ihn ermitteln, was einen unheimlichen Umfang angenommen hatte. Also, das war sehr unglücklich.” Url

Nach Ansicht des Polizisten Klaus W. wurde in dem Gesamtverfahren unter der Überschrift “Kinderprostitution” nicht mehr konsequent ermittelt. Url

“Nachdem das Verfahren wegen sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen etwa eineinhalb Jahre bei der Staatsanwaltschaft Trier unbearbeitet lag, das LKA wartete auf Ermittlungsaufträge durch die Staatsanwaltschaft Trier, wurde es durch die gleiche Staatsanwaltschaft eingestellt.” Url

Richter und Staatsanwälte, die selbst verdächtig sind und trotzdem weiter im Verfahren eingesetzt werden, keine Ermittlungsaufträge, verschleppte Recherchen. Dennoch sieht man hier bei der Staatsanwaltschaft Trier keine Versäumnisse, ist mit den Ermittlungsergebnissen vollauf zufrieden. Url

Horst Roos, Staatsanwaltschaft Trier: “Dass im Übrigen Verstrickungen zu öffentlichen Bediensteten untersucht wurden mit negativem Ergebnis, schmälert den Erfolg nicht, denn auch die Feststellung, dass nichts vorliegt, ist auch ein Erfolg der Ermittlung.” Url

FAKT liegen unabhängig von der Aussage des Kommissars eine ganze Reihe interne Papiere vor, die beweisen, wie lax tatsächlich die Justiz in Trier mit der Rotlichtszene umgegangen ist. Nur ein Beispiel: Url

Ein Barbesitzer wurde verdächtigt, seine eigene Diskothek in Brand gesetzt zu haben. Die Beweise gegen ihn sind erdrückend, er kommt in Untersuchungshaft. Bei einem Haftprüfungstermin unterläuft dem Ermittlungsrichter dann allerdings ein unglaublicher Fehler – er entläßt den verdächtigen Brandstifter. Url

Zitat aus der Akte: Der Beschuldigte ist am 12. Juli 1993 aus der JVA Trier entlassen worden, weil mir insofern ein Fehler unterlaufen ist, dass ich in dem Personalbogen vermerkt habe, der Haftbefehl des Landgerichts Trier vom 17. Juni 1993 … ist außer Vollzug gesetzt worden. Obwohl das vermeintliche Versehen bekannt ist, wird das Verfahren gegen den Diskothekenbesitzer kurze Zeit später eingestellt. Zufall oder Zusammenhang: Über den Ermittlungsrichter gab es bei den Rotlichtfahndern ebenfalls eine dicke Akte. Url

Der Rheinland-Pfälzische Landtag in Mainz. Seit eineinhalb Jahren befasst sich hier ein Untersuchungsausschuß mit den zahlreichen Ungereimtheiten der Rotlichtermittlungen. Während die SPD-FDP-Koalition nach wie vor davon ausgeht, dass korrekt und gründlich gearbeitet wurde, erwartet die Oposition angesichts der vorliegenenden Fakten einen handfesten Skandal. Url

Herbert Schneiders, MdL, CDU-Mitglied des Untersuchungsausschuss “Rotlicht” in Rheinland-Pfalz: “Bislang haben unsere Recherchen aus den Akten ergeben, dass in einer Vielzahl von Fällen, wo es ganz klar um Kindersex ging, nicht weiter ermittelt worden ist. Es ist nicht ausermittelt worden – und da stellt sich die Frage: Warum? Url

In dem Zusammenhang werden exponierte Personen genannt. Inwieweit sich das verifizieren lässt, bleibt abzuwarten. Aber auch dieser Gedanke drängt sich auf, dass es in dem Zusammenhang um den Schutz dieser Personen gehen könnte.” Url

Kommissar Klaus W. selbst verweist auf mögliche Verbindungen ins internationale Milieu. Papiere, die FAKT vorliegen, bestätigen Spuren zur belgischen Kinderschänderbande um Marc Dutroux. Herbert Schneiders: Url

“Ich gehe davon aus, dass wir hier auf einen Polizei- und Justizskandal zurollen. Die Verbindungen zu Dutroux und Belgien waren aus den Akten herauszulesen, aber es ist nicht geahndet worden. Und da haben wir die große Befürchtung, dass hier der Fall hinter dem Fall versteckt ist.” FAKT: “Was heißen würde, die Kindersexskandale würden auch nach Deutschland überschwappen?” Url

