Von Kit Klarenberg / MintPress News 
Anfang Januar hat Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof ein schwerwiegendes Verfahren gegen Israel wegen Völkermordes in Gaza eingeleitet. Die Anklageschrift ist sehr detailliert und untermauert die Anklage mit einer Fülle von Beweisen, von denen die überzeugendsten öffentliche Erklärungen israelischer Beamter sind, die sie seit Beginn des Holocausts im 21. Jahrhundert am 8. Oktober sowohl im Internet als auch offline abgegeben haben.
Medienberichte deuteten nahezu sofort darauf hin, dass die Regierung von Benjamin Netanjahu den prominenten US-Anwalt und altgedienten Harvard-Professor Alan Dershowitz mit der Verteidigung vor dem IGH betrauen würde. Als überzeugter Hardcore-Zionist, der mehrere apologetische Bücher verfasst hat, in denen er die abscheulichen Verbrechen Tel Avivs gegen die Palästinenser seit 1948 verharmlost oder gar beschönigt – sein jüngstes Werk “Defending Israel: Against Hamas and its Radical Left Enablers” (Verteidigung Israels gegen die Hamas und ihre linksradikalen Unterstützer) – war er zweifellos ein begehrter Kandidat. Doch innerhalb weniger Tage wurde er klammheimlich aus dem Rennen genommen.
Eine Erklärung für diese abrupte Kehrtwende wurde nicht abgegeben. Der Grund liegt jedoch auf der Hand: die gleichzeitige Veröffentlichung umfangreicher Unterlagen über die offiziellen polizeilichen Ermittlungen gegen Jeffrey Epstein sowie die gegen ihn erhobenen Zivilklagen.
Diese Enthüllungen werfen ein neues Licht auf das Leben und die Verbrechen des pädophilen Milliardärs, insbesondere auf diejenigen unter seinen zahlreichen prominenten Freunden, Partnern und Kollegen, die “Kunden” waren – zahlende Kunden für Sex mit Minderjährigen, die von dem zurückgezogen lebenden Mogul vermittelt wurden. Der wichtigste unter ihnen war kein Geringerer als Dershowitz.
Dershowitz – der den berüchtigten Serienvergewaltiger Harvey Weinstein vor Gericht verteidigte und in einem erstaunlichen Interessenkonflikt Epsteins außergewöhnliche Vereinbarung über den Verzicht auf strafrechtliche Verfolgung aus dem Jahr 2008 aushandelte – ist seit vielen Jahren mit Vorwürfen des pädophilen Missbrauchs konfrontiert. Seit Beginn der Veröffentlichungen hat er sich offen damit gebrüstet, dass sein Name 137 Mal in den bisher veröffentlichten Dokumenten auftaucht und behauptet, der Inhalt entlaste ihn vollständig von jeglichem sexuellen Fehlverhalten. Wie wir sehen werden, ist dies weit von der Wahrheit entfernt.
“Öffentliche Medienattacke”
Alan Dershowitz ist seit langem als einer der mutmaßlichen pädophilen Verbündeten Epsteins bekannt, und das aus gutem Grund. Neben einer stolz zugegebenen persönlichen Beziehung zu Epstein und seiner langjährigen Partnerin – oder “Madam” – Ghislaine Maxwell, Tochter des berühmten Mossad-Agenten Robert Maxwell, verklagte Virginia Giuffre (geb. Roberts) ihn im Dezember 2014. Sie behauptete, dass Epstein die Vergewaltigung durch Dershowitz mindestens sechs Mal arrangiert habe, als sie gerade 16 Jahre alt war.
Der Rechtsstreit zog sich bis November 2022 hin, als Giuffre die Klage abrupt fallen ließ und behauptete, sie habe Dershowitz “womöglich irrtümlich” als ihren Vergewaltiger identifiziert. Im Gegensatz dazu wurden in der Zwischenzeit parallele Klagen gegen Maxwell und den britischen Prinzen Andrew, der sie ebenfalls vergewaltigt haben soll, mit mehreren hunderttausend Dollar zu Giuffre’s Gunsten entschieden.
Mehrere neu freigegebene Dokumente befassen sich mit Giuffre’s verworfenen rechtlichen Schritten. Einer der interessantesten – und vernichtendsten – Auszüge beschreibt, wie ihre Pro-Bono-Anwälte Bradley Edwards und Paul G. Cassell im Januar 2015 Dershowitz vor einem Gericht in Florida wegen Verleumdung verklagten. Hintergrund war der Antrag des Harvard-Professors, ihnen die Anwaltslizenz zu entziehen, weil sie Giuffre vertraten und gleichzeitig einen “massiven öffentlichen Medienangriff auf seinen Ruf und Charakter” starteten.
So sagte er beispielsweise gegenüber CNN: “Sie sind bereit zu lügen, zu betrügen und zu stehlen. Das sind unmoralische Anwälte… Ihnen kann es nicht erlaubt werden, eine Anwaltszulassung zu haben, damit sie noch mehr unschuldige Menschen schikanieren können.”
Merkwürdigerweise geht aus den freigegebenen Dokumenten hervor, wie Dershowitz im September 2015 vor Gericht argumentierte, dass Cassell und Edwards bei ihrer Verleumdungsklage gegen ihn “irgendwie” auf das Anwaltsgeheimnis gegenüber Giuffre verzichtet hätten. Infolgedessen beantragte er, sie zur Vorlage von Dokumenten und jeglichem Material aus ihrem Besitz bezüglich Giuffre zu zwingen. Mit anderen Worten: Dershowitz wollte an sensible, private Informationen und Mitteilungen über die Klägerin herankommen, die normalerweise vor Gericht nicht offengelegt werden dürfen.
Drei Monate später wies der vorsitzende Richter Dershowitz’ Forderung und die sie stützenden Argumente in einer umfassenden und vernichtenden Entscheidung zurück. Der Unglaube und die Abscheu des Richters angesichts des zynischen Versuchs, eines der “ältesten anerkannten Privilegien” des US-Rechts auf diese Weise zu untergraben, zumal Giuffre in dem Verleumdungsfall weder “betroffen” noch eine namentlich genannte Partei war, sind deutlich zu spüren.
Es ist völlig unklar, warum Dershowitz diese Informationen haben wollte, doch er war fest entschlossen, sie zu bekommen. Als sich die Verleumdungsklage hinzog, lud er Giuffre zu einer eidesstattlichen Aussage vor, woraufhin sie endlos mit Fragen bombardiert wurde, die sie zwingen sollten, durch das Anwaltsgeheimnis geschützte Informationen preiszugeben und auf ihre Rechte im Zusammenhang mit diesem Grundsatz zu verzichten. Sie lehnte ab. Der Fall wurde schließlich im April 2016 gegen eine ungenannte Summe beigelegt.
“Schutz für sich selbst”
Dershowitz geriet auch wegen seiner Rolle bei der Sicherung von Epsteins Vereinbarung über den Verzicht auf strafrechtliche Verfolgung von 2008 in rechtlich heißes Wasser. Im Rahmen dieses Abkommens wurde Epstein Immunität von allen strafrechtlichen Anklagen auf Bundesebene gewährt, ebenso wie vier von Epsteins benannten und allen nicht bekannten “potenziellen Komplizen”. Die Gewährung eines derart weitreichenden, pauschalen Schutzes vor der Justiz für irgendjemanden, geschweige denn für eine potenziell unendliche Anzahl von Personen, ist in der amerikanischen Rechtsprechung völlig beispiellos.
Im Gegenzug für diese verblüffende Milde bekannte sich Epstein vor einem Gericht des Bundesstaates Florida nur zweier schwerer Prostitutionsdelikte für schuldig, ließ sich als Sexualstraftäter registrieren, zahlte eine bescheidene Entschädigung an drei Dutzend von den US-Behörden ermittelte Opfer und verbüßte lediglich 13 Monate in einem luxuriösen Gefängnis in Palm Beach mit täglichem Ausgang. Zweifellos zur großen Erleichterung des Angeklagten. Durch die Zustimmung zur Vereinbarung über den Verzicht auf strafrechtliche Verfolgung wurden außerdem die parallel laufenden Ermittlungen der Polizei und des FBI in Florida zu seinen zahlreichen Verbrechen eingestellt.
Auf direkten Wunsch Dershowitz’ stimmte der damalige Bezirksstaatsanwalt von Florida, Alexander Acosta, zu, die Bedingungen des Deals vor Epsteins Opfern geheim zu halten, obwohl dies einen ungeheuerlichen und eindeutigen Verstoß gegen das US-Gesetz über die Rechte von Verbrechensopfern (CVRA) darstellte.
Im Februar 2019 entschied ein Bundesrichter, dass dies aufgrund einer Klage, die Giuffre mehr als ein Jahrzehnt zuvor eingereicht hatte, unangemessen und illegal war. Die freigegebenen Dokumente enthielten zahlreiche Verweise auf diese Klage.
So heißt es in einer Akte, dass weitergehende Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen Dershowitz “für mindestens acht verschiedene Punkte im CVRA-Fall relevant waren”. Dann werden “einige der Beweise aufgelistet, die die Anschuldigungen gegen ihn stützen”, darunter:
Eidesstattliche Aussage [eines] von Epsteins Haushaltsangestellten, dass Dershowitz allein im Hause Epstein, ohne seine Familie, in Gegenwart junger Mädchen zugegen war; Berufung auf das Recht auf Schweigen nach dem Fünften Verfassungszusatz durch drei von Epsteins identifizierten Komplizen…, als sie gefragt wurden, ob Dershowitz Massagen von jungen Mädchen erhalten habe; Weigerung von Jeffrey Epstein, über Dershowitz’ Beteiligung zu sprechen, und stattdessen Berufung auf sein Recht nach dem Fünften Verfassungszusatz.”