Herbert Schneiders: “Das würde das in dem Moment bedeuten.” Url

Der Autor konnte sich in einer ähnlichen, nie veröffentlichen Affäre Zugang zum Dossier verschaffen. Hier Auszüge aus einem sehr signifikativen Dossier: Url

Betreffend Strafanzeige gegen G.K., u. a. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Schutzbefohlenen sowie schwerer Körperverletzung mit bleibenden Schäden und weiterer Delikte zum Nachteil von P.E.K. Url

Am 20.02.1997 stellte P.E.K., geb. am 11.12.69, Strafanzeige wegen obengenannter Delikte gegen seinen Vater, G.K., geb. am 10.10.1940, wohnhaft (…) in Hamburg. Zum Polizeirevier 27, Koppelstr. 7, 22527 Hamburg, wurde er von mir, C.Z., begleitet. Dieser Massnahme waren mehrere persönliche Gespräche vorausgegangen, und zwar am 06.12. und 12.12.1996, die einen Teil des Gesamtumfanges der Verbrechen des Beschuldigten und seiner Verbündeten offenlegten. Url

Das Ermittlungsverfahren vom Juli/August 1996 gegen G.K. und andere Personen (Az.: 21 Js 1205/96), in dem seine Tochter T-L.Z., geb. am 21.04.68, ausgesagt hatte, ist strafrechtlich bereits verjährt, hat aber durch die Strafanzeige ihres Bruders, P.K., neues Gewicht, da diese Verbrechen noch nicht verjährt sind. Url

Die Hauptmotive der Geschwister gegen den leiblichen Vater vorzugehen, ist das Verantwortungsgefühl für die minderjährigen Kinder ihres Vaters, die er in jetziger Ehe mit einer Philippinin großzieht. Diese Kinder haben möglicherweise dasselbe Schicksal zu ertragen wie seinerzeit T und P. Der Einfluss bzw. die Macht des Vaters setzt sich bis zum heutigen Tag fort, indem er sie z. B. mit Telefonanrufen einschüchtert und bedroht (TL muss sich nach Anrufen des Vaters häufig sofort übergeben). Url

Trotz der massiven Bedrohungen, die sich auch gegen die Kinder von TL richten, wollen beide Geschwister den Vater vor ein Strafgericht bringen und gegen ihn aussagen. Url

P.K. berichtet auf einer Tonbandkassette am 06.12.96 in der Wohnung seiner Schwester (die jedoch nur zeitweilig zugegen war) von seinen Erlebnissen und Erfahrungen mit seinem Vater, die keinem von uns vorher bekannt waren. Ausser mir, C.Z., war auch Frau X anwesend. Url

Das Tonband liegt als ungeschnittene Kopie diesem Protokoll bei und wird von mir, zum besseren Verständnis der Zusammenhänge, wie folgt erklärt: Url

Zunächst beschreibt P.K. die Funktion seines Vaters in der “Organisation”, in der Kinderhandel und illegale Geldgeschäfte mit Drittstaaten getätigt wurden (z.B. für Parteispenden). Dann spricht er über die Ursache für die Verfehlungen seines Vaters, der als Praktikant bei der Post im Fernmeldeamt von Frauen sexuell missbraucht wurde und dort in durchsichtigen Negligés o.ä. als 16 – 17jähriger “vorgeführt” wurde. Diese Opferrolle seines Vater könnte der Grund für die Straftaten gegen seinen Sohn sein, da er genau diese Verkleidungen in durchsichtiger Wäsche auch von seinem Sohn verlangte. Bei Weigerung wurde P. brutal verprügelt, wobei der Vater mit Vorliebe einen Gürtel mit Koppel verwendete. Die Schreie des Kindes nahm er per Tonband auf und hörte sich dies immer wieder an. Auch liess er seinen Sohn zur Strafe im kalten Keller übernachten. Url

Der zweite Teil der Tonbandaussage beinhaltet das plötzliche Verschwinden der Mutter von T. und P. Nach T.s Aussage war die Mutter von einem zum anderen Tag nicht mehr anwesend, als T. 6 Jahre alt war (1974); P. war damals 4 1/2 Jahre alt. Außerdem gab es noch einen Halbbruder der Geschwister, den 7 ½ jährigen W. aus der 1. Ehe der Mutter. Die Familie wohnte zu dieser Zeit in Wedel, (…), im 6. OG. eines Hochhauses. Url

Anmerkung: In einem weiteren Gespräch erzählte P., dass er im Alter von 6 Jahren versucht hatte, seinem Leben ein Ende zu setzen, indem er vom Balkon der Wohnung sprang. Trotz der Höhe kam er mit leichten Verletzungen ins Kinderkrankenhaus Bleickenallee und verlangte von einem Arzt, er möge ihm die Kehle durchschneiden. Den Grund dafür nannte er nicht. Der Vater stellte die Angelegenheit als “Unfall” dar. Aus den Krankenakten ist sicherlich der Zeitpunkt des Aufenthalts zu überprüfen. Url

Während der Tonbandaufnahme am 06.12.96 stellten die Geschwister (T., 28 und P., 27 J.) übereinstimmend fest, dass beide, unabhängig voneinander, Nachforschungen über den Verbleib der Mutter angestrengt hatten. Url

Die in Australien beheimatete Mutter war 1974 ohne Koffer, Kleidung und ihren Schmuck einfach verschwunden, ohne einen Abschiedsbrief zu hinterlassen. Der Einwand von T., dass die Mutter “irgendwo vergraben” sein könnte, brachte P. sofort auf die Idee, dass es dann nur auf Schweinesand sein könne. Man war von Wedel oft dorthin gefahren, bis der Vater 1979 oder 1980 behauptete, die Insel sei angeblich weggespült worden?! Url

Im weiteren Teil des Tonbandes beschreibt P. einen schwarzen Raum mit einem “Blutstein”, einem achteckigen Tisch (mit einem Kreuz in einem Kreis), auf dem an jeder Kante ein beidseitig geschliffenener Dolch lag. Dort wurde das sogenannte “Russenspiel” ausgeübt, das auch T. bereits in ihrer Zeugenaussage eindeutig beschrieben hatte (sie erlitt eine Verletzung mit heute noch sichtbarer Narbe). Url

P. erklärt ferner, wie die “Organisation” arbeitet und aufgebaut ist und wie sie mit “Abtrünnigen” umzugehen pflegt. Sein Vater hatte die Absicht, den Sohn bei der Polizei oder beim Zoll unterzubringen, in deren Behördenstellen anscheinend flächendeckend erpressbare Beamte saßen (Namen werden auf dem Band genannt). Url

Der letzte Teil des Tonbandes beinhaltet den erschütternden Bericht des P.K., wenn er von “Mordaufträgen”, die der teuerste Anbieter per Aufnahmeprüfung ausführte und anschliessend in die “Organisation” aufgenommen wurde. Url

Vier Arten des Tötens waren üblich: Url

  1. Die Zerstückelung
  2. Der Genickschuss
  3. Das Abhacken der Hände
  4. Das Mordopfer wurde lebend an den Füssen aufgehängt, wurde hin- und hergeschaukelt und anschliessend wurde ihm mit einem Messer der Kopf abgeschlagen.

P. hat eine dieser “Zeremonien” miterlebt, die an einem sieben bis achtjährigen Mädchen vorgenommen wurde, als er selbst acht oder neun Jahre alt war. Ein “Reiniger” hat danach alles saubergemacht und die Überreste des Opfers in Müllbeuteln entsorgt. Der Tatort war der Keller in einem Haus, in dem zur Tarnung die Mutter von U. (einer der Geschäftspartner von G.) wohnte. Url

Gemäss den Aussagen von P. hatte sein Vater mehrere Politiker und Geschäftsleute in der Hand, da er über deren Verfehlungen präzise informiert oder selbst in Scheingeschäfte verwickelt war. Seine Geschäftspartner waren u. a. U. (dieser wurde auch in T.s Aussage in Verbindung mit H. erwähnt) und F., mit denen er sechs oder sieben Firmen zusammen gründete, sie 1/2 – 1 Jahr betrieb und gegebenenfalls den Namen der Firma änderte (z. B. High-Tech-Läden, die auch Waffen und Handgranaten vertrieben). Eine Firma war zwischen 1989 und 1993 eine reine Briefkastenfirma für Börsenpapiere, die der Stützung des DAX diente. Url

G. hatte zwischen 1982 und 1985 mit einem Teppichhandel Geschäftskontakt: Die Familie R. besass eine Villa an der Elbchaussee. Url