Vor diesem Hintergrund erscheinen Dershowitz’ aggressive Bemühungen, aufzudecken, was Giuffre gewusst und mit ihren Anwälten besprochen haben könnte, umso perverser und verdächtiger. Zumal aus den freigegebenen Dokumenten hervorgeht, dass Ghislaine Maxwell sich selbst auf das Anwaltsgeheimnis berufen hat, um Forderungen von Giuffres Anwälten abzulehnen, ihr jegliches Material auszuhändigen, das für ihr Rechtsverhältnis zu Dershowitz relevant ist. Sie wollten herausfinden, ob die beiden seit 1999 eine gemeinsame Verteidigungsvereinbarung getroffen hatten.
Diese rechtlichen Vereinbarungen erlauben es “Parteien, die ein gemeinsames Interesse daran haben, einen gemeinsamen rechtlichen Gegner abzuwehren, frei Informationen miteinander zu teilen, ohne befürchten zu müssen, dass das Anwaltsgeheimnis aufgehoben wird.” Dies wäre für Dershowitz und Maxwell sicherlich angebracht, da sie beide von denselben Frauen der Zusammenarbeit und aktiven Beteiligung an Epsteins pädophilem Missbrauch über viele Jahre hinweg beschuldigt wurden.
Der in den Anträgen von Giuffre’s Anwälten angegebene Zeitrahmen könnte erklären, warum Maxwell im Juli 2022 unter anderem wegen Verführung Minderjähriger, Kindersexhandel und Meineid angeklagt wurde, wobei sich die Vorwürfe ausschließlich auf die Jahre 1994 bis 1997 bezogen. Die Vereinbarung über den Verzicht auf strafrechtliche Verfolgung hat möglicherweise alle danach von ihr begangenen Gräueltaten verborgen. Wie Dershowitz in einem apologetischen Kommentar für den Spectator nach Maxwells Verhaftung enthüllte, “schloss Epsteins ursprünglicher Deal, sich schuldig zu bekennen, Maxwell ausdrücklich als einen Empfänger von Immunität ein”.
Da Dershowitz die Vereinbarung über den Verzicht auf strafrechtliche Verfolgung persönlich orchestriert hatte, war er in der Lage zu wissen, “wer im Rahmen der Vereinbarung über den Verzicht auf strafrechtliche Verfolgung Immunität erhielt”. Schockierenderweise könnte er unter ihnen gewesen sein. Eine frisch freigegebene Gerichtsakte vom Dezember 2014, in der Epstein-Opfer, die nicht an Giuffre’s CVRA-Klage beteiligt waren, sich ihrer Klage anzuschließen versuchten, enthält den Vorwurf, er habe bezüglich des sexuellen Missbrauchs des Opfers “Jane Doe #3” “eine Vereinbarung mit einer Bestimmung ausgehandelt, die ihn vor Strafverfolgung in Florida schützte”:
“Immer größer”
Epstein verlangte von der minderjährigen Jane Doe Nr. 3 bei zahlreichen Gelegenheiten sexuelle Beziehungen zu Dershowitz, nicht nur in Florida, sondern auch in Privatflugzeugen, in New York, New Mexico und auf den U.S. Virgin Islands. Dershowitz war nicht nur am Missbrauch von Jane Doe Nr. 3 und anderen Minderjährigen beteiligt, sondern war auch Augenzeuge des sexuellen Missbrauchs vieler anderer Minderjähriger durch Epstein und mehrere von Epsteins Komplizen.
[Epstein] stellte sie politisch verbundenen und finanziell einflussreichen Personen für Sex zur Verfügung … um sich bei ihnen für geschäftliche, persönliche, politische und finanzielle Vorteile einzuschmeicheln und um potenzielle Informationen für Erpressungszwecke zu erhalten.
An Frauen mit identischen Aussagen mangelte es nicht, als die Polizei in Palm Beach im März 2005 erstmals gegen Epstein ermittelte, nachdem ein Elternteil berichtet hatte, der Finanzier habe seine 14-jährige Tochter sexuell missbraucht. Als die Polizei im Oktober desselben Jahres Epsteins Wohnung durchsuchte, waren 21 mögliche Opfer identifiziert worden. Als der Verdächtige später wegen sexuellen Missbrauchs verhaftet wurde, hatten die Behörden bereits drei Dutzend potenzielle minderjährige Opfer identifiziert und waren dabei, weitere aufzuspüren. Ein Ermittler aus Palm Beach erinnerte sich 2018:
Ich war überrascht, wie schnell sich die Sache ausweitete. Ich dachte, dass es irgendwann ein letztes Gespräch geben würde, aber das nächste Opfer lieferte mir drei oder vier weitere Namen, und das nächste hatte drei oder vier Namen, und so wurde es immer größer.”
Vor seiner Verhaftung erfuhr Epstein, dass einige seiner Opfer mit der Polizei gesprochen hatten. Seine unmittelbare Reaktion war, Dershowitz’ juristische Dienste in Anspruch zu nehmen. Epstein beauftragte auch Privatdetektive, die unter dem Deckmantel der Strafverfolgung Befragungen mit seinen Opfern durchführten, den Papierkorb der Polizeibeamten von Palm Beach nach diskreditierendem Material durchsuchten und seine Opfer und deren Familien beschatteten. In einem Fall wurde der Vater eines Opfers von einem der Handlanger Epsteins von der Straße gedrängt.
Außerdem wurden mehrere Opfer von Epstein und seiner persönlichen Assistentin und Massageplanerin Sarah Kellen eingeschüchtert und davor gewarnt, mit der Polizei zu sprechen.
In der Zwischenzeit traf sich Dershowitz privat mit dem damaligen Staatsanwalt von Palm Beach, Barry Krischer, und veranstaltete einen “Blödsinn”, von dem die Ermittlungsbeamten “noch nie etwas gesehen oder gehört” hatten. Unter anderem stellte er Dossiers über Epsteins Anklägerinnen zur Verfügung, darunter Fotos, die sie beim Biertrinken als Minderjährige zeigen, sowie andere triviale “persönliche Verfehlungen”.
Dennoch war Dershowitz offenbar maßgeblich daran beteiligt, die floridianischen Behörden davon zu überzeugen, jede Hoffnung aufzugeben, Epstein für seine abscheulichen Taten zur Rechenschaft zu ziehen. Kurz darauf behauptete ein Ermittler aus Palm Beach:
“Es wurde klar, dass sich die Dinge geändert hatten – von der Aussage Krischers, ‘wir werden diesen Kerl lebenslang wegsperren’, bis hin zu ‘das sind alles Gründe, warum wir ihn nicht strafrechtlich verfolgen werden’.”
Die freigegebenen Dokumente enthalten weitere Einzelheiten zu Dershowitz’ Sabotage. In einem Bericht eines Ermittlungsbeamten vom Juli 2006 wird erwähnt, wie der Professor ihm einen Brief mit beigefügten Screenshots von MySpace-Profilen zweier Opfer schickte. In einem gab ein Opfer an, dass zu ihren “Interessen” auch “Gras (Marihuana)” gehöre. Ein anderes enthielt einen Blogbeitrag, in dem sie “den Konsum von Marihuana mit ihrem Freund beschreibt”. An anderer Stelle im Schreiben des Anwalts heißt es:
[Dershowitz] teilte mit, dass er der Behauptung nachgehe, dass einer der von den Privatanwälten Epsteins eingesetzten Privatdetektive versucht habe, sich als Polizeibeamter aus Palm Beach auszugeben. Herr Dershowitz teilte mit, dass die Ermittler, die für die Befragung von [geschwärzt] eingesetzt wurden, “einen ziemlich ausgeprägten Sprachfehler” hatten und weder behaupteten, Polizeibeamte zu sein, noch sich als solche ausgegeben haben.
Es ist erstaunlich, dass Krischer aufgrund dieser schwachen Interventionen zum Rückzug bewegt werden konnte. Andererseits hat Alexander Acosta ausgesagt, dass er die von Dershowitz ausgehandelte Vereinbarung über den Verzicht auf strafrechtliche Verfolgung akzeptierte, nachdem ihm von nicht genannten Vorgesetzten gesagt worden war, er solle “die Sache ruhen lassen”, da Epstein “zum Geheimdienst” gehöre und daher “über seiner Gehaltsklasse” liege.
Solche unheilvollen Verbindungen könnten erklären, warum Netanjahu und seine Gefolgsleute Dershowitz, einen beschuldigten Pädophilen und engen Vertrauten Epsteins, offen in Betracht zogen, um ihre Verteidigung vor dem IGH zu leiten, ohne sich offensichtlich um eine Gegenreaktion in der Öffentlichkeit zu sorgen.
Autor: Kit Klarenberg
Am 09.01.24 erschienen auf: https://www.mintpressnews.com/why-israel-dumped-accused-pedophile-alan-dershowitz/286566/
Übersetzung: Causalis Spezial
Spendier mir 'nen Kaffee