Wenn sich die Familie K. in ihrer indischen Heimat aufhielt, verfügte G. über deren Vertrauen und die Schlüssel der Villa. Er benutzte sie als “Tatort” für die Vermittlung von Kindern (insbesondere seine eigenen), die gegen Bezahlung von Erwachsenen sexuell ausgebeutet und sadistisch gequält wurden (Mittäter: F., damals ca. 50 J. alt). Url

Ausserdem berichtete P. genaue Einzelheiten über die “Organisation” und den Versammlungsort der “Dreizehn”. Der Versammlungsort war zwischen 1988 und 1990 ein versteckt liegender Bunker auf dem Truppenübungsplatz Holtigbaum. Am Bunker befindet sich eine alte Baumgruppe und die Räumlichkeiten liegen zum Teil unterhalb der Erdoberfläche. P.K. kann eine genaue Beschreibung des Versammlungsraumes, der z.B. Wappen an den Wänden hatte, abgeben, da er seinen Vater einige Male zu den Treffen begleitet hat. Auch über die Sitzordnung der “13” hat er Kenntnis. Url

Die “13” sind Freimaurer und stellen ihr eigenes Gericht dar. Es gibt “Aufnahmeprüfungen” für Neue (Anwärter), die dazu angehalten werden, einen bestimmten Menschen zu töten! Ein “Beobachter” überprüft den “Anwärter”: Falls dieser den Todeskandidaten nicht tötet, wird sowohl dieser, als auch der”Anwärter” liquidiert. Url

P. nennt die Namen und die jeweilige Funktion der “13”. Url

Konkrete Angaben zu den strafrechtlichen Verfehlungen des Vaters G., die sein Sohn P. gegen ihn erhebt: Url

Nach dem Verschwinden der Mutter begann der Vater, seinen damals fünfjährigen Sohn P. nicht nur selbst sexuell zu missbrauchen und zu misshandeln, sondern er vermietete – oder verkaufte – ihn auch an Männer und Frauen bzw. Tätergruppen. Url

Der erste Tatort war das Hochhaus in W., in dem mehrere Täterfamilien wohnten, die zu G. Kontakt hatten. Die Namen sind von T. und P. übereinstimmend, unabhängig voneinander, namentlich aufgeführt worden. Url

Der zweite Tatort war ein Einzelhaus mit Garten in N., welches in direkter Nähe des Hauses der Familie H. liegt. Die Angaben über diesen Tatort in Bezug der Übergriffe auf T. durch ihren Vater und andere Täter liegen bereits als Zeugenaussage vor. Url

Auf meine konkrete Frage an P., in welcher Weise sein Vater ihn missbraucht habe, antwortete er, dass sein Vater ihn oral und anal vergewaltigt hätte, und dasselbe fand auch in umgekehrter Weise statt. Wenn P. sich weigerte, wurde er brutal verprügelt (z. B. mit einem Koppel). Ein weiteres Mal schlug ihn der Vater mit einem Wagenheber auf den Kopf; P. kam ins Krankenhaus und musste genäht werden (das ist sicher nachprüfbar). Url

Die Vermittlungen seines Vaters an zahlende “Kunden” fanden oft gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin, H., statt, die einen kleinen Sohn namens G. hatte. Url

Einer dieser “Kunden” war der Politiker E.; W. berichtet, dass er beim ersten Mal im Alter von 9 Jahren von E. sexuell ausgebeutet wurde. E. liebte es, seinem kindlichen Opfer brennende Zigaretten auf dem nackten Rücken auszudrücken. Url

Es fanden auch Treffen mit mehreren Kindern und mehreren Männern statt, z. B. in der Nähe der Davidwache, an dem ausser E. auch H. und ein ev. Pastor teilnahmen. Url

Das letzte Mal, bei dem E. sexuelle Gewalt an P. ausübte, war der 05. Mai 1985 (zwischen 19:23 und 24:00 Uhr) Url

Er verlangte oralen und analen Sexualverkehr auf Gegenseitigkeit und ging dabei äusserst brutal vor (noch schlimmer als P.s Vater). Url

An diesem Tag beschimpfte der 14 ½ jährige P. seinen Peiniger E. als “geilen Bock”, worauf ihm dieser zwei kräftige Fusstritte in den Unterleib verabreichte. Ausserdem drohte er P.: “Sagst Du was, bring‘ ich Dich um!” Url

Auf meine Frage, warum er sich so genau an das Datum erinnern konnte, erwiderte P., dass er genau zehn Tage später von zu Hause weggelaufen sei (zum wiederholten Male). Url

Durch die Aussagen von P. sind noch weitere Tatorte, Straftäter und betroffene Opfer bekannt, die zu einem späteren Zeitpunkt preisgegeben werden. P. hat heute noch Kontakt zu damaligen kindlichen Gewaltopfern, die u.U. als Zeugen zur Verfügung stehen werden. Url

Aus meiner Sicht sind die Aussagen des P. absolut glaubwürdig und schlüssig, wobei er über ein ausgezeichnetes Personen- und Zahlengedächtnis verfügt. Url

Die grösste Befürchtung, die sich für mich gegenwärtig darstellt, ist die Gefahr, dass bei Bekanntwerden dieser Vorwürfe gegen die kriminellen Mitglieder der “Organisation” massiv verhindert werden soll, eine ordentliche Gerichtsverhandlung durchzuführen. Url

Diese und weitere Aufzeichnungen werden an mehreren sicheren Orten hinterlegt und sollen für die “Kronzeugen” eine Garantie ihrer Unversehrtheit und Verbesserung ihrer Lebensqualität sein. Url


Sabine Dardenne ist heute eine nette junge Frau in einem normalen Arbeitsleben. Sie macht einen ausgeglichenen Ausdruck und scheint die Vergewaltigungen, Quälereien und Erniedrigungen, die ihr beigefügt worden sind, verkraftet zu haben. Sie redet heute offen über das ihr Wiederfahrene. Url

Dagmar hatte sich, nach ihren couragierten und bemerkenswerten Aussagen vor dem Staatsanwalt, nach Luxemburg zurückgezogen. Sie hatte uns ihre Geschichte vor zwei Jahren erzählt und uns auch ihre Aussagen zur Verfügung gestellt. Seit letztem Jahr ist sie mit unbekannter Adresse verzogen. Als wir ihr begegneten, hatte sie die miterlebten Greueltaten noch nicht verdaut und auch ihre Strategie des Verdrängens schien nicht zu fruchten. Url

Zwei Mädchen, zwei Schicksale, derselbe Täterkreis. Url

Laut offiziellen internationalen Berichten und Untersuchungen werden noch heute Millionen von Kindern in der Welt sexuell ausgenutzt. Für einen ertappten Täter laufen Tausende frei herum, sei es in Ländern der dritten Welt, wo man jetzt erst anfängt, das Problem ernst zu nehmen oder in unserem westlichen Europa, wo der Wille zur Bekämpfung der Pädophilie auch erst einige Jahre alt ist. Url

Das Interesse der Medien hat es mit sich gebracht, dass die Kampfansage gegen jene Männer und Frauen die mit Kindern “Liebe” machen, in den letzten Jahren Realität wurde. Es fehlt allerdings immer noch am politischem und juristischem Willen, an die Existenz von Netzwerken zu glauben und konsequent gegen solche vorzugehen. Netzwerke bedeutet nach wie vor Seilschaften, Ausnutzung politischer und öffentlicher Ämter um solche Netze zu beschützen und vor polizeilicher Entdeckung zu bewahren. Url

Die Geschichten von Sabine und Dagmar, dessen bin ich mir bewusst, sind nur zwei kleine Tropfen auf den heissen Stein. Solange die Moral der Menschen und die Auslegung der Gesetze es nicht erlauben, die Freiheit eines jeden dort zu stoppen, wo die des Anderen anfängt und die Würde des Kindes über alles zu stellen, ist der Kampf gegen die Pädophilie nicht zu gewinnen. Url

Die heutige Lage beweist eindeutig, dass sämtliche Anstrengungen und Verschärfungen der Gesetze es generell nur erlauben, Einzeltäter hinter Schloss und Riegel zu bringen, während Netzwerke im Grossen und Ganzen verschont bleiben. Url

Dies ist kein Pessimismus, dies ist ganz einfach die nackte Realität. Url

ENDE Url


Autoren: Jean Nicolas & Frédéric Lavachery Url

Zuerst erschienen auf: http://www.luxprivat.lu/site/Das-Paedophilennetzwerk Url

Übersetzung: Causalis Spezial (Bilder und Links hinzugefügt) Url

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